Der Bremer Ausbildungspakt hatte zum Ziel, bis Jahresende die Zahl der Ausbildungsplätze im Land Bremen auf 7800 zu erhöhen. Laut Arbeitsagentur haben Bewerber jedoch zu wenig Auswahl.
Es erscheint wie verhext. Momentan sucht die Sparkasse Bremen noch 13 Auszubildende, und zwar für den Start in diesem Jahr zum 1. August beziehungsweise zum 1. September. Noch vor zehn Jahren waren es gerade Geldinstitute, die klassischerweise alle Ausbildungsverträge bereits ein Jahr im Voraus abgeschlossen hatten.
Diese Zeiten sind vorbei, wie Nicola Oppermann, Sprecherin der Sparkasse Bremen, berichtet: „Tatsächlich werden noch etwa 40 Prozent des Jahrgangs in der Zeit von Mai bis zum eigentlichem Ausbildungsbeginn eingestellt.“ Oppermann verweist dabei aber auch auf den „Qualitätsanspruch“, von dem die Sparkasse nicht abweiche. Demnach haben vor allem Kandidaten mit Abi in der Tasche bessere Karten als Bewerber mit Realschulabschluss.
Viele wollen eine Ausbildung machen und nicht studieren
Mathelehrer Volker Nehre von der Gesamtschule Ost im Bremer Stadtteil Osterholz berichtet: „Ich habe hier durchaus gute Abiturienten. Die wollen nicht studieren, die wollen eine Ausbildung machen. Aber in mehreren Fällen gibt es da nur Absagen.“ In seinem Kollegium seien auch Beispiele bekannt, wonach Schüler bei ihren Bewerbungen nicht ihre Adresse aus Tenever angeben, sondern die von Bekannten, beispielsweise in der Vahr.
Auf diese Art wollten sie vermeiden, dass ihre Bewerbung schon aufgrund der Herkunft sofort aussortiert wird. Und es gibt das Beispiel aus der Vergangenheit, dass eine Schülerin mit Realschulabschluss sich in der elften Klasse „parkte“, weil sie keinen Ausbildungsplatz zur Bürokauffrau gefunden hatte.
Ihnen allen sollen eigentlich der Bremer Ausbildungspakt und die Bremer Ausbildungsgarantie helfen. Den Pakt, auch Bremer Vereinbarung genannt, hat das Land Bremen im Jahr 2014 mit den Kammern und der Arbeitsagentur geschlossen. Der Pakt hatte zum Ziel, die Zahl der Ausbildungsplätze im Land Bremen über die Jahre stetig zu erhöhen. Für das Jahr 2017 sind insgesamt 7800 neue Ausbildungsplätze angepeilt. Im vergangenen Jahr lag die Zahl mit 7350 Ausbildungsverträgen noch deutlich darunter, wie aus einer Vorlage für das Plenum der Bremer Vereinbarung hervorgeht.
223 junge Menschen nutzten die Ausbildungsgarantie
Jugendlichen, die bei der Bewerbung um eine Lehrstelle leer ausgegangen sind, soll die Ausbildungsgarantie eine staatliche Alternative ermöglichen. Genutzt haben das im vergangenen Jahr 223 junge Menschen. Sie haben statt einer dualen Ausbildung eine außerbetriebliche Ausbildung begonnen oder sind auf einem rein schulischen Ausbildungsplatz gelandet. Damit gelten sie in der Statistik offiziell als „versorgt“ und werden nicht unter denjenigen aufgelistet, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben.
Von den 7350 Ausbildungsverhältnissen im vergangenen Jahr ist schätzungsweise jeder zweite Platz an einen Kandidaten aus dem niedersächsischen Umland gegangen. Es gibt also nicht nur einen internen Wettbewerb der Bremer Bewerber untereinander, sondern sie müssen sich auch gegen Konkurrenz aus Niedersachsen behaupten.
Der Sprecher der Arbeitsagentur für Bremen und Bremerhaven, Jörg Nowag, sagt: „Normalerweise rechnet man für einen Kandidaten 1,3 Ausbildungsstellen. Momentan könnten es mehr Ausbildungsplätze sein, damit die jungen Menschen auch eine Auswahl haben.“ Das würde wiederum bedeuten, dass mancher Arbeitgeber leer ausgeht. Aber es gehe hier schließlich um einen Markt, auf dem beiden Seiten genügend Auswahl haben sollten. Und auf diesem Markt halten laut Nowag die Unternehmen bei der Auswahl der Bewerber an den hohen Ansprüchen fest.
Nur jeder zweite Betrieb bildet aus
Was bei den Zahlen auffällt, ist, dass im Land Bremen nur jeder zweite Betrieb ausbildet, der ausbilden könnte. Dafür hat der Arbeitsagentur-Sprecher jedoch eine Erklärung: „Gerade die kleinen und mittelgroßen Betriebe bilden nicht jedes Jahr einen neuen Azubi aus. Die bilden einen einzigen aus, und wenn der nach drei oder dreieinhalb Jahren fertig ist, suchen sie erst dann einen neuen.“ So bilden sie zwar kontinuierlich aus, tauchen aber nur alle drei Jahre auf der Liste der Betriebe auf, die einen Ausbildungsplatz anbieten.
Die Handelskammer Bremen sieht sich dagegen momentan mehr als im Soll. „Wir verzeichnen für Ende März neun Prozent mehr abgeschlossene Ausbildungsverträge als vor einem Jahr“, sagt Frank-Dieter Lutz, Referent für Aus- und Weiterbildung bei der Handelskammer. Für Bremen und Bremerhaven waren das in absoluten Zahlen 1165 Ausbildungsverträge – 458 in den gewerblich-technischen Berufen und 707 in den kaufmännischen Berufen. Lutz ist zuversichtlich: „Einige Betriebe schreiben erst kurzfristig im Mai oder Juni einen Ausbildungsplatz aus, wenn sie besser absehen können, was ihnen die Konjunktur bringen wird und was an Aufträgen ansteht.“
Mathelehrer Volker Nehre von der Gesamtschule Ost wünscht sich: „Wir würden uns freuen, wenn mehr Unternehmen direkt bei uns in der Schule vorbeischauen könnten.“ Kontakte zu Firmen ergäben sich bisher vor allem dadurch, dass die Lehrer im privaten Umfeld Unternehmer kennen, die auch ausbilden möchten. Mehr Kontakt zwischen Firmen und Bewerbern, um beide Seiten besser zusammenzubringen, befürwortet auch Karlheinz Heidemeyer, Referent für Aus- und Weiterbildung bei der Handelskammer.
Für diesen besseren Kontakt wurden im Rahmen der Bremer Vereinbarung die Jugendberufsagenturen gegründet. Hier kann ein Bewerber seinen Bedarf anmelden, sollte er zu Beginn des Ausbildungsjahres leer ausgegangen sein. Mit der Ausbildungsgarantie wird für ihn eine Alternative gesucht. Und damit verschwindet er dann wieder aus der Statistik.