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Trotz Potenzials für weiteren City-Supermarkt "Es gibt ganz viel Zurückhaltung"

Die Vermietung von Einzelhandelsflächen ist erschwert. Das liegt in Bremen auch an der Unsicherheit, was aus den Plänen für die Stadt wird, erklärt ein Experte im Interview. Der Druck auf die Mieten steigt.
03.08.2021, 19:26 Uhr
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Von Lisa Schröder

Herr Trocha, Sie haben sich mit den Immobilien von Supermärkten und Discountern als Investitionsobjekt beschäftigt. Die Nachfrage boomt?

Uwe Trocha: Absolut. Das Segment war auch schon vor Corona stark. Das hat sich nochmals verstetigt – aus zweierlei Gründen. Der Investmentmarkt gibt nur wenige Produkte her. Das hängt auch damit zusammen, dass es für neue Flächen harte baurechtliche Auflagen hinsichtlich der Größe und des Sortiments gibt. Die Nachfrage ist deutlich größer als das Angebot. Außerdem konnten sich die Lebensmittelmärkte in der Zeit der Krise als Stabilitätsanker behaupten. Selbst wenn es mal einen Engpass bei Toilettenpapier gegeben hat, für die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung gab es keine Einbußen.

Mieten Supermärkte und Discounter die Läden im Normalfall?

Die Sache ist etwas komplexer. Vollsortimenter und Discounter versuchen, gute und etablierte Standorte zu erwerben. 50 bis 60 Prozent der Märkte befinden sich im Eigentum der Betreiber. Der Rest ist angemietet.

Wer investiert auf diesem Markt? Sind das allein große Akteure? Oder könnte ich Ihnen als Bremerin mit Vermögen sagen: Das Segment interessiert mich.

Das geht. Wir bespielen diese Nische stark. Die letzten Transaktionen, die ich abgewickelt habe, waren alle mit Beteiligung von Family Offices – sowohl auf Verkäuferseite als auch auf Käuferseite. Wir betreuen Familien in dritter Generation. Dafür ist es wichtig, eine vertrauensvolle und diskrete Geschäftsbeziehung zu pflegen.

In Bremen sehen wir, dass zwar ein neuer Rewe in der Obernstraße aufgemacht hat, zuvor aber Aldi wegzog. Der Edeka bei Galeria ist auch zu. Läuft das nicht gegen den Trend, dass Supermärkte nach Ihrer Einschätzung vermehrt in Innenstädte drängen?

Der Aldi in der Violenstraße war vom Objekt her nicht mehr zeitgemäß. Das muss man klar sagen. Der Edeka bei Galeria Kaufhof, für den ich den Mietvertrag damals unterschrieben habe, ist im Untergeschoss angesiedelt gewesen. Das ist nach heutigen Maßstäben auch kein zeitgerechtes Objekt mehr. Der neue Rewe ist hingegen genau das, was Innenstädte heute erwarten und benötigen. Das Objekt ist beim German Council of Shopping Places als Vorzeigemodell für revitalisierte Innenstädte präsentiert worden. Wir dürfen nicht vergessen: Wir haben in Bremen und anderen Städten zu wenig Angebote für die tägliche Versorgung mit Lebensmitteln. Ich könnte mir vorstellen, dass neben Rewe und Lidl in Bremen noch für einen kleineren dritten Markt Platz wäre.

Das passt zum Ziel, dass mehr Menschen im Zentrum selbst leben sollen.

Wir spüren eine immer stärkere Nachfrage nach Wohnen in der Innenstadt, teilweise auch für hochwertige Penthousewohnungen. Gerade auch jüngere Menschen suchen hier Wohnungen. Aus meiner Sicht kann dieser Bedarf über mehrere Jahre hinweg möglicherweise nicht gedeckt werden.

Die Devise lautet also: Neubau und auch Umgestaltung?

Ganz genau, insbesondere für Bestandsflächen, die einer neuen Nutzung zugeführt werden können – zum Beispiel Büros zu Wohnraum.

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Wie schwer ist es eigentlich derzeit, Einzelhandel zu vermieten? Teils verweilen Läden länger auf den Immobilienportalen.

