Der Fall um zweifelhafte Knöllchen der Überwachungsfirma Parkpoint auf den Lidl-Parkplätzen zieht immer weitere Kreise. Nach dem Bericht über die Kameraüberwachung bei Lidl "In der Vahr" und dem Rentner, der für 39 Minuten Parken 35 Euro zahlen soll, weil laut Parkpoint die Höhe des Einkaufs nicht mit der Parkdauer übereinstimme, meldete sich Marco A. aus Verden beim WESER-KURIER. Er sollte 35 Euro an Parkpoint zahlen, obwohl er nachweislich nur 48 Minuten auf dem Lidl-Parkplatz in Findorff in der Hemmstraße geparkt hatte. Eigentlich sind dort wie auch in der Vahr 90 Minuten erlaubt. Auch dort überwachen inzwischen Kameras die Ein- und Ausfahrt.
Marco A. berichtet: "Ich traf mich am 13. Oktober gegen 12.30 Uhr mit einem Bekannten dort, jeder mit eigenem Auto. Gegen 13.18 Uhr verließen wir den Parkplatz. Wochen danach verlangte Parkpoint per Schreiben 35 Euro "Vertragsstrafe" für 108 Minuten Parken von jedem von uns." Der Verdener ließ sich die Fotos schicken. Da fiel ihm auf, dass das Einfahrtsfoto eine falsche Uhrzeit anzeigte, nämlich 11.30 Uhr. Durch seinen Bekannten hatte er einen Zeugen, außerdem hat Marco A. eine Rechtsschutzversicherung. Deren Telefon-Beratung riet ihm zur Androhung einer Klage und sagte: "Diese Firmen haben kein Interesse an gerichtlichen Auseinandersetzungen, weil sie dort in der Pflicht sind, die Beweise vorzulegen." Danach hat Parkpoint die "Vertragsstrafe" gegen ihn "aus Kulanz" fallen lassen.
Doch mit Kulanz hat das laut Nicole Bahn nichts zu tun: "Die Parküberwachungsfirmen sind klar in der Beweispflicht." Bahn leitet die Abteilung Verbraucherrecht bei der Bremer Verbraucherzentrale und warnt vor zu viel Einschüchterung: "Es kommt immer wieder vor, dass die Betroffenen das Knöllchen zahlen, weil sie denken, dass alles seine Ordnung habe." Habe es aber nicht, und da kommt Bahn nochmals auf den Rentner beim Vahrer Lidl mit der Einkaufshöhe: "In den AGB steht nirgends etwas von einer Mindesthöhe des Einkaufs, um dort den Parkplatz zu nutzen." Für Bahn ist das ein Beispiel, wie die Überwachungsfirmen versuchten, Kunden doch zur Zahlung zu bewegen – wenn die eigentlichen Beweise nicht ausreichen. Für sie ist klar: Der Rentner muss nicht zahlen. Warum in ihren Beratungen das Thema Parkraumüberwachung immer mehr Raum einnimmt: "Hatten wir vor drei Jahren eher noch eine überschaubare Anzahl an privat überwachten Parkplätzen, hat die Zahl rapide zugenommen."
Datenschutzverfahren hilft Knöllchen-Zahlern
Wegen der Kameraüberwachung bei Lidl Vahr hat Bremens Datenschutzbeauftragte Imke Sommer ein Verfahren angeschoben. Laut Nicole Bahn könnten Knöllchen-Betroffene vom Lidl Vahr dadurch vorerst die Zahlung aufschieben: "Sie können Parkpoint per Einschreiben Widerspruch mitteilen, dass sie den Ausgang dieses Verfahrens abwarten wollen." Wenn herauskommen sollte, dass zum Beispiel die weiße Schrift der blauen Infotafel bei der Einfahrt zu klein ist, hätten Lidl und die Überwachungsfirma die DSGVO-Auflagen nach Artikel 12 nicht erfüllt – damit könnten die Knöllchen hinfällig sein. Die Betroffenen sollten sich während der Verfahrensdauer auch nicht von Schreiben von Inkassofirmen einschüchtern lassen. Lidl antwortet auf die Anfrage des WESER-KURIER, dass sich Kunden bei technischen Problemen mit ihrem Kassenzettel an den Lidl-Kundendienst wenden können oder hier an Parkpoint. Parkpoint ließ die Anfrage erneut unbeantwortet und verlangt vom Bekannten von Marco A. immer noch 35 Euro, obwohl die Situation ja wie beim Verdener ist.