Der Jubel war groß bei Airbus in Bremen: Um exakt 7.47 Uhr hob am Mittwoch auf der anderen Seite des Atlantiks die Mondrakete SLS vom Kennedy Space Center in Florida ab. An ihrer Spitze: Die Raumkapsel "Orion", die für diesen ersten Testflug unbemannt bleibt, aber vollgestopft ist mit Technik made in Bremen. "Nach vielen Jahren Arbeit und mehrmals verschobenen Starts war dies ein großartiger Moment für die Teams von Airbus und auch Ariane Group aus Bremen", freut sich Landesraumfahrtkoordinator Siegfried Monser, der sich die Liveübertragung des Starts zusammen mit den Technikern und Ingenieuren ansah.
Zweimal hatten Startversuche in den letzten Monaten wegen technischer Probleme abgebrochen werden müssen. Ende September sorgte dann ein Hurricane über Florida für weitere Verzögerungen; die 100 Meter hohe SLS-Rakete musste vor dem Unwetter in Sicherheit gebracht werden.
Auch beim Start am Mittwoch – in Florida war es mitten in der Nacht – lief nicht alles glatt; es blieb spannend bis zur letzten Minute: Dreieinhalb Stunden vor dem Start musste die Betankung der Rakete unterbrochen werden, weil an einem Wasserstoffventil ein Leck aufgetreten war. Das sogenannte "Red Team" wurde alarmiert – Mechaniker, die für Notreparaturen an der vollgetankten Rakete ausgebildet sind. Ein Job, der ungefähr so prickelnd ist wie der eines Bombenentschärfers. "Wir haben sehr viel Technik, die uns hilft, aber manchmal muss man einfach zum Schraubenschlüssel greifen, um ein Problem zu lösen – und so war es heute", sagte Nasa-Manager Michael Bolger, der für die Startrampe des Kennedy Space Center zuständig ist, auf der anschließenden Pressekonferenz. Den Technikern gelang es, an der dampfenden Rakete ein paar lose Muttern festzuziehen, so dass die Betankung fortgesetzt werden konnte.
Zur geplanten Startzeit um 1.04 Uhr Ortszeit allerdings war der Countdown immer noch angehalten. Erst nachdem alle Teams ihr "Go" gegeben hatten, wurde die Uhr wieder in Gang gesetzt und zählte die letzten zehn Minuten bis zum Start herunter.
Erste Bewährungsprobe bestanden
Die Airbus-Mitarbeiter in Bremen hatten dabei gleich mehrfach Grund zum Jubeln: Nachdem die Rakete auf einem kolossalen Feuerstrahl im Nachthimmel verschwunden war, wurde es 18 Minuten nach dem Start noch einmal spannend. Im Ablaufplan der Nasa stand die Entfaltung der Sonnensegel auf dem Programm, die die Raumkapsel "Orion" mit Strom versorgen sollen - eine der zentralen Aufgaben des Europäischen Servicemoduls (ESM) aus Bremen. Als zwei Minuten später die ersten Bilder aus dem All über die Leinwand flimmerten, aufgenommen von Kameras an den Spitzen der aufgeklappten Sonnensegel, brandete Riesenjubel auf in Bremen – das ESM hatte seine erste Bewährungsprobe bestanden. Artemis-Progammmanager Mike Sarafin berichtete auf der Pressekonferenz später von einer Fehlermeldung beim Verriegeln des Solarpaneels Nummer 3, zeigte sich jedoch "nicht übermäßig besorgt".
Als sich zwei Stunden nach dem Start die ausgebrannte Oberstufe von dem Weltraumgespann löste, übernahm das ESM endgültig die Regie. Mit seinen Haupttriebwerk und den Manövrierdüsen soll es das Raumschiff bis auf 100 Kilometer an den Mond heranführen, dann in eine weite Schleife tief in den Weltraum hinauskatapultieren, um anschließend mit einem weiteren Tiefflug über dem Mond die Rückkehr zur Erde einzuleiten. Auf dem vierwöchigen Flug wird die gesamte "Haustechnik" intensiv getestet – Antriebe, Stromerzeugung, Wasserversorgung, Klimatechnik.
Beim Erstflug sind nur zwei Puppen an Bord, an denen die Auswirkungen der Weltraumstrahlung getestet werden sollen. Sie heißen "Helga" und "Zohar" und wurden von Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrttechnik (DLR) mitentwickelt. Doch schon beim zweiten Testflug, der für 2024 geplant ist, fliegen vier echte Astronauten und Astronautinnen in der Kapsel mit – ihr Leben hängt dann vom reibungslosen Funktionieren des Versorgungsmoduls aus Bremen ab. Es ist das erste Mal, dass die Amerikaner ihre Astronauten ausländischer Technik anvertrauen.
Nicht nur die Nasa zeigte sich am Mittwoch zufrieden mit den ersten Manövern des ESM. Auch Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) beglückwünschten die Airbus-Mitarbeiter zu ihrer Leistung. "Dass das auf den Namen 'Bremen' getaufte Servicemodul zum Mond fliegt, ist ein herausragendes Symbol für Raumfahrttechnologie aus Bremen", sagte Vogt. Am Bau des aus 20.000 Teilen bestehenden ESM sind Hersteller aus zehn Mitgliedsländern der Europäischen Weltraumagentur Esa beteiligt; die Endmontage erfolgt bei Airbus in Bremen. Das Modul für die Testmission Artemis I wurde bereits vor vier Jahren zur Erprobung in die USA geflogen; das Modul für die bemannte Mission Artemis II ist ebenfalls schon ausgeliefert worden. Zurzeit entsteht in Bremen das dritte ESM für Artemis III, die Landung auf dem Mond. Der Flug ist für 2025/26 geplant.