Dass ein Bundesverteidigungsminister an einer Betriebsversammlung teilnimmt, passiert nicht alle Tage. Entsprechend groß war am Freitag das Interesse bei den gut 1000 Beschäftigten der Rüstungs- und Weltraumsparte von Airbus in Bremen, als Boris Pistorius mit stattlichem Ministertross zu ihnen ins Werk kam. Die IG Metall und der Betriebsrat hatten den SPD-Politiker eingeladen, um mit ihm über das drohende Aus der Produktion des Militärtransporters A400M zu sprechen.
Natürlich würde der Minister "nicht mit einem Köfferchen voll Geld und einem Bündel weiterer, schon unterschriebener Verträge" nach Bremen kommen, das ahnte auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), der seinen Parteigenossen ins Werk begleitete. Aber viel Lob für die Beschäftigten und ein klares Bekenntnis zur gewachsenen Bedeutung der deutschen und europäischen Rüstungsindustrie hatte Pistorius allemal auf dem Zettel – und auch das tat schon mal gut in diesen Zeiten. "Es gab keine konkreten Zusagen, aber wir hatten ein sehr gutes Gespräch mit dem Minister", resümierte der Betriebsratsvorsitzende Michael Junker nach der Versammlung.
Der Betriebsrat von Airbus Defence & Space und die IG Metall befürchten, dass das Ende der A400M-Produktion bereits im kommenden Jahr drohen könnte. Die Verschiebung von Aufträgen aus Frankreich und Spanien führe zu einer Produktionslücke; unklar sei, wie diese überbrückt werden könnte. An der Fertigung der Rümpfe für die A400M arbeiten in Bremen rund 500 Techniker und Ingenieure.
Bundeswehr erhält 53 Maschinen
Die Bundeswehr – das betonte Pistorius nach der Versammlung vor dem Pulk wartender Journalisten – stehe zu ihren Verpflichtungen und trage keine Schuld an der Misere: 53 Maschinen vom Typ A400M hat die Luftwaffe geordert und ist damit der größte Kunde; 47 wurden bislang ausgeliefert. Dass die Franzosen und Spanier ihre bereits georderte Stückzahl reduzieren oder zumindest strecken wollen, hänge mit der Haushaltslage in diesen Ländern zusammen – "nicht mit der Qualität des Flugzeugs", versicherte der Minister. "Alle Piloten, mit denen ich spreche, sind komplett begeistert."
Deshalb rührt Pistorius auch im Ausland die Werbetrommel für europäische Rüstungstechnologie. So gebe es aus Polen ein "sehr konkretes Interesse" an der Maschine, stellte er in Aussicht. Zunächst gehe es um vier Maschinen, was einer halben Jahresproduktion entspricht, ist aus den vertraulichen Gesprächen zu hören – mit der Option auf weitere Bestellungen zu einem späteren Zeitpunkt. Die Bundeswehr könnte dem Nato-Verbündeten bei der Ausbildung der Piloten und der Wartung der Maschinen helfen; Hersteller Airbus müsste möglicherweise beim Preis Entgegenkommen zeigen.
Es bestehe jedenfalls "nach wie vor Grund zur Zuversicht, dass die Produktion nicht abreißt", resümierte Pistorius vor der Presse. "Aber sicher können wir uns zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sein."
Auch Gerd Weber, Programmleiter der A400M bei Airbus, sprach von einer "durchaus kritischen Lage". Langfristig sei man zwar vom Erfolg der A400M überzeugt. Aber die Abbestellungen von Stammkunden könnten kurzfristig nicht über Exportverträge kompensiert werden. "Darüber sind wir in einem angestrengten Dialog mit unseren Kunden", sagte er. "Keiner hat ein Interesse daran, die Serienproduktion einzustellen."
Besuch bei Lürssen in Vegesack
Im Anschluss an den Besuch im Airbus-Werk und der Eintragung ins Goldene Buch der Stadt im Rathaus besuchte Pistorius am Nachmittag die Lürssen-Werft. Auch am Hauptsitz von Naval Vessels Lürssen (NVL) in Bremen-Vegesack stellte er Zuverlässigkeit bei Rüstungsaufträgen in Aussicht. Diese solle helfen, die deutschen Werftstandorte über Jahrzehnte auszulasten. Das sei auch wichtig für die regionalen Zulieferbetriebe – vor allem aber für die europäische Sicherheit. „Wir brauchen eine durchweg einsatzfähige Marine“, betonte Pistorius.
Über 30 Jahre lang sei kaum investiert worden – und wenn, dann vor allem in die Fähigkeit, bei fernen Krisen zu intervenieren. Nun gehe es verstärkt wieder um die Landesverteidigung. „Dabei können wir uns nicht nur auf die Landstreitkräfte konzentrieren“, sagte der Minister. NVL stehe für eine deutsche Schlüsseltechnologie, die wichtig in der Zeitenwende sei.
Das Unternehmen ist an zahlreichen Rüstungsprojekten beteiligt. Eine Rolle, der sich NVL durchaus bewusst ist: Im Hause ist ein Drohnenmutterschiff (NTV 130) konzipiert worden, das für die Bundesmarine von Interesse sein könnte. Das hofft jedenfalls der NVL-Geschäftsführer Tim Wagner. Pistorius bezeichnete es als „sehr interessantes und zukunftsweisendes Projekt“.