Ein Schreiben eines Inkassounternehmens heißt für den Empfänger meist nichts Gutes. Als Martin Büchler also vor zwei Wochen den Brief der Creditreform Bremen – Betreff: "Mahnung" – öffnete, war der Schreck erst einmal groß. 812,36 Euro sollte der Besitzer eines Kaffeeladens in der Böttcherstraße überweisen, inklusive Mahngebühren, weil noch eine Forderung des Energieversorgers SWB offen sei. Zahlungsfrist: eine Woche – falls er keine "berechtigten Einwendungen" habe. Die aber hatte Büchler durchaus. Denn eine Rechnung der SWB, die der Zahlungsaufforderung vorausgegangen wäre, hatte er nie in der Hand gehalten.
Alles begann mit einer Großinvestition in sein Kaffeegeschäft. Seit 2006 verkauft Büchler mit seinem Unternehmen, der Bremer Kaffeegesellschaft, selbst geröstete Bohnen. Im vergangenen Jahr ließ er in seiner Produktionsstätte in der Hans-Bredow-Straße am Weserpark eine neue Röstanlage installieren, "eine der modernsten in Bremen", versichert der Kaffeeliebhaber, mit Nachverbrenner und allen Errungenschaften der modernen Rösttechnologie. Kostenpunkt: 240.000 Euro. Für die Anlage verlegte der Netzbetreiber Wesernetz eigens einen Gasanschluss in die Halle, die bis dato mit Öl befeuert wurde. Mitte Februar wurde der Gaszähler installiert. Betriebsbereit war die Anlage damit allerdings noch nicht: Es fehlten der Schornstein und die Abnahme durch den Schornsteinfeger. Die erfolgte erst drei Wochen später.
In der Zwischenzeit hatte Büchler den Gasversorger gewechselt. Nur eine Woche lang stand er mit der Anlage bei SWB unter Vertrag. "Ich habe von denen aber gar kein Gas bezogen, weil die Anlage ja noch nicht lief", versichert er. Für die Buchhaltung der SWB jedoch war Büchler in dieser Zeit ein Großkunde mit gasbefeuerter Kaffeeröstanlage – und vermutlich hohem Verbrauch.
Die Rechnung schickte SWB an die Betriebsstätte, an der das Gas verbraucht wurde. "Die zu einem Anbieterwechsel gehörenden Daten laufen in einem bundesweit einheitlich standardisierten Wechselprozess", erklärt SWB-Sprecherin Angela Dittmer. "SWB wurde auf diese Weise die Adresse Hans-Bredow-Straße übermittelt."
SWB entschuldigt sich – und sorgt für weiteren Ärger
So nahm das Unglück seinen Lauf. Denn die Hans-Bredow-Straße ist nicht die Firmenadresse der Bremer Kaffeegesellschaft. "Da hängt nicht einmal ein Briefkasten", sagt Büchler. Per Post erreichbar ist das Unternehmen in der Lürmanstraße in Schwachhausen. Also kamen die Rechnungen und folgenden Zahlungserinnerungen nie bei Büchler an. Erst beim Schreiben des Inkassounternehmens – an die richtige Adresse in der Lürmanstraße – fiel er aus allen Wolken.
Die korrekte Adresse habe man bei SWB erst im Juni erfahren, beteuert SWB-Pressesprecherin Dittmer. „Es tut uns sehr leid, dass dadurch unsere Post an die falsche Adresse gegangen, der Zähler nicht abgelesen und in Folge ein Mahnverfahren in Gang gesetzt worden ist", sagt sie.
Das Missverständnis aufzuklären, kostete Büchler nach seiner Darstellung einiges an Zeit und Nerven. "Ich hatte ja nicht einmal eine Kundennummer, unter der man den Fall hätte nachverfolgen können", sagt er. Die musste er sich auf Umwegen bei Creditreform besorgen. Mit allen Unterlagen ausgestattet, holte er sich einen Termin im SWB-Kundencenter am Schüsselkorb. Wartezeit: eine Stunde. "Und dann erklärte mir die Mitarbeiterin, sie sei gar nicht zuständig, weil das Mahnverfahren schon begonnen habe", erzählt Büchler genervt.
Inzwischen ist das Verfahren eingestellt. "Unser Fehler war, dass wir den Zählerstand für die Schlussrechnung geschätzt haben“, räumt SWB-Sprecherin Dittmer ein. Weil eine Kaffeeröstanlage am anderen Ende der Leitung hing, fiel die Schätzung entsprechend üppig aus. Mittlerweile ist die Restforderung der SWB auf 22,80 Euro geschrumpft – und auch darüber will man sich mit dem Kunden nicht länger streiten: „Es tut uns leid, dass Herrn Büchler Unannehmlichkeiten und Zeitaufwand entstanden sind", beteuert Dittmer. "Auf die kleine Restforderung werden wir aus Kulanz verzichten.“
Das jedoch reicht dem streitbaren Kaffeeröster nicht. "Aus Kulanz?", empört er sich. "Das ist Gutsherrenart. Ich habe nicht einen Kubikzentimeter Gas von der SWB erhalten – durfte ich ja gar nicht, weil die Anlage nicht betriebsbereit war. Wollen die mich als Lügner hinstellen?" Er will sich nun mit einem Anwalt beraten und über Schadensersatzforderungen nachdenken – für den Aufwand, den ihn die Aufklärung des Missverständnisses gekostet habe. "Sollen die mal schätzen", sagt er. "Das können sie ja."