Auf den ersten Blick sieht alles echt aus – die Form, die Ansprache und das Firmenlogo im Briefkopf. Demnach gibt es einen Eigentümerwechsel des Hauses an ein Unternehmen in Harsum bei Hildesheim. Die Miete soll ab Mai deshalb auf ein anderes Konto. So weit klingt die Aufforderung plausibel. Doch beim Brief an die Mieter des Bremer Immobilienunternehmens Justus Grosse am Sonnabend handelt es sich um eine Betrugsmasche. Das angegebene Konto befindet sich laut IBAN, also laut der Kontonummer, in der Türkei: weit weg von Hildesheim.
„Wir haben es per Zufall erfahren", sagt Joachim Linnemann, geschäftsführender Gesellschafter von Justus Grosse. Mieter hätten den behaupteten Eigentumswechsel hinterfragt und sich gleich beim Unternehmen gemeldet. "Dann ist bei uns die Sache losgetreten worden." Die Recherche begann. In einer Aktion setzten Mitarbeiter des Immobilienunternehmens ein eigenes Schreiben auf, um Mieter und Eigentümer zu warnen. "Wir waren natürlich sehr verunsichert, weil wir nicht wussten, wie viele Projekte betroffen sind." Deshalb habe man sofort alle angeschrieben und über die Masche aufgeklärt.
Brieffälscher sammeln Mieteradressen
Schon am Wochenende ging die Warnung raus, wurde zum Teil sofort am Sonntag verteilt. Justus Grosse erstattete Anzeige bei der Polizei. Die Ermittlungen laufen. Bislang seien drei Großprojekte identifiziert, sowohl bei Miet- als auch bei Eigentumswohnungen. Dass auch Eigentümer oder deren Mieter angeschrieben wurden – verräterisch. „Das zeigt, dass sie eben nicht ganz professionell vorgegangen sind.“ Woher die Betrüger die Adressen überhaupt haben können? Sie stimmten nicht mit denen im eigenen System überein, sagt Linnemann. Es fehlten etwa Vornamen. „Wir vermuten, dass es über die Briefkästen gelaufen ist.“
Das aufwändige Schreiben zeigt die betrügerische Energie. „Es ist relativ gut gemacht. Es sind aber auch Fehler drin“, sagt Linnemann. Wer wenig Kontakt mit dem Unternehmen habe, sehe den Unterschied zu Schreiben von Justus Grosse nicht sofort. Noch sei kein Fall bekannt, dass schon jemand die Miete ans Konto überwiesen hat. „Ich glaube, wir haben die Gefahr ziemlich gut abgewendet. Aber wir wissen es noch nicht ganz genau.“
Bei der Gewoba gab es einen ähnlichen Fall mal vor zwei Jahren. Gewoba-Sprecherin Christine Dose wundert es nicht, wenn im aktuellen Fall im Schreiben auch mit Firmenlogos gearbeitet wird: „Das können Sie sich heutzutage ja schnell aus dem Internet organisieren.“ Die Betrüger schrieben jetzt ja, der Besitzer des Gebäudes habe gewechselt. Um ihnen hier die Argumentation zu nehmen, stellt Gewoba-Sprecherin Christine Dose fest: „Die Gewoba verkauft kein Gebäude. Daher gibt es auch keinen Grund, weshalb sich die Kontonummer für die Mieter ändern sollte.“
Sollten Gewoba-Mieter ein solches fingiertes Schreiben erhalten, mögen sie sich telefonisch direkt an den ihnen persönlich bekannten Kundenberater wenden oder ans Kundenzentrum unter der Nummer 0421-3672-590. Aber die Betrüger sehen es auch auf städtische Wohnungsgesellschaften ab wie vergangenen September in Frankfurt am Main. Dort wurden die Mieter der Wohnungsbaugesellschaft ABG ebenfalls per Schreiben aufgefordert, die Miete in Zukunft auf ein anderes Konto zu überweisen.
Hier lautete die Begründung: „Man wolle den Wettbewerb zwischen den Banken fördern und habe deshalb den Wechsel veranlasst.“ Die Briefe erwiesen sich als perfekte Kopien von Originalschreiben der Wohnungsbaugesellschaft. Hier sollte das Geld allerdings auf Konten in Deutschland überwiesen werden. Weniger als zehn Mieter haben einen finanziellen Schaden erlitten, wie die Frankfurter Polizei dem WESER-KURIER mitteilt. Trotz der Konten in Deutschland konnten die hessischen Beamten bisher keine entscheidenden Hinweise erlangen. Polizeisprecher Marc Daschl sagte, dass es das erste Verfahren dieser Art in Frankfurt sei.
Fingierte Kaufanzeigen
Justus Grosse ist ebenso zum ersten Mal von dieser Täuschung der Mieter betroffen. In der Vergangenheit habe es dagegen mal andere Fälle gegeben, erinnert sich Joachim Linnemann: Mietwohnungen wurden auf Portalen zum Kauf angeboten. „Sehr skurril.“ Auch hier habe man Anzeige erstattet. Was bei den Bremer Briefen auffällt: Sie wurden vergangene Woche verteilt und bezogen sich schon auf die Miete für Mai. „Das ist typisch bei solch einer Masche, einen Zeitdruck aufzubauen“, sagt Gerrit Cegielka von der Bremer Verbraucherzentrale.
„So wollen die Betrüger die Mieter schnell zur Zahlung bewegen.“ Der Jurist ergänzt: „Würde es zum Besitzerwechsel bei einem Gebäude kommen, würde der Mieter mindestens zwei Briefe erhalten: einen vom bisherigen Besitzer, der über den Verkauf informiert, und einen vom neuen Besitzer, der sagt, auf welches Konto das Geld in Zukunft gehen soll.“ Das geschehe normalerweise mit einem Vorlauf von mehr als vier Wochen, da ja alle das Interesse haben, dass die Miete in Zukunft auf dem richtigen Konto landet. Die Betrüger haben dies alles aber in nur einem Schreiben zusammengefasst. Im Zweifel also lieber einmal zu viel als einmal zu wenig beim Vermieter anrufen.