In den nächsten Jahren dürfte sich das Bremer Stahlwerk stark verändern. Nach Plänen von Arcelor-Mittal soll ab 2026 einer der Hochöfen überflüssig werden. Stattdessen will der Konzern auf eine neue Technologie setzen, für die aktuell die Grundlage gelegt wird – und für die er nun Hilfe braucht.
Der geplante Schritt sei mit „erheblichen Investitionen“ verbunden, sagt der Bremer Arcelor-Mittal-Chef Reiner Blaschek. Er geht von einer Summe im „einstelligen, niedrigen Milliardenbereich“ aus, die der Konzern ausgeben muss, um seine Klimaziele zu erreichen. Bis 2030 will Arcelor-Mittal seinen CO2-Ausstoß um 30 Prozent senken, bis 2050 soll der Konzern klimaneutral sein.
Im Konzern, so Blaschek, habe man sich ein Konzept überlegt, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Für Bremen heißt das: Bis 2026 soll hier eine großindustrielle Anlage zur Direktreduktion von Eisenerz zu Eisenschwamm (DRI) in Verbindung mit einem Elektrolichtbogenofen entstehen. Diese Anlage wird nicht mit Koks befeuert, sondern vorerst mit Erdgas. Dadurch soll weniger CO2 freigesetzt werden als bisher. Langfristig plant der Konzern, die DRI-Anlage mit Wasserstoff zu betreiben, der mit Erneuerbaren Energien hergestellt wurde.
In Bremen soll dann erst einmal für die eigene Hütte produziert werden, aber auch für den Standort in Eisenhüttenstadt, an dem ebenfalls ein Hochofen stillgelegt werden soll. Hier investiert Arcelor-Mittal neben einem Elektrolichtbogenofen auch in eine Pilotanlage, bei der Wasserstoff im sogenannten Pyrolyseverfahren hergestellt wird. Wenn sich diese Technologie bewährte habe, könne man das Herstellungsverfahren größer aufziehen, so Blaschek. „Ziel ist es, schrittweise die Umstellung hin zu einer CO2-armen Stahlproduktion zu schaffen und so die Zukunft der beiden Standorte zu sichern.“
Fördermittel dringend benötigt
Bei diesem Vorhaben braucht der Konzern aber Hilfe, das macht Blaschek klar. Vor allem von der Politik. „Wir haben auf EU-Ebene Fördermittel beantragt, aber auch auf nationaler und Landesebene“, sagt Blaschek. Ebenso hofft der Stahlhersteller, dass die Europäische Union einen sogenannten Grenzausgleich einführt. Konkret heißt das: Günstiger, im Ausland produzierte Stahl soll mit Strafzahlungen belegt werden, wenn bei der Herstellung nicht die geforderten Umweltstandards eingehalten werden. Ein erster Schritt ist bereits getan: In dieser Woche hat das Europäische Parlament diesem Grenzausgleich zugestimmt; nun muss EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans bis Sommer eine entsprechende Regelung entwerfen. Noch ist aber fraglich, ob dieser Aufpreis gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstößt.
Auch Klaus Hering, Gesamtbetriebsratsvorsitzender des Stahlproduzenten, mahnt: „Der Bau hängt an der Unterstützung.“ Und die sei längst nicht gesichert. So habe sich Arcelor-Mittal beim Bund als ein sogenanntes IPCEI (Important Project of Common European Interest) beworben. Das sind Projekte, die von großem europäischen Interesse sind. Das Besondere: Während staatliche Beihilfe für Unternehmen in der EU eigentlich verboten sind, gibt es eine Ausnahme für IPCEIs. Denn neben den Anfangsinvestition für neue Anlagen geht es Arcelor-Mittal um einen Betriebskostenzuschuss, da durch die neuen Verfahren und den Einsatz von Wasserstoff auch die Kosten in der Produktion steigen. Ob das Vorhaben von Arcelor-Mittal als IPCEI genehmigt wird, ist aber noch nicht klar. Eine Entscheidung könnte erst zum Ende des Jahres fallen. Ob Bremen sich neben dem Bund dann an der Finanzierung beteiligen muss, ist noch nicht klar.
Im Ressort von Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hat man jedenfalls großes Interesse daran, dass der Konzern seine Pläne verwirklichen kann. „Um den bestehenden Förderbedarf politisch zu flankieren, sind das Wirtschaftsressort und der Senat in Gesprächen mit der Bundesregierung und mehreren Ministerien“, teilt Sprecherin Kristin Viezens mit. Und auch schon eine erste Fördersumme steht. Zehn Millionen Euro sollen aus dem Bremen-Fonds in ein Pilotprojekt fließen, das sich mit der Erzeugung von Wasserstoff und dessen Einsatz in der Stahlproduktion beschäftigt.
Noch nicht gänzlich geregelt ist, wie der erhöhte Strombedarf des Stahlwerks nach der Umstellung gedeckt werden soll. Denn während beim Betrieb der Hochöfen Konvertergase anfallen, die aktuell genutzt werden, um sie in Strom umzuwandeln, der später bei der Produktion eingesetzt wird, gibt es so ein nützliches Nebenprodukt in der DRI-Anlage nicht. Hinzu kommt, dass der geplante Elektrolichtbogenofen ebenfalls mit Strom betrieben wird, wodurch der Energiebedarf deutlich steigt. Laut Hering braucht die Hütte auf lange Sicher daher einen verstärkten Stromanschluss, der noch verlegt werden muss. Im ersten Schritt reicht es laut SWB eine neue Schaltanlage zu bauen. Für den Betriebsrat führt kein Weg daran vorbei. „Nur so können wir garantieren“, sagt er, „dass wir auch noch in 20 Jahren hier Stahl produzieren.“
Die Farben des Wasserstoffs
Auch wenn Wasserstoff farblos ist, haben sich verschiedene Farben als Bezeichnungen etabliert. Wasserstoff wird „grün“ genannt, wenn Wasser, in die beiden Elemente Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten wird und die Energie aus regenerativen Quellen kommt. Im Gegensatz wird grauer Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Häufig wird bei der Herstellung Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und CO2 umgewandelt. Von blauem Wasserstoff spricht man, wenn das entstehende CO2 abgeschieden und gespeichert wird. Türkiser Wasserstoff ist Wasserstoff, der über Methanpyrolyse (die thermische Spaltung von Methan) hergestellt wurde. Anstelle von CO2 entsteht dabei fester Kohlenstoff.