Ein virtueller Spaziergang in Google Street View über die Bürgermeister-Smidt-Brücke versetzt Bremer und Bremerinnen in die Jahre 2008 und 2009 zurück. Auf dem Panorama verstärken Bauarbeiter die Schienen, nachdem die BSAG zuvor schwerere Straßenbahnen angeschafft hatte. Während der US-Konzern Google in anderen Ländern regelmäßig neue Fotos von Straßen, Häusern und Plätzen gemacht und in Street View überführt hat, sind Aufnahmen aus Deutschland seit 2010 nicht mehr aktualisiert worden.
Das ändert sich nun: Seit dem 22. Juni fahren wieder Autos von Google, die auf dem Dach mehrere Kameras installiert haben, bundesweit durch die Straßen. Wie der Konzern mitteilte, dauerten die Aufnahmefahrten bis Oktober an. Zusätzlich werden zu Fuß sogenannte "Trekker" mit Kamerarucksäcken unterwegs sein und Fotos in Gegenden schießen, die mit dem Pkw nicht zu erreichen sind. Dazu gehören Sehenswürdigkeiten oder auch enge Gassen. Google plant, die aktuellen Fotos ab Juli nach und nach in Street View einzupflegen. Auch Fotos aus dem vergangenen Jahr sollen Verwendung finden.
Wie zeichnet Google auf?
Google fotografiert: "Die Bilder werden von Kameras, die nebeneinanderliegen, aufgenommen und überschneiden sich etwas", schreibt der Konzern auf seiner Website. Anschließend verwende Google Algorithmen, um die Bilder miteinander zu verknüpfen und eine 360-Grad-Aufnahme zu erstellen. Mit GPS-Daten wird die exakte Position, mit Lasermessungen werden Distanzen ermittelt. Damit die Google-Fahrzeuge Straßennamen und -schilder erfassen, sind die Kameras auf einer Höhe von 2,9 Metern angebracht.
Wann sind die Kamerafahrzeuge in Bremen unterwegs?
Bremen gehört zu den 20 größten Städten in Deutschland, die zuerst aktualisiert werden sollen. Erste Kamerafahrten hatte Google in der Hansestadt bereits 2022 gemacht, insbesondere in den Monaten August und September. Einen konkreten Zeitplan für Bremen nannte der Konzern bisher nicht.
Warum gibt es in Deutschland bisher keine aktuellen Aufnahmen?
Als Google 2010 Street View einführte, kamen in Deutschland Bedenken bei Datenschützern auf. Auch Hauseigentümer und Politiker kritisierten den in ihren Augen ungerechtfertigten Eingriff in die Privatsphäre. Die damalige Abgeordnete der Linken in der Bremischen Bürgerschaft, Monique Troedel, sagte beispielsweise 2010 in einer aktuellen Stunde: "Die Sammelwut von Google kennt keine Grenzen." Es sei mit Street View kein Problem, von den USA aus in die Vorgärten von Bremer Familien zu schauen.
Bundesweit legten fast 250.000 Personen Widerspruch gegen die Aufnahmen ein und erreichten, dass Google die betreffenden Bilder verpixelte. Der Konzern entschloss sich daher, Street View in Deutschland vorerst nicht mehr zu aktualisieren. Beim aktuellen Anlauf versichert Google, die Privatsphäre mit diversen Maßnahmen zu schützen: "Wir haben eine neuartige Technologie entwickelt, die Gesichter und Kfz-Kennzeichen verschwommen darstellt", heißt es. Zudem bindet sich der Konzern an den Geodatenkodex und verpflichtet sich damit, auch Nacktheit und Gewalttaten zu verpixeln.
Was kann ich machen, damit mein Haus bei Street View nicht zu erkennen ist?
Wenn Bürger und Bürgerinnen nicht wollen, dass ihre Wohnung oder ihr Haus im 360°-Kartendienst erkennbar sind, können sie sowohl vor als auch nach der Veröffentlichung der Bilder Widerspruch einlegen. "Das geht auch, wenn sie Mieter sind", sagt Nicole Bahn, Referentin für Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Bremen. Es sei ein Irrglaube, dass nur Eigentümer widersprechen könnten. Der Widerspruch könne elektronisch, postalisch oder über ein Formular erfolgen, sagt Bahn. Google ist anschließend verpflichtet, das jeweilige Objekt unkenntlich zu machen. Bürgerinnen und Bürger, die 2010 gegen die Street-View-Bilder vorgegangen sind, müssen bei Bedarf erneut widersprechen. Die alten Widersprüche verlieren für die neuen Aufnahmen die Gültigkeit.
