Am 13. Tag ihrer Mondmission hat die US-Raumkapsel "Orion" am Montag den Wendepunkt der Reise erreicht: Auf ihrer weiten Umlaufbahn um den Mond war sie rund 430.000 Kilometer von der Erde entfernt. Weiter hinaus ins All geht es auf dieser Reise nicht mehr – "Orion" nähert sich ab jetzt ihrem Heimatplaneten wieder an. Bislang läuft die Mission nach Plan, heißt es von der US-Weltraumbehörde Nasa, abgesehen von ein paar zertrümmerten Aufzugtüren am Startplatz und einer Schrecksekunde im Kontrollzentrum in Houston am vergangenen Mittwoch.
Die Fahrstühle der Startrampe 39B des Kennedy Space Center in Florida waren zu Bruch gegangen, als die SLS-Rakete am 16. November auf einem mächtigen Feuerstrahl in den Nachthimmel aufstieg – so gewaltig war die Schubkraft der 100 Meter hohen Mondrakete. Trotz des Sachschadens am Mobiliar herrschte auch in Bremen großer Jubel: Denn die Antriebs- und Versorgungseinheit von "Orion" wird bei Airbus in Bremen gebaut. Das Europäische Servicemodul (ESM) ist der Beitrag der Europäer zur US-Mission "Artemis", der geplanten Rückkehr der Menschen auf den Mond.
Beim unbemannten Erstflug hat die Technik aus Bremen bislang zuverlässig funktioniert. Alle Flugmanöver klappten wie geplant. Dabei ist der Hauptmotor des ESM bereits ein "Weltraumveteran": Auf 19 Flügen der früheren US-Weltraumfähre Space Shuttle war er bereits als Manöverantrieb im Einsatz. Um Geld zu sparen, hat die Nasa entschieden, die ausrangierten Shuttle-Triebwerke für die "Artemis"-Mission wiederzuverwenden, so lange der Vorrat reicht.
Die beiden entscheidenden Flugmanöver, die "Orion" auf Kurs brachten, gelangen in der vergangenen Woche im Schwerefeld des Mondes. Die Raumkapsel soll nämlich um den Erdtrabanten einen großen Bogen machen: Distant Retrograde Orbit (DRO) nennen die Raumfahrtphysiker die Flugbahn, die entgegen der Zugrichtung des Mondes verläuft. Sie ermöglicht bei geringem Treibstoffverbrauch eine gründliche Erprobung des Raumschiffs in den Tiefen des Weltalls – "ein echter Stresstest", so hatte es Mike Sarafin, der Chef der "Artemis"-Mission, angekündigt.
Im Tiefflug über den Mond
Dazu waren zwei genau berechnete Triebwerkszündungen im Abstand von vier Tagen notwendig: Aus dem Tiefflug rund 100 Kilometer über der Mondoberfläche schwenkte "Orion" so in eine Riesenschlaufe um den Mond mit einem Abstand von 65.000 Kilometer ein.
Zwischen den beiden Kurskorrekturen gab es jedoch am vergangenen Mittwoch noch eine Schrecksekunde im Nasa-Kontrollzentrum in Houston: Beim Konfigurieren einer Datenleitung riss auf einmal die Verbindung zum Raumschiff ab. 47 Minuten lang hatte die Bodenstation keinen Kontakt zu "Orion", dann gelang es, die Verbindung wieder herzustellen. Die Panne habe "keine Auswirkungen" auf das Raumfahrzeug gehabt, beeilte sich die Nasa festzustellen.
Eine Woche benötigt "Orion" nun für eine halbe Riesenrunde um den Mond. Dabei stellte das Raumschiff am Wochenende sogar einen neuen Rekord auf: Noch nie war ein für den Transport von Menschen ausgelegtes Raumfahrzeug weiter entfernt von der Erde. Den bisherigen Rekord hielt die Besatzung von Apollo 13, die sich auf ihrem Unglücksflug 1970 vor der Rückkehr zur Erde fast genauso weit um den Mond herumschwingen musste – damals ein unfreiwilliges Manöver in höchster Not. "Orion" soll jetzt für solche Einsätze im tiefen Weltall besonders gut gerüstet sein.
Ende der Woche wird das Raumschiff mit zwei weiteren Triebwerkszündungen den weiten Orbit verlassen, sich noch einmal im Tiefflug um den Mond hangeln und dabei Schwung holen für die Rückkehr zur Erde. Der letzte Härtetest ist dann am 11. Dezember die Landung: Mit fast 40.000 Kilometern pro Stunde wird die Raumkapsel in die dichten Luftschichten der Atmosphäre hineinrasen und nach einem brutalen Bremsmanöver in den Pazifik platschen. Das Europäische Versorgungsmodul ESM hat seine Dienstreise dann bereits beendet: Vor dem heißen Ritt durch die Atmosphäre wird es sich von der Kapsel trennen und anschließend verglühen.