Es ist ein Manöver der Superlative, das unter Führung der deutschen Luftwaffe heute im deutschen Luftraum startet. Zwei Wochen lang üben 25 Nato-Staaten bei der „Air Defender 23“ die Verlegung großer Luftstreitkräfte, die größte Übung dieser Art seit Bestehen des Bündnisses. Der Einsatz von mehr als 250 Militärmaschinen vom Transporter bis zum Kampfjet wird dabei nicht ohne Folgen für den zivilen Luftverkehr in Deutschland bleiben.
Ob es nur zu einzelnen Flugverspätungen kommen wird, wie es die Bundeswehr angekündigt hat, ist umstritten. Denn in Bereichen, in denen Militärpiloten auf Sicht fliegen, haben zivile Maschinen aus Sicherheitsgründen nichts verloren. "Die Militärübung "Air Defender" wird natürlich massive Auswirkungen auf den Ablauf der zivilen Luftfahrt haben", sagt daher der Chef der Lotsengewerkschaft GdF, Matthias Maas.
Maas verweist auf ein von der europäischen Flugsicherungsorganisation Eurocontrol errechnetes Szenario, das bis zu 50.000 Verspätungsminuten je Manövertag ausweist. Das entspricht bei rund 10.000 Flugbewegungen einem Tag mit schweren Gewittern und würde deutlich im roten Bereich liegen. Bis zu 100 Flugzeuge könnten unter diesen Bedingungen ihr Umlaufziel zur Nachtschließung diverser Flughäfen nicht erreichen – mit unangenehmen Folgen für Passagiere und Unternehmen, deren Maschinen dann morgens nicht mehr am richtigen Ort starten könnten. Die bundeseigene Flugsicherung bestreitet das mit ihren Daten gefütterte Szenario nicht, verweist aber auf weitere Eurocontrol-Modelle mit deutlich geringeren Auswirkungen.
"Zivile Flüge werden, wo erforderlich, umgeleitet und erhalten feste Startzeitfenster", räumt die Flugsicherung auf Anfrage des WESER-KURIER ein. Übersteige die geplante Anzahl an Flügen die aus Flugsicherungsgründen akzeptable Kapazität, könnten Verspätungen entstehen, heißt es weiter. Wartezeiten und verlängerte Flüge dürften somit unausweichlich sein. Die Deutsche Flugsicherung kündigte an, ihr Personal in "außergewöhnlichem Umfang" aufzustocken.
Die militärische Führung der Luftwaffen-Übung trat Befürchtungen entgegen, dass die Militärflüge größere Auswirkungen auf den zivilen Flugverkehr über Deutschland haben werden. „Das wird sich maximal im Minutenbereich bewegen“, versicherte der Inspekteur der Deutschen Luftwaffe, Ingo Gerhartz, bei einer Pressekonferenz in Berlin. Auch der Direktor der US-Nationalgarde, Michael Loh, rechnet nicht mit größeren Störungen des zivilen Flugverkehrs. „Wir erwarten minimale Unterbrechungen“, sagte er.
"Air Defender": Gelockerte Nachtflugbeschränkungen
Die Bundesminister für Verteidigung und für Verkehr haben die Länder dennoch sehr kurzfristig gebeten, die Nachtflugbeschränkungen an den Flughäfen zu lockern, um verspätete Passagierjets spätabends noch aufnehmen zu können. Bislang hat Baden-Württemberg Ausnahmen für Stuttgart bis 2 Uhr zugelassen. Auch für Hamburg und Düsseldorf zeichnen sich längere Betriebszeiten ab. Am Frankfurter Flughafen im schwarz-grün regierten Hessen werden Spätstarts bis 24 Uhr genehmigt, wenn der Verspätungsgrund durch das Manöver bedingt ist.
Die Übungsflüge sollen in drei eng definierten Lufträumen stattfinden, die wochentags jeweils im Wechsel genutzt werden. Dabei soll ein Übungsraum Ost über Mecklenburg-Vorpommern und der Ostsee jeweils von 10 bis 14 Uhr als einziger auch für Tiefflüge reserviert sein. Der Raum Süd erstreckt sich von Lechfeld in Bayern nach Rheinland-Pfalz und soll von 13 bis 17 Uhr genutzt werden, bevor an den Raum Nord über der Nordsee von 16 bis 20 Uhr abgegeben wird.
"Air Defender": Bremer Flughafen rechnet mit Verspätungen
Auch am Bremer Flughafen rechnet man mit Verspätungen. "Wir raten allen Passagieren, vor Anreise zum Flughafen Ihren Flugstatus zu checken und sich gegebenenfalls mit Ihrer Airline in Verbindung zu setzen", teilte eine Sprecherin auf Anfrage des WESER-KURIER mit. Sollte ein Flug aufgrund einer Verspätung nicht mehr in Bremen landen dürfen, entscheiden Airline oder Pilot über Umleitungen.
Am Hamburger Flughafen ist man sich noch unsicher über die Auswirkungen für den zivilen Luftverkehr. "Zur Frage, wie sich die Übung auf Flüge am Hamburger Flughafen auswirken wird, sind konkrete Aussagen zurzeit noch nicht möglich", hieß es vonseiten der Pressestelle. Da dies die größte Luftübung der Nato bisher darstelle, lägen noch keine Erfahrungswerte vor. Beim Flughafen Hannover verweist man lediglich an die deutsche Flugsicherung.