Es gibt kaum eine Branche, die nicht über Fachkräftemangel klagt. Ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland wird das Problem noch größer werden. Insofern wird die Wirtschaft positiv zur Kenntnis nehmen, dass die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse im Jahr 2022 auf einem neuen Rekordstand war. Das geht aus dem aktuellen Anerkennungsbericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hervor. Auch auf dem lokalen Arbeitsmarkt wird deutlich, wie wichtig Fachkräfte aus dem Ausland sind: „Mit 45 Prozent ist der Fachkräfteanteil an allen sozialversicherungspflichtig beschäftigen Ausländerinnen und Ausländern wirklich hoch", sagt Joachim Ossmann, Vorsitzender der Geschäftsführung Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven.
Das bedeute, dass qualifizierte Ausländerinnen und Ausländer einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung des Fachkräftemangels auf dem lokalen Arbeitsmarkt leisten, so Ossmann. Insgesamt, also auch mit ungelernten Beschäftigten, habe sich in wichtigen Branchen des lokalen Arbeitsmarktes der Anteil beschäftigter Ausländer in den vergangenen Jahren teilweise mehr als verdoppelt. In der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung haben laut der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven beispielsweise ausländische Beschäftigte an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einen Anteil von 45 Prozent.
Wie hoch ist die Anzahl der Berufsanerkennungsverfahren in Deutschland?
Mit 49.500 neuen Anträgen wurde nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung 2022 ein neuer jährlicher Höchststand erreicht. Die Gesamtzahl der Anträge habe sich seit dem letzten Anerkennungsbericht 2019 nahezu verdoppelt. Gleichzeitig konnte die Dauer der Verfahren reduziert werden. Immer häufiger werde der Antrag auch aus dem Ausland gestellt. Die Zahl liege inzwischen bei 48 Prozent. Vor allem die Anzahl der Anträge mit Ausbildungsstaaten außerhalb der EU sei deutlich gestiegen. Dabei sei es gelungen, die Dauer der Verfahren trotz der steigenden Antragszahlen zu reduzieren. Im Schnitt dauere das Verfahren zum individuellen Kompetenzabgleich etwa 85 Tage. Dennoch müsse das Ziel sein, "dass ausländische Fachkräfte noch schneller bei uns arbeiten können", so Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung.
Wie werden die Anerkennungsverfahren in Bremen unterstützt und wie ist der Ablauf?
Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration, Claudia Schilling (SPD), führt in Kooperation mit der Arbeitnehmerkammer Bremen im Rahmen des Förderprogramms „IQ – Integration durch Qualifizierung“ seit 2015 die Beratung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen durch. "Seitdem verzeichnen wir jährlich zwischen 1000 und 1200 Beratungskontakten – persönlich, telefonisch, per E-Mail oder Video für 600 bis 800 Menschen", sagt Sprecherin Nina Willborn.
Für die Anerkennungsverfahren müssten zunächst die nötigen Dokumente zusammengestellt werden. Häufig sei eine Übersetzung der Dokumente notwendig, so Willborn. Wenn alles vorliege, müsse bei der für den jeweiligen Beruf zuständigen Stelle – etwa bei der Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Behörden – ein Antrag gestellt werden. Insgesamt gibt es etwa 30 verschiedene Stellen in Bremen. "Je nach Beruf und zuständiger Stelle fallen dabei Gebühren an." Die zuständige Stelle prüfe dann die Gleichwertigkeit der ausländischen mit der deutschen Berufsqualifikation. Bei einer vollen Gleichwertigkeit werde der Beruf gleich anerkannt. "Wenn wesentliche Unterschiede zwischen den Qualifikationen festgestellt werden, liegt keine Gleichwertigkeit vor." Dann müssten Anpassungsmaßnahmen wie Qualifizierungen, Praktika oder Prüfungen durchlaufen werden.
Was ist der Unterschied zwischen reglementierten und nicht reglementierten Berufen?
Die Berufsausübung in bestimmten Berufen in Deutschland ist laut Bundesagentur für Arbeit an eine Anerkennung der beruflichen Qualifikation gebunden – die sogenannten reglementierten Berufe, die Tätigkeiten beinhalten, die rechtlich geschützt sind. Dazu gehören beispielsweise Medizinberufe, Rechtsberufe, das Lehramt an staatlichen Schulen sowie Berufe im öffentlichen Dienst. Auch Studienfächer, die Voraussetzung für die Ausübung eines akademischen und reglementierten Berufs sind, gehören dazu. Auch eine geschützte Berufsbezeichnung wie etwa Ingenieur, Befähigungsnachweise und Sachkundenachweise für einige selbstständige Tätigkeiten und Gewerbe sowie Fortbildungsabschlüsse wie Meister oder Fachwirtin sind Formen der Reglementierung.
Die meisten Berufe in Deutschland sind nicht reglementiert. Dazu gehören die etwa 330 Ausbildungsberufe im dualen System wie etwa Kraftfahrzeugmechatroniker oder Kauffrau für Büromanagement und viele akademische Berufe. Eine Anerkennung von nicht reglementierten Berufen ist aber auch sinnvoll: "Ein Anerkennungsverfahren oder die Bewertung des Hochschulabschlusses kann generell Vorteile für die berufliche Zukunft in Deutschland haben", heißt es dazu vom Informationsportal "Anerkennung in Deutschland" der Bundesregierung.
Welche Qualifizierungsangebote gibt es?
"Um in reglementierten Berufen arbeiten zu können, müssen unter anderem bestimmte Deutschkenntnisse nachgewiesen werden", so Nina Willborn. Der Spracherwerb könne für neu zugewanderte Menschen unter Umständen einen recht langen Zeitraum in Anspruch nehmen. Auch in nicht reglementierten Berufen seien, je nach Tätigkeit, gute Deutschkenntnisse für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt wichtig. Im Land Bremen gebe es nicht immer entsprechende Qualifizierungsangebote, um etwaigen Anpassungsbedarf auszugleichen. "Ratsuchende werden dann auf Angebote in anderen Bundesländern hingewiesen." Bei Angehörigen von Drittstaaten sei eine Anerkennung meistens aber auch bei nicht reglementierten Berufen Voraussetzung für die Erteilung eines Visums. Meistens gehe es um die Anerkennung von reglementierten Berufen, so Willborn. Das seien vor allem pädagogische Berufe und Gesundheitsberufe.