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Serie "Made in Bremen" Wie Bremer Forscher aus Abwasser nachhaltiges Fischfutter herstellen

An der Universität Bremen forscht ein Team an nachhaltigem Fischfutter aus Abwasser. Das Ziel: Marsmissionen ausstatten – und nebenbei kreative Lösungen für die Erde entwickeln.
11.05.2025, 07:08 Uhr
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Von Matthias Holthaus

Wer auf der Suche ist nach Bereichen, in denen Bremen vorne liegt, muss lange suchen: Im Fußball Mittelmaß, in der Bildung abgeschlagen, im Portemonnaie Ebbe. Gibt es denn überhaupt irgendetwas, was Bremen gut kann? Ja, gibt es: Fisch essen zum Beispiel – laut Aussage der hiesigen Rundfunkanstalt verzehrten die Bremerinnen und Bremer im Jahre 2022 so viel Fisch wie niemand sonst. 6,6 Kilo sollen es gewesen sein – sogar Schleswig-Holstein, immerhin ein Land am Meer, kam da nur auf 6,5 Kilogramm.

Was Bremen noch gut kann, ist forschen. Am 22. Mai entscheidet sich etwa, ob die Bremer Universität mit zwei Exzellencluster-Bewerbungen Erfolg haben wird. Ein Cluster heißt: „The Martian Mindset: A Scarcity-Driven Engineering Paradigm“ beschäftigt sich laut Universität mit den Zielen einer nachhaltigen Erkundung des Weltraums sowie einer grünen Transformation auf der Erde. Und dabei kombiniert das Cluster zwei Bereiche, die auf den ersten Blick wenig miteinander gemein haben: Fische und Raumfahrt.

Fischfutter aus Mikroorganismen statt Fischmehl

„Es gibt immer mehr Aquakulturen für die Fischproduktionen, doch die Fangquote in den Weltmeeren ist seit 20 Jahren nahezu gleich geblieben", sagt Sven Kerzenmacher, Fachgebietsleiter für Umweltverfahrenstechnik. "Für die Aquakulturen wird jedoch Futter benötigt“, erklärt er. Früher sei der Beifang zu Fischmehl und somit zu Fischfutter verarbeitet worden, „doch heute werden teilweise schon eigens Fische für Fischmehl gefangen. Und dementsprechend überlegt man Alternativen.“

Sven Kerzenmacher setzt mit seinem Team auf eine ungewöhnliche Lösung: Mit dem Pilotprojekt „Nachhaltige Futtermittel für die Aquakultur aus Strom, CO2 und Abwasser“ forscht er seit geraumer Zeit daran, aus Abwasser elektrischen Strom zu erzeugen. Das geschieht mithilfe der mikrobiellen Elektrolyse: „Auf der einen Seite erzeugen wir aus der Energie des Abwassers elektrischen Strom, auf der anderen Seite verwenden wir elektrischen Strom, um zum Beispiel Wasserstoff zu erzeugen. Damit kann man auch Bakterien füttern, die dann Kohlendioxid (CO2) verwenden, um Proteine zu erzeugen.“ Und diese Proteine werden dann für das Fischfutter verwendet.

Bakterien wachsen auf Topfschwammdrähten

Die mikrobiellen Elektrosynthese-Zellen haben dabei eine Anode und eine Kathode, die durch eine Membran getrennt sind. Die im Bereich der Anoden lebenden Mikroorganismen wandeln die organischen Bestandteile des Abwassers in elektrischen Strom um, außerdem entsteht dabei das besagte CO2. Anode und die Kathode der von den Wissenschaftlern gebauten Zelle bestehen übrigens aus Edelstahlwolle, genauer gesagt: Topfschwammdrähten. Leitend muss das Material sein - „und auf der Edelstahlwolle wachsen dann die Bakterien.“

„Es werden dann auch Abwasserbehandlungskosten gespart“, sagt Sven Kerzenmacher, „und man benötigt keine fossilen Rohstoffe.“ Das Abwasser, und das mutet zunächst einmal etwas kurios an, ist das Abwasser der hiesigen Brauerei. Beziehungsweise diesem nachempfunden, denn: „Synthetisches Abwasser schwankt nicht in der Zusammensetzung. Je nachdem, was in der Brauerei passiert, ändert sich auch die Zusammensetzung.“ Deshalb setzen die Forscherinnen und Forscher für grundlegende Untersuchungen erst mal auf eine konstante Alternative, hergestellt aus Bier und verschiedenen Salzen.

Durch die Elektrosynthese könne aber auch Methan oder Bioplastik erzeugt werden, berichtet er, „das ist ebenfalls ein Forschungsprojekt. Doch das ist Grundlagenforschung, da sind wir mit Proteinen weiter.“ Die im Versuchsaufbau entstandenen Proteine sehen übrigens aus wie Hefe und können getrocknet werden: Das Fischfutter ist fertig. Am Ende des fünfjährigen Projekts soll dann auch eine Demonstrationsanlage zur Verfügung stehen.

Das Projekt sei übrigens ein Pilotprojekt des neuen Transferzentrums, erzählt Sven Kerzenmacher weiter, und es wird von der Joachim Herz-Stiftung gefördert: „Um den Weg vom Labor in die Anwendung zu bereiten. Und es soll eine Brücke schlagen von der Forschung in die Industrie.“ Über maximal zehn Jahre möchte die Stiftung dabei rund 30 Millionen Euro bereitstellen. Dafür hat sie im Dezember 2024 das „MaTeNa innovate! Zentrum“ an der Universität Bremen gegründet. „MaTeNa“ steht dabei für Materialien, Technologie und Nachhaltigkeit.

Innovationen für die Marsmission – und Einsätze auf der Erde

Das Programm ist aufgeteilt in drei Pilotprojekte: Ein Pilotprojekt ist die Entwicklung wiederaufladbarer Zink-Ionen-Batterien für die stationäre Energiespeicherung auf der Grundlage wiederverwertbarer und gut verfügbarer Materialien. Ein zweites Projekt soll Sensoren auf Basis organisch gemischter Halbleiter so optimieren, dass Wasserstoff sicher gespeichert und verlässlich transportiert werden kann. Und natürlich gibt es Projekt Nummer drei – die nachhaltigen Fischfuttermittel.

Gut verfügbare Materialien, die auch noch wiederverwertbar sind, nachhaltiger Wasserstoff und die Erzeugung von Biomasse, Bioplastik oder auch Feinchemikalien – das hört sich gut an, aber warum das alles?: „Es geht auch um die Marsbesiedelung“, antwortet Sven Kerzenmacher, „irgendwann kann man nicht mehr alles zum Mars bringen. Wir beschäftigen uns mit Bedingungen, wie man dort Stoffe herstellt, etwa die Bioplastikproduktion aus CO2 aus der Marsatmosphäre.“ Zugleich würden sie aber auch an die Lage auf der Erde denken. „Wir versetzen uns in die Lage des Mars, dort gibt es keine fossilen Stoffe – deshalb müssen wir das völlig neu denken. Und auf der Erde werden die Ressourcen knapp. Dass alles im Überfluss vorhanden ist, wird sich früher oder später ändern.“

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