Notfallpläne, Einzelmaßnahmen und Kalkulationen: Im Einzelhandel sind die Vorbereitungen auf einen Winter mit hohen Energiekosten in vollem Gange. Geschäftsleute und Handelsverbände machen sich Gedanken, wie sie einerseits eine angenehme Atmosphäre für die Kundschaft erhalten und andererseits ihre Ausgaben für Licht, Wärme und Strom einfangen können.
Hinter den Kulissen des Weserparks wird derzeit geprüft und gerechnet. Wie viel Energie spart es, einen Aufzug in Standby zu versetzen? Wie sehen die Schaltkreise in dem Einkaufszentrum genau aus? Und wo lässt sich kurzfristig etwas ändern? „Teilweise sind die Einstellungen vorprogrammiert für das ganze Jahr“, erläutert Center-Managerin Monika Mehrtens. „In so einem großen Gebäude hat das alles einen Vorlauf.“ Bald muss auch entschieden werden, wann die Heizperiode beginnen soll. Denn im Weserpark die Heizung an einem Tag an- und am nächsten wieder auszuschalten, sei keine Option, sagt sie.
Einige kurzfristig mögliche Maßnahmen hat Mehrtens bereits umgesetzt. Zum Beispiel sind die Aufzüge im Parkhaus nur teilweise in Betrieb. „Und die Rolltreppen werden jetzt erst zur Öffnungszeit angestellt.“ Sonst seien diese schon morgens angesprungen, um den Reinigungskräften die Wege zu erleichtern.
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Das meiste, was in diesen Tagen in Sachen Energiesparen im Einzelhandel überlegt und ausprobiert wird, ist freiwillig. Verordnet ist, dass seit dem 1. September beleuchtete Werbeanlagen zwischen 22 und 16 Uhr ausgeschaltet werden müssen und Ladentüren nicht mehr dauerhaft offenstehen dürfen. „Es gibt eine große Bereitschaft des Handels, da mitzuwirken“, sagt Karsten Nowak. Er ist Geschäftsführer des Bereichs Einzelhandel bei der Handelskammer Bremen.
Was fehle: eine Behörde, die bei Fragen ansprechbar ist. Ein fester, verlässlicher Rahmen sei dringend nötig, denn ähnlich wie bei den Corona-Verordnungen entstünden bei der Interpretation und Umsetzung Unsicherheiten. Darauf hatte jüngst auch der Handelsverband Nordwest hingewiesen.
Solange es keine weiteren gesetzlichen Vorgaben gibt, ist Eigenorganisation angesagt. Große Unternehmen mit zahlreichen Filialen wie C & A liefern Beispiele: Rolltreppen und Schaufensterbeleuchtungen würden außerhalb der Öffnungszeiten abgeschaltet, teilt der Textilhändler mit. In den Hornbach-Baumärkten wird es in einigen Bereichen kühler. Artikel wie Zimmerpflanzen oder Tierfutter, die mehr Wärme brauchen als andere, sollten „in höher beheizten Zonen gebündelt oder durch Abdeckungen geschützt“ werden, heißt es. Die Elektronikmärkte Saturn und Media Markt haben eine Notfallstrategie für ihre gasbeheizten Filialen erarbeitet: Sie sieht laut „Spiegel“-Bericht eine Verkleinerung der Verkaufsfläche und Elektroheizungen vor.
Überlegungen zu den Öffnungszeiten
Eine weitere Option seien eingeschränkte Öffnungszeiten, sagt Jan König, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Nordwest. „Es gibt Händler, die sagen: Ich mache Mittwochnachmittag zu oder schließe am Samstag früher.“ Auch im Lebensmitteleinzelhandel, etwa bei Filialen, die normalerweise bis spätabends geöffnet seien, sei das nicht ausgeschlossen. Eine solche Entscheidung falle niemandem leicht: „Jedem Händler blutet das Herz, wenn er überhaupt über Schließzeiten nachdenken muss.“
Es gelte: je kleiner der Laden, desto weniger Sparmöglichkeiten. Frank Springer ist für vier Einkaufszentren mit Nahversorger-Charakter verantwortlich. In Marßel und Blockdiek, dem Jan-Reiners-Center in Findorff und der Berliner Freiheit in der Vahr seien die Gebläseanlagen an den Eingängen und die Leuchtwerbung bereits ausgeschaltet worden, sagt er. Auf den Parkdecks der Berliner Freiheit bleibe jeder zweite Leuchtmast dunkel. Am Betrieb von Rolltreppe und Laufband hingegen könne er aus mehreren Gründen nichts ändern: Barrierefreiheit, Flucht- und Rettungswege sowie Kundenservice. Denn wie sollten die Leute sonst einen vollen Einkaufswagen vom Erdgeschoss zum Parkdeck bringen? „Das schafft man nicht“, sagt Springer.
Wie der Einzelhandel die Herausforderungen dieses Winters bewältigen wird, sei noch nicht abzusehen, sagt Nowak von der Handelskammer. Mit Blick auf die letzte große Krise, die Pandemie, hofft er auf politische Unterstützung: „Corona hat man gut bewältigt, die gefürchtete Insolvenzwelle ist ausgeblieben. Wenn die Politik jetzt ähnlich sensibel ist, kann es gehen.“