In Bremen ist es etwas schwierig, da es hier eher kleinflächige Objekte gibt. Wir haben zwar Anfragen auch von ausländischen Formaten, die nach Bremen kommen wollen, aber die passende Größe fehlt. Zugleich gibt es Nachfragen, die wir ganz gut bedienen können, weil die teuren Lagen durch längeren Leerstand ein niedrigeres Preisniveau haben. Da liegt eigentlich der Hase im Pfeffer. Häufig mussten Eigentümer solcher Objekte die letzten 20 bis 30 Jahre nicht viel investieren. Jetzt müssen sie aber erkennen, dass sie bei der Miete unter Umständen Preisnachlässe von bis zu 50 Prozent akzeptieren müssen.

Weil der Laden sonst leer bleibt.

Richtig. Wir leisten hier momentan einen extremen Beratungsaufwand gegenüber Eigentümern, die vielleicht – vorsichtig ausgedrückt – in der Vergangenheit etwas verwöhnt gewesen waren. Im Grunde haben sie keine Alternative. Es sei denn, es findet sich eine andere Nutzung.

Im Moment wechseln hier und da Läden ihren Standort im Zentrum – zum Beispiel vergrößert sich Rituals in der Sögestraße. Nutzen einige die Gunst der Stunde, um sich zu verbessern?

Ja, absolut. Viele nutzen jetzt ihre Chancen. Die Entwicklungen passieren aber auch vor dem Hintergrund, dass es gewisse Unsicherheiten hinsichtlich der Innenstadtentwicklung gibt. Das betrifft auch die Pläne von Kurt Zech. Aus dieser Ungewissheit heraus gibt es ganz viel Zurückhaltung. Das erschwert die Vermietung frei stehender Flächen.

Gibt es für Sie ein Lieblingsgeschäft in Bremen?

Die Antwort fällt mir schwer. Ich bin nicht so der Shopper. Was mir extrem gut gefällt, ist das Objekt von Herrn Dr. Jacobs in der Obernstraße. Ich finde es sehr gelungen. Es bringt, das finde ich persönlich wichtig, Qualität.

Was wünschen Sie sich für Bremen?

Es würde Bremen sehr guttun, aktiver Imagewerbung für den Standort zu machen und eine Willkommenskultur für Investoren zu schaffen. Bremen ist in den letzten 40 Jahren hanseatisch sehr zurückhaltend gewesen. Die Außenwirkung bietet noch Potenzial. Dabei gibt es viele Vorzüge, die es zu spielen gilt. Das ist auch für die Weiterentwicklung der Innenstadt wichtig, um auf den richtigen Weg zu kommen – eben Qualität. Wir sollten uns in der Innenstadt nicht über austauschbare Ketten präsentieren. Die Kaufkraft ist da. Wir haben einen hohen Anteil an Millionären. Ich hatte mal das Vergnügen, mit einer exklusiven Automarke über ein Showroom-Konzept für Bremen zu sprechen. Das konnten die sich sofort vorstellen.

Die Immobile fehlte?

So ist es.

Das Gespräch führte Lisa Boekhoff.

Zur Person

Uwe Trocha

ist Leiter des Bereichs Verbrauchermärkte und Discounter beim Immobilienunternehmen Robert C. Spies. Der gebürtige Bremer studierte Wirtschaftswissenschaften. Im Anschluss arbeitete er in Führungspositionen bei Aldi Süd, Tengelmann sowie Edeka Minden-Hannover und verantwortete dabei das Thema Expansion und Immobilien.

Zur Sache

Wettbewerb für den Einzelhandel

Die Wirtschaftsförderung Bremen will den Einzelhandel in der Innenstadt dabei unterstützen, Neues auszuprobieren. "Wir suchen das Besondere – Einzelhändlerinnen und Einzelhändler, die ihre bewährten Angebote mit neuen Ideen ergänzen und erweitern wollen", sagte Staatsrat Sven Wiebe zum Wettbewerb im Rahmen des Aktionsprogramms Innenstadt. Die Gewinner erhalten eine Förderung ihrer Investition. Details zu der Aktion gibt es unter www.neugedacht-neugemacht.de.

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