Die Wieste ist ein kleiner Bach im Landkreis Rotenburg, der sich gut 25 Kilometer lang durch Wald und Wiesen windet und dann in die Wümme mündet. Zu einer gewissen Prominenz hat es das Flüsschen als Namensgeber der lokalen Volksbank gebracht: der Volksbank Wümme-Wieste. Doch damit ist es bald vorbei: Die Genossenschaftsbank mit Sitz in Sottrum geht im kommenden Jahr in der Bremischen Volksbank auf – für die Wieste endet damit ihre kurze Zeit des Ruhms in der Finanzwelt.
Wie der kleinen Volksbank mit ihren gut 25.000 Kunden erging es in den vergangenen Jahren vielen anderen regionalen Geldinstituten: Sie fusionierten oder wurden übernommen und verschwanden so von der Bildfläche. Gab es etwa zu Beginn der 1990er-Jahre noch rund 3500 Genossenschaftsbanken in Deutschland, sind es mittlerweile nur noch 750. „Wir haben schon seit mehr als 20 Jahren ein massives Bankensterben“, sagt der Finanzwirtschaftler Thorsten Poddig von der Universität Bremen. „Nur bekommt das die Öffentlichkeit nicht mit, weil sich das Bankensterben in Form von Fusionen und Übernahmen ganz im Stillen vollzieht.“
Auch im Raum Bremen schlossen sich in den vergangenen 25 Jahren mehrere Volksbanken zusammen: Osterholz und Bremervörde (2002), Oldenburg-Land und Delmenhorst (2003), Bremerhaven, Cuxhaven und Zeven (2007 und 2023). Die Mitglieder der Volksbank Syke haben gerade beschlossen, im kommenden Jahr in der bereits mehrfach fusionierten Volksbank Niedersachsen-Mitte aufzugehen. Und auch die Volksbank Wümme-Wieste, die nun Teil der Bremischen Volksbank wird, ist 1999 selbst aus einem Zusammenschluss hervorgegangen, nämlich zwischen Sottrum und Ottersberg.
Auch die Sparkassen fusionieren
Bei den Sparkassen bietet sich ein ähnliches Bild: Ihre Zahl halbierte sich bundesweit seit Anfang der 1990er-Jahre – von knapp 770 auf aktuell gut 360 Institute. So ging etwa die Sparkasse Rotenburg Osterholz aus zwei Fusionen in den Jahren 2000 und 2018 hervor; in Bremerhaven schlossen sich die Stadtsparkasse und die Kreissparkasse Wesermünde-Hadeln 2014 zur Weser-Elbe-Sparkasse zusammen.
Die Gründe für den anhaltenden Trend zu größeren Regionalbanken sind vielfältig. Der wichtigste ist für Ulf Brothuhn, Vorstandsvorsitzender der Bremischen Volksbank, das Kundengeschäft: „Wir müssen mit unseren Kunden mitwachsen“, sagt er. Klassischer Kunde der Regionalbanken ist der örtliche Mittelstand – Handwerker, Händler, kleine Unternehmen, Landwirtschaft. „Die sind mit der Zeit gewachsen, und wenn sie sich weiter vergrößern wollen, brauchen sie dafür mehr Fremdkapital“, erklärt Brothuhn. Eine neue Werkhalle, teure Maschinen – der Geldbedarf geht da schnell in die Millionen. Die Bank aber kann Kredite nur bis zu einer bestimmten Höhe gewähren, je nach dem Eigenkapital, das das Geldinstitut in seinen Bilanzen vorzuweisen hat. Die einschlägigen Vorschriften sind nach der Finanzkrise 2008/09 deutlich verschärft worden, um weiteren Bankencrashs vorzubeugen.
Dazu kommen Investitionen in die Modernisierung der Banken, vor allem im Bereich Digitalisierung. „Es nützt ja nichts, wenn Sparkassen und Volksbanken irgendwo ein modernes Rechenzentrum stehen haben – aber vor Ort kann das alles nicht umgesetzt werden“, beschreibt Brothuhn das Problem. Um einen solchen „Flaschenhals“ zu vermeiden, brauche man mehr Mitarbeiter. „Regionalbanken sind also gezwungen zu wachsen“, resümiert der Volksbank-Chef, „entweder über den Markt oder eben über Fusionen.
Staatliche Regulierung fordert die Banken heraus
Für den Finanzwirtschaftler Poddig ist ein weiterer Grund der ausschlaggebende für die Fusionswelle: die zunehmende staatliche Regulierung der Banken. „Es ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt, welchen umfassenden, massiven gesetzlichen Regulierungen Finanzinstitute unterliegen“, erklärt der Wissenschaftler. „Und dabei wird nicht zwischen groß und klein unterschieden, es gibt keinen Regulierungs-Discount für kleine, regionale Banken.“ Neben den verschärften Eigenkapital-Vorschriften nach der Finanzkrise gehören umfangreiche Prüfungs-, Melde- und Dokumentationspflichten zu den Auflagen: „Kunden merken das am ehesten daran, wenn sie nach einem Beratungsgespräch die Protokolle unterschreiben müssen“, erklärt Poddig.
Aber auch hinter den Kulissen wartet viel Extra-Arbeit: die Prüfung von Transaktionen nach dem Geldwäschegesetz etwa – verdächtige Kontobewegungen müssen der Finanzaufsicht gemeldet werden. „Das alles verursacht Kosten, und die sind von kleinen Instituten einfach nicht mehr zu stemmen und erfordern größere Einheiten“, so der Finanzwirtschaftler.
Für die Kunden bedeutet das: „Ihre“ Bank wird immer größer und anonymer – „als Kunde verlieren sie die Regionalität“, beklagt Poddig. Ein Ende dieses Trends sei nicht in Sicht. „Für die kleinen Genossenschaftsbanken und Sparkassen wird es schwieriger“, prognostiziert er. Sie stünden vor dem Spagat, regional zu bleiben und trotzdem eine hinreichende Größe zu erreichen. Poddigs Prophezeiung: „In den nächsten 20 Jahren werden wir einen Großteil der kleinen Institute verlieren.“