Viele Menschen fürchten in der Corona-Krise um ihren Arbeitsplatz. Doch in Bremen haben Tausende junge Menschen noch gar keinen Job, den sie verlieren könnten. Sie stehen vor dem Start in das Berufsleben, die Ausbildung verspricht die lang ersehnte Unabhängigkeit vom Geldbeutel der Eltern. Doch für das erste Gehalt braucht es auch einen solventen Arbeitgeber. Was droht dem neuen Azubi-Jahrgang, wenn ganze Branchen um das wirtschaftliche Überleben kämpfen?
Katja Ollmann, Schulleiterin der Berufsschule für den Großhandel, Außenhandel und Verkehr in Bremen blickt mit Sorgen in die Zukunft: „Ich befürchte, dass es weniger Verträge für Auszubildende geben wird.“ Im aktuellen Jahr übernähmen viele Betriebe ihre Auszubildenden nicht, weil die Kapazitäten fehlen. Aufgrund der nun entstehenden Existenzprobleme rechnet Ollmann mit sinkenden Ausbildungszahlen.
Auch die Agentur für Arbeit ist sich dieser Gefahr bewusst. „Wir appellieren aber dringend an die Betriebe, in ihrer Ausbildungsbereitschaft nicht nachzulassen. Bei der Ausbildung zu sparen, wäre Sparen am falschen Fleck“, sagt Jörg Nowag, Pressesprecher der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven. Auf dem Ausbildungsmarkt sei durch die Krise sehr viel in Bewegung geraten. „Wie sich das bis zum Herbst entwickelt, ist aus heutiger Sicht wirklich schwer abzuschätzen“, erklärt Nowag. Aktuell gäbe es im Bundesland Bremen für das Jahr 2020 aber immer noch über 1600 offene Ausbildungsplätze.
Arbeitgeber sind zuversichtlich
Große Arbeitgeber der Stadt Bremen gehen derzeit davon aus, dass der neue Azubi-Jahrgang weitestgehend ohne Beeinträchtigungen in das Berufsleben starten kann. Mercedes erklärt auf Nachfrage: „Ab dem 27.4. startet der koordinierte, sukzessive Hochlauf der Produktion im Werk Bremen. Das gilt auch für unsere Ausbildungswerkstatt in Bremen.“ Für den Einstellungsjahrgang 2020 sieht sich das Unternehmen gut aufgestellt. Auch bei Airbus soll es einen regulären Start des Jahrgangs geben. Allerdings erklärt der Flugzeugbauer auch: „Wahrscheinlich werden aufgrund der aktuellen Lage Anpassungen vorgenommen, die auf lokaler Ebene jeweils umgesetzt werden.“
Arcelor-Mittal bildet jedes Jahr 64 Azubis aus. Zum Start am 1. September sollen die neuen Kollegen mit allen Arbeitsmaterialien ausgestattet werden. Bevor es an die Anlagen geht, stehen Grundlagen auf dem Lehrplan. Im stark betroffenen Gastgewerbe hofft der Branchenverband Dehoga, dass wieder weitestgehend normal gearbeitet werden kann, wenn die neuen Azubis kommen. Schon jetzt gehe die Branche mit internen Schulungen neue Wege. „Gerade für die neuen Auszubildenden gibt es so die Möglichkeit, Grundkenntnisse vertieft zu erwerben“, erklärt Nathalie Rübsteck, Hauptgeschäftsführerin der Dehoga Bremen.
Wirtschaftspsychologin Vera Hagemann, die an der Universität Bremen eine Arbeitsgruppe mit dem Schwerpunkt Personalwesen leitet, sieht in der Rezession eine potenzielle Gefahr für den neuen Jahrgang. Für Schüler, die durch die Corona-Krise in den Abschlussprüfungen schlechte Noten einfahren, hat sie aber eine gute Nachricht: „Einzelne Noten sind für die Unternehmen nicht mehr so wichtig. Sie wollen in den Zeugnissen eine Entwicklung sehen.“