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Bootswerft Winkler aus Bremen Die Schiffsexperten von der Lesum

Fast 100 Jahre bewegte Unternehmensgeschichte: Von der Bootswerft Winkler aus stechen viele Schiffe nach der Winterpause wieder in See.
12.03.2023, 09:12 Uhr
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Von York Schaefer

Betritt man das Büro von Hans Stützle, führt der Blick durch bodentiefe Panoramafenster direkt auf das vielfältige Portfolio seines Unternehmens, der Bootswerft Winkler. Vor dem gut 7,50 Meter hohen Stahltor zur Lesum unten im Hof liegt die „Beyou“, eine 14-Meter-Motorjacht, Typ Ferretti, schnittig, strahlend weiß. Der rote Traktor, der das Schiff für Wartung und Reparaturen auf einem hydraulischen Wagen vor drei Wochen auf die Gleisanlage der Werft gezogen hat, steht noch davor. „Das Schiff geht morgen wieder ins Wasser. Wir mussten noch auf Ersatzteile warten“, berichtet Geschäftsführer Stützle. Elektronikteile und bestimmte Farbstoffe waren und sind auch hier bei Winkler in Zeiten globaler Krisen manchmal schwer zu bekommen.

Als Kontrast zur „Beyou“ liegen das zurzeit kleinste und das größte Boot im Hof der Werft: die „Pequod“ mit gerade mal 3,50 Meter Länge und die „Aloma“ mit üppigen 27,70 Metern. Das 1898 gebaute Holzschiff, das Hans Stützle vor drei Jahren gekauft hat, um es zu restaurieren, verfügt über reichlich Tradition. „Queen Elizabeth ist damit zu ihrem Landsitz auf der Isle of Wight gefahren“, erzählt Stützle.

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Auch Riggarbeiten, also die Wartung von Schiffsmasten, gehören zu den Aufgaben der 1928 gegründeten Werft, die Hans Stützle und seine Frau Birte 2001 von der Eigentümer-Familie Winkler übernommen haben. Auf dem Werftgelände liegt der Mast des professionell betriebenen Charter-Segelbootes „Polaris“ aus Bremerhaven, der jetzt für die Saison vorbereitet und dann aufgestellt wird. Metall- und Leimarbeiten stehen dafür an, die Biegung des Mastes und die Spannung der Drähte werden überprüft. Trimmen nennt man das in der Seglersprache. „Das gehört zu den klassischen Frühjahrsarbeiten für Segelschiffe“, erklärt der leidenschaftliche Segler Hans Stützle.

35 Mitarbeitende sind bei der Bootswerft Winkler beschäftigt. Bootsbauer, Maler, Lackierer und ein Elektriker warten und reparieren Schiffe aus Holz, Stahl oder Faserverbundstoffen. Sie kümmern sich um die komplette Schiffstechnik wie Heizungs- und Klimaanlagen, Wasser- und Abwassersysteme sowie um Automatisierung und Steuerungstechnik. Auch eine eigene Motorschlosserei ist an das Lesumbroker Unternehmen angeschlossen. Bis zu 90 Tonnen Schiffsgewicht kann man bei Winkler in den beheizbaren Hallen und auf den Außenflächen von zusammen über 5500 Quadratmetern bewegen.

„Wir machen den klassischen Winterlagerbetrieb – mit allem, was dazu gehört“, erklärt Hans Stützle die Fertigungstiefe des Unternehmens. So breit aufgestellt zu sein wie Winkler sei selten geworden in der Branche, berichtet der 51-Jährige, der in der Nähe von Bonn aufgewachsen ist. Gelernt hat er in den frühen 90er-Jahren bei der Lürssen-Werft. Danach ist er ein paar Monate an der westafrikanischen Küste zur See gefahren, bevor er 1995 bei der Familie Winkler einstieg. Die Lürssen-Gruppe ist heute noch Kunde seiner Firma. Zum Beispiel Faserverbund- und Edelstahlteile wie Tresen oder Duschen für den Außenbereich produziert man für das internationale Groß-Unternehmen, das bekannt ist für den Bau luxuriöser Megajachten.

Im Jahr 2008 realisierten Stützle und seine Mitarbeitenden zudem den ersten vollständigen Neubau auf der Werft. Für einen Hamburger Eigner hat man die Jacht „Leu“ gebaut, die nach zehn Jahren Regattasegeln nach Frankreich verkauft wurde und heute im Mittelmeer unterwegs ist. An der Wand in Stützles Büro hängt das braun-rote Halbmodell der „Marie“, ein zwölf Meter langes Elektroboot für bis zu 32 Passagiere, das man 2013 für den Bürgerparkverein gebaut hat. „Ein bis zwei Jahre dauert so ein Projekt“, weiß Stützle.

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Das jüngste Projekt war 2021 der Neubau eines Tenderbootes, also Beibootes, für die Megajacht „Solaris“, die von der Lloyd Werft in Bremerhaven für den russischen Oligarchen Roman Abramowitsch konzipiert wurde. Hans Stützle ist da ganz offen: „Wir merken schon auch die Sanktionen gegen Russland, sind aber breit genug aufgestellt, um das aufzufangen“. Mit globaler Sicherheitspolitik hatte er schon früh zu tun, sein Vater war der Politikwissenschaftler und ehemalige Chefredakteur des Berliner Tagesspiegel, Walther Stützle.

Rundgang durch die Werfthallen am Sperrwerk an der Lesumbroker Landstraße, die im energiesparenden Passivhausstandard gebaut wurden. Dicht an dicht stehen hier die Schiffe, und man kann eintauchen in die Geschichte der norddeutschen Seefahrt, in das Who's who der Boote nicht nur aus dem Weserrevier. 

Die „Bank von Bremen“ der Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ verbringt ihre Winter schon seit Jahren hier, um stets für die bevorstehende Segelsaison fit gemacht zu werden. An der „Polaris“ aus Bremerhaven wird das Unterwasserschiff repariert und die Außenhaut gestrichen. 

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„Seit 40 Jahren haben wir die 'Senta' bei uns in der Winterpflege“, erzählt Hans Stützle nicht ohne Stolz. Ein edler Zweimaster aus Lärchen- und Eichenholz, der 1928 von der Deutschen Werft in Kiel gebaut wurde und schon viel von der Welt gesehen hat.

Früher, vor 20 Jahren etwa, hatte man bei Winkler mehr als 100 Schiffe im Winterlager. Heute sind es um die 70, das ist auch eine Platzfrage. „Die Jachten werden immer größer“, berichtet Winkler-Werftchef Hans Stützle. 

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