Das Werk des Rotorblattherstellers für Windanlagen Power-Blades in Bremerhaven wird geschlossen. Grund dafür sei der steigende Wettbewerbs- und Preisdruck.
Außerdem gibt der Mutterkonzern, der Windkraftanlagenbauer Senvion, seine Betriebsstätten in Husum in Schleswig-Holstein und in Trampe in Brandenburg auf. Senvion will in diesem Jahr insgesamt etwa 730 Arbeitsplätze in Deutschland streichen. Die Konzernholding begründete die Einschnitte am Montag mit einem stärker werdenden Wettbewerbs- und Preisdruck. Deshalb sollen Teile der Produktion verlagert und Standorte in der Bundesrepublik geschlossen werden, wie die Luxemburger Senvion S.A. mitteilte. Der Vorstand will durch die Umstrukturierung jährlich rund 40 Millionen Euro einsparen. Wachstum erwartet der Konzern vor allem im Ausland.
Für einen Teil der in der Seestadt betroffenen gut 250 Mitarbeiter in der Rotorblatt-Fertigung besteht zumindest die Aussicht, künftig in der Bremerhavener Gondel-Produktion bei Senvion, wo es derzeit 220 Beschäftigte gibt, zu arbeiten. Darüber hinaus hat das Unternehmen angekündigt, zeitnah mit den Arbeitnehmervertretern Gespräche für einen Sozialplan aufzunehmen.
„Der Stellenabbau ist leider unvermeidlich, um das Unternehmen als Ganzes mit seinen dann rund 4100 Arbeitsplätzen zukunftsfähig zu erhalten“, sagte Vorstandschef Jürgen Geißinger am Montag am Hamburger Hauptsitz von Senvion. Senvion habe in den vergangenen beiden Jahren bereits Abläufe verbessert und Investitionen getätigt. Aber allein der für Senvion bislang starke deutsche Markt habe sich von mehr als fünf Gigawatt 2015 installierter Leistung auf 2,8 Gigawatt fast halbiert. „Die Preise haben sich in den vergangenen Jahren um rund 40 Prozent reduziert.“ Geißinger will vor allem in Übersee – Südamerika, Australien, Indien sowie den USA – mit Anlagen für den Niedrigwindbereich expandieren. „Ich bin überzeugt, dass wir mit deutscher Technologie die Energiewende auch global zum Erfolg führen.“
Mögliche Auswirkungen auf Bau des OTB
Das Schicksal von Power-Blades könnte indes auch Auswirkungen auf den geplanten Bau des Offshore-Terminals Bremerhaven (OTB) haben: Denn immerhin gehört der Betrieb neben den dort ansässigen Gondel- und Turbinenherstellern Senvion und Adwen zu den Industrieunternehmen, die in Bremerhaven den Kern des Windenergie-Clusters bilden. Das wurde zumindest im überarbeiteten Prognos-Gutachten so festgestellt. Das Gutachten, auf das sich der rot-grüne Bremer Senat in seiner Argumentation für den OTB bezieht, spricht sich für den Bau des Hafens aus.