Wann ist ein guter Zeitpunkt, um zu widersprechen?
Nicole Bahn von der Verbraucherzentrale Bremen empfiehlt: "Wenn sich Verbraucher sicher sind, dass sie keine unverpixelten Aufnahmen ihres Hauses auf Street View sehen wollen, widersprechen sie einfach direkt", sagt sie. Seien Bilder im Netz, bestehe ein Risiko, dass Fotos verbreitet würden. Generell ist laut Bahn ein Widerspruch zu jeder Zeit sinnvoll, sollte jemand eine Veröffentlichung nicht wünschen. Google weist allerdings darauf hin: Hat eine Person sich einmal für eine Verpixelung ausgesprochen, kann diese nicht rückgängig gemacht werden.
Was ist mit Fotos, die Bürger und Bürgerinnen bei Street View hochladen?
Jeder kann eigene Bilder machen und bei Google Street View hochladen. "Sie müssen aber darauf achten, dass Sie dabei nicht die Privatsphäre anderer Personen verletzen. Wir behalten uns das Recht vor, Inhalte zu entfernen", heißt es seitens Google weiter. Anders als bei den Bildern, die Google selbst macht, werden Gesichter und Nummernschilder in den Aufnahmen der Nutzer nicht automatisch unkenntlich gemacht. User könnten mithilfe eines Tools, das der Konzern bereitstelle, die Verpixelung selbst vornehmen.
Ein Blick auf den Bremer Marktplatz über Google Street View verrät, dass das Werkzeug nicht immer angewendet wird: Selten sind Gesichter auf den von Usern hochgeladenen Bildern verpixelt. Laut der Bremer Landesdatenschutzbeauftragten Imke Sommer ergänzten diese die Aufnahmen von Google. Der Konzern könne sich daher trotz der Hinweise, dass die Nutzer beim Hochladen die Privatsphäre anderer beachten sollten, nicht der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit entziehen. Es laufe vielmehr auf eine gemeinsame Verantwortlichkeit von Google und Nutzern hinaus. "Für das Löschen der Bilder, die möglicherweise problematisch sind, ist allerdings der Konzern zuständig", sagt Sommer.
Google bietet die Funktion "Problem melden" an. Darüber können Personen eine Entfernung der Nutzerbilder beantragen, auf denen sie, ihr Autokennzeichen oder ihr Haus sichtbar sind. "Da gibt es unter den Verbrauchern bisher gute Erfahrungswerte", sagt Bahn. Google handle zügig, wenn man die Funktion nutze.
Welche Informationspflicht hat Google?
Im Mai 2020 beschloss die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zu Vorab-Widersprüchen, dass die Öffentlichkeit zu informieren sei, wenn Aufnahmen für Street View und vergleichbare Dienste gemacht und genutzt werden. Kritik an Google gab es wegen der Kommunikation zu den Aufnahmen im Jahr 2022. Google habe zu der Zeit zwar über die Durchführung der Kamerafahrten auf einem Blog informiert, nicht aber über die geplante Veröffentlichung, sagt Sommer. Der Datenschutzbeauftragte Hamburgs Thomas Fuchs forderte anschließend den Konzern auf, ausdrücklich und rechtzeitig über die angedachte Veröffentlichung zu informieren, damit Bürger vorab widersprechen können.
Welchen Nutzen hat Street View?
"Menschen nutzen es, um ihre Wohnung online zu vermieten oder zu verkaufen, und um sich vor dem Umzug über die neue Gegend zu informieren. Sie erkunden Urlaubsorte wie Parks und Strände in der Nähe ihres Hotels", schreibt Google. Auch Nicole Bahn sieht die Vorzüge eines Kartendienstes, etwa bei der Navigation. Dennoch stellt sich ihr zufolge die Frage, inwieweit die Street-View-Ansicht notwendig sei.