Wohnraum bleibt knapp und teuer – deshalb will die Bundesregierung 400.000 neue Wohnungen pro Jahr bauen lassen. In Bremen sollen 10.000 bis Ende der Wahlperiode entstehen. Doch auf den Baustellen fehlt es an Holz und Stahl. Materialknappheit und enorme Preissteigerungen machen viele Neubauprojekte unkalkulierbar. Die Wohnungsgesellschaften stellen einige Pläne zurück – Branchenvertreter befürchten einen massiven Einbruch im Wohnungsbau in den kommenden Jahren.
Um ein Haus zu bauen, werden Beton, Stahl, Holz, Glas, Ziegel und Steine benötigt. Und einiges davon ist gerade knapp: Zuerst unterbrach die Pandemie weltweite Lieferketten; dann brach mitten in Europa ein Krieg aus und kappte den Zugang zu Rohstoffen. Die Folgen machen sich auf den Baustellen bemerkbar: Es fehlt vor allem an Stahl, Aluminium, Holz, Bitumen, Fliesen und Keramik. „Und wenn wenig da ist, schlägt das auf den Preis durch“, erklärt Jörn Makko, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands Niedersachsen-Bremen.
Die Preissteigerungen sind enorm: Nach einer Aufstellung des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen (VDW) kosteten Dachlatten im Februar – vor Beginn des Ukraine-Krieges – fast 50 Prozent mehr als im ohnehin schon teuren Vorjahr, Stahlmatten fast 70 Prozent und Dämmplatten mehr als 30 Prozent. „Nicht alle Preissteigerungen sind für uns nachvollziehbar“, sagt Christine Dose, Sprecherin der Gewoba, Bremens größtem Wohnungsunternehmen.
Der VDW fordert ein Gipfeltreffen mit Politik und Bauwirtschaft zum Thema Baupreise: „Woher kommen die Preissteigerungen?“, möchte VDW-Direktorin Susanne Schmitt wissen. Dass auch gewisse Mitnahmeeffekte zu Preissteigerungen führen könnten – nach dem Motto: Wenn sowieso alles teurer wird, kommt es auf ein paar Euro nicht mehr an – will sie zumindest nicht ausschließen.
Preiskalkulation wird unmöglich
Viele Lieferanten der begehrten Baustoffe sehen sich angesichts der rasanten Teuerung mittlerweile außerstande, überhaupt Preise für ihre Ware zu nennen. Das wiederum stellt sowohl die Baufirmen als auch die Wohnungsgesellschaften vor ein Problem: Die einen können keine Angebote zum Festpreis mehr kalkulieren, wenn unklar ist, was der Stahlbeton und die Dachlatten in ein paar Monaten kosten werden. Die anderen können keine Aufträge erteilen, wenn sie nicht wissen, was das Haus am Ende kosten soll. Konsequenz: „Was jetzt noch in der Pipeline ist, wird sicherlich zu Ende geführt“, prognostiziert VDW-Direktorin Schmitt. „Aber neue Projekte können die Unternehmen in der aktuellen Situation nicht planen.“
Der Bau neuer Wohnhäuser könnte im nächsten Jahr zum Erliegen kommen. „Die Situation ist dramatisch“, stellt Schmitt fest. „Unter diesen Bedingungen lässt sich auch kein Wohnraum im mittleren Preissegment von sieben bis acht Euro pro Quadratmeter mehr realisieren.“ Die Pläne, zusammen mit der Landesregierung und der Bauwirtschaft den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu stärken, seien damit „Makulatur“.
Ganz so düster sieht man bei der Bremer Gewoba die Lage nicht. „Wir gehen davon aus, dass nicht alle Preissprünge von Dauer sein werden“, sagt Sprecherin Dose. Man werde zwar mit „mehr Flexibilität – insbesondere bezüglich der Ausführungszeiträume“ kalkulieren müssen, aber: „Unsere Bauvorhaben sehen wir nicht gefährdet.“
Auch im Haus von Wohnungsbausenatorin Maike Schaefer (Grüne) übt man sich in Gelassenheit: Zwar stelle die Wohnungswirtschaft angesichts der Unsicherheiten Projekte infrage, räumt Ressortsprecherin Linda Neddermann ein. „Aber für Bremen ist aktuell noch kein signifikanter Einbruch absehbar.“ 3000 neue Wohnungen seien im Bau und kämen in den nächsten Jahren auf den Markt.
Danach werde es eine „Neubaudelle“ geben, so Neddermann, die nicht nur mit den Materialkosten und Lieferengpässen zu erklären sei; das Auslaufen der staatlichen Förderung durch die KfW-Bank, gestiegene Bodenpreise und der Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft würden sich ebenso niederschlagen.
In der Baubranche fürchtet man, „am gedeckten Tisch zu verhungern“, so Verbandshauptgeschäftsführer Makko. „Es gibt genug zu tun, der Bedarf ist da“, sagt er. „Aber auch wir stellen fest, dass immer mehr Auftraggeber ihre Projekte zurückstellen.“ Dass in der lange erfolgsverwöhnten Branche Kurzarbeit drohen könnte, will niemand laut aussprechen. Auszuschließen ist es nicht.