Für Nils Schnorrenberger, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung in Bremerhaven, macht der OTB weiter Sinn. „Natürlich wäre es besser, wenn nicht nur die Produktion bei Senvion hochgefahren wird, sondern auch Power-Blades in Bremerhaven bleiben würde.“ Grundsätzlich spiele beim OTB die Herangehensweise eine Rolle. „Die Kritiker sehen den OTB nur im Zusammenhang mit Unternehmen, die bereits in Bremerhaven sind. Wir wollen aber den OTB für eine Branche bauen, von der wir überzeugt sind, dass sie in den nächsten 20 bis 30 Jahren einen enormen Aufschwung erleben wird.“
Die Offshore-Windindustrie sei einer der Eckpfeiler, um die beschlossene Energiewende Realität werden zu lassen. Was die aktuelle Entwicklung um Power-Blades angeht, ist Schnorrenberger überzeugt, dass sich in der relativ neuen Produktionshalle samt der Krananlagen ein Nachfolgeunternehmen niederlassen wird: „Wir haben einige Anfragen nach geeigneten Standorten aus der Offshore-Branche.“
Geringeres Wachstum als erwartet
Für Dirk Briese ist die Schließung des Power-Blades-Standortes ein weiterer Beleg für den Konsolidierungskurs der Windbranche insgesamt, „von dem wir seit mehreren Jahren reden“, so der Geschäftsführer vom Bremer Marktforschungsinstitut Windresearch. „Die Anbieter von Turbinen stehen vor der Situation, dass der Markt geringer als erwartet wächst.“ Das führe dazu, dass die Wettbewerber immer stärker in einen Preiswettbewerb gerieten. Diese Entwicklung werde durch die neuen Ausschreibungen verstärkt, die Grundlage für die Auftragsvergabe im On-/Offshore-Bereich seien.
Beteilige sich ein Energieversorgungsunternehmen oder ein Projektentwickler an einer Ausschreibung, „wendet er sich vorab an die Hersteller und verhandelt einen Rahmenvertrag.“ Das habe er vorher zwar auch gemacht, aber der aus dem Ausschreibungsverfahren resultierende Preisdruck sei deutlich höher. „Außerdem stehen alle Hersteller unter ständigem Innovationsdruck, die Turbinen werden immer größer, leistungsfähiger, effizienter und intelligenter – sie müssen also ständig weiterentwickelt werden. Ob kleinere Hersteller da überhaupt noch lange mithalten können, ist fraglich.“
Branchengrößen wie Siemens oder Vestas seien da klar im Vorteil, so Briese. „Sie können jetzt schon, wenn notwendig, zu Kampfpreisen anbieten – und zwar deshalb, weil die Windparks erst in drei Jahren oder später gebaut werden. Bis dahin produziert insbesondere Siemens längst seine großen Turbinen kostengünstig in Serienfertigung im neuen Werk in Cuxhaven.“ Um da überhaupt in Richtung Preisnähe zu kommen, bleibe Senvion nichts anderes übrig, als die Kosten herunterzufahren. Das passiere jetzt durch den Stellenabbau. Ob das Erfolg versprechend sei, bleibe abzuwarten. „Hilfreich könnte in diesem Zusammenhang sein, dass die Projektentwickler kein Interesse daran haben werden, dass am Ende mit Siemens und dem anderen Großhersteller Vestas quasi ein Duopol entsteht.“ Insofern werde es vermutlich auch weiterhin zwischendurch Aufträge für einen mittelgroßen Turbinenhersteller geben. Vielleicht habe Senvion dadurch eine Überlebenschance.
Bremens Beitrag zur Energiewende
Die Senvion-Entscheidung müsse für die Planung des OTB Folgen haben, fordert dagegen der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Denn aus der durch Prognos noch im Dezember vorgelegten Übersicht werde mit den bisherigen Kapazitäten von Senvion und Power-Blades der Bau des Hafens gerechtfertigt.
Das Prognos-Institut sieht die Notwendigkeit für Bau des OTB spätestens allein dadurch begründet, wenn zur Erreichung der Klimaschutzziele von Paris mittel- bis langfristig die Ausbauziele angehoben werden müssten und sich so die Nachfrage nach Offshore erhöhe. Zuletzt war der vorgegebene Rahmen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Vergleich zu früher gedrosselt worden.
„Der OTB ist der Beitrag des Landes Bremen zum Gelingen des Jahrhundertprojektes Energiewende“, sagte Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD). Zugleich sei der OTB ein langfristig angelegter strukturpolitischer Beitrag zur Stärkung der Wirtschaft in Bremerhaven. Dieser Nutzen zeige sich über Jahrzehnte und sei nicht abhängig von einzelnen Unternehmensentscheidungen. Deshalb sei die Senvion-Umstrukturierung ohne konkreten Bezug zum Planfeststellungsverfahren für den OTB.