Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Einzelhandel Nach 35 Jahren: Fachgeschäft für edle Schuhe in Bremen schließt

Mit Reiner Hautop verschwindet ein weiteres Fachgeschäft aus der Bremer Innenstadt. Im Gespräch verrät der Inhaber die Gründe und was er in der City anders machen würde.
26.11.2020, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Nach 35 Jahren: Fachgeschäft für edle Schuhe in Bremen schließt
Von Stefan Lakeband

An Zuspruch fehlt es Reiner Hautop dieser Tage nicht. Kunden, die sein Geschäft in der Bremer Innenstadt besuchen, sagen auf die ein oder andere Art immer das Gleiche: „Schade, dass Sie schließen.“ Hautop freut das einerseits. Andererseits macht es ihn traurig. Seit 35 Jahren verkauft er hochwertige Schuhe, Stiefel, Gürtel und Handschuhe. Doch ab Heiligabend ist Schluss, er schließt sein Geschäft.

Der Grund, der sich bei dieser Nachricht als Erstes aufdrängt, ist aber nicht der Auslöser dafür, dass Hautop aufhört. „Corona hat nichts damit zu tun“, sagt er. Natürlich habe auch er die Pandemie und die Ladenschließungen im Frühjahr gespürt. Und natürlich stelle er fest, dass noch immer viel weniger Menschen in der Innenstadt unterwegs sind. Bei Hautop ist es aber ein anderer Grund: „Ich habe ein gewisses Alter erreicht“, sagt er. 67 ist er – Zeit, um kürzerzutreten.

„Ich verkaufe die besten Schuhe, die es gibt"

Eigentlich ist Hautop gelernter Möbelverkäufer. Den Hang zum Hochwertigen hatte er schon früh. Als Kind sei er häufig zu seinem Onkel geschickt worden, einem Schuhmachermeister in Hameln. Ihm habe der kleine Reiner Hautop über die Schulter geschaut und den Wert der Dinge gelernt. Was es heißt, alte Lederschuhe zu reparieren; was es bedeutet, wenn ein Schuh perfekt passt. Das sei früher so gewesen, und das sei auch noch heute so.

„Ich verkaufe die besten Schuhe, die es gibt. Ein Wahnsinnssortiment.“ Wenn Hautop solche Sätze sagt, könnte man das leicht als große Klappe und Marktschreierei abtun. Wer sich aber in seinem Laden umschaut, der versteht schnell, was er meint. Hochwertige Materialien, ausgezeichnet verarbeitet. Das zeigen auch die Preise: Ab 200 Euro für ein Paar Schuhe geht es los. Dafür, sagt Hautop, hielten sie bei richtiger Pflege auch problemlos mehrere Jahrzehnte. Das sei es auch, was seine Kunden schätzten und suchten. Das Besondere, das es eben nicht an jeder Ecke gibt. Vorstände kaufen bei ihm ein, Unternehmer, Politiker. Auch ein Premierminister und eine Rock-Legende standen schon in seinem Laden.

Lesen Sie auch

Hautop hat in den vergangenen Jahren aber auch gemerkt, dass sich die Stadt gewandelt hat und er mit seinem Fachgeschäft eine Ausnahme geworden ist. Er zählt eine Reihe von Namen auf – alles Läden, die mittlerweile geschlossen sind. Erst vor wenigen Monaten wurde klar, dass auch L'Uomo dichtmacht, eine Boutique mit Designer-Kleidung auf der anderen Straßenseite, direkt gegenüber von Hautops Geschäft. Auch das Schuhhaus Meineke, nur wenige Meter weiter, hat mittlerweile geschlossen.

Für den Unternehmer liegen die Gründe – anders als so oft heraufbeschworen – nicht im Duell Einzelhandel gegen Internet. Er glaubt, dass Bremen seine Chance schon vor vielen Jahren vertan habe. „Die Kunden wollen bummeln und ein schönes Einkaufserlebnis“, sagt Hautop. Das ginge in der Bremer Innenstadt aber nicht. An vielen Ecken sei sie zu schmuddelig, zu viel Dreck läge herum. Die Folgen spürten Händler nun. „Die Kunden wenden sich ab, fahren lieber nach Hamburg, Oldenburg oder Münster“, sagt Hautop. Das habe er in den vergangenen Jahren ständig gehört. Zudem fehle ihm die richtige Mischung. Laut Hautop liegt das zum Teil an den hohen Mieten. Einzelhändler wie er könnten sich die kaum leisten, große Ketten hingegen schon. Dadurch werde die Innenstadt aber austauschbar und gleiche vielen Shoppingmeilen deutschlandweit.

Viele unterschiedliche Interessen blockieren den Fortschritt

„In den vergangenen zehn Jahren ist wenig für die Innenstadt gemacht worden“, sagt Hautop. „Mit ein paar Blumenkübeln ist es da nicht getan.“ Es brauche echte Ideen, um die City zu einem Anziehungspunkt zu machen, zu einem Ort, wo sich Leute gerne aufhalten und treffen. Er hat den Eindruck, dass es viele Parteien gebe, die unterschiedliche Interessen und Ziele für die Innenstadt hätten. Die ließen sich aber nicht unter einen Hut bringen – und das blockiere den Fortschritt.

Lesen Sie auch

Seine letzten Wochen als Einzelhändler will Hautop aber auf keinen Fall für einen Abgesang auf die Bremer City nutzen. Denn er sagt auch: „Wenn ich 20 Jahre jünger wäre, würde ich noch mal richtig durchstarten.“ Er würde sich mehr engagieren, seine Ideen einbringen, Dinge neu denken. Warum nicht etwa eine Etage in einem Parkhaus als Fahrradgarage umwidmen?, fragt er. Oder als Vermieter etwas weniger verlangen, dafür aber einzigartigen Einzelhandel ermöglichen?

Trotz all der Kritik will Hautop die Jahre als Geschäftsinhaber in Bremen nicht missen – vor allem der Kunden wegen. „Ich erinnere mich noch an Jugendliche, die zum ersten Mal für ihre Konfirmation bei mir waren und jetzt immer noch kommen.“ Letztens habe er überschlagen und sei dabei auf 100.000 Paar Schuhe gekommen, die er in seinem Berufsleben wohl verkauft habe. „Viele dürften davon noch im Einsatz sein“, sagt er. Denn neben dem Verkauf liegt Hautop noch etwas am Herzen: die richtige Pflege.

Zahlreiche Erinnerungsstücke

Regelmäßig hat er mit Kunden nach Ladenschluss zusammengesessen, bei Wein und Essen, und erklärt, wie man einen Schuh richtig putzt. Die Bilder davon hat er in einem Fotoalbum gesammelt. Es ist längst nicht das einzige Erinnerungsstück, das er in wenigen Wochen mit aus seinem Laden nehmen wird. Hinten rechts in der Ecke hängt etwa noch eine alte Schusterkugel, ein mit Wasser gefüllter Glaskolben, der die diffusen Strahlen einer Kerze verstärkt und dadurch helles Licht in einer Zeit geschaffen hat, in der es noch keinen Strom gab.

Ob das Licht im Laden für längere Zeit ausbleibt, ist noch nicht klar. Laut Hautop gibt es einen Interessenten, der eine ähnliche Klientel wie er bedient und der eventuell in die Räumlichkeiten gehen würde. Wer das ist, sagt Hautop noch nicht. „Es wäre aber ein Gewinn für Bremen.“ Auch der 67-Jährige verschwindet nicht komplett in den Ruhestand, ohne konkreter zu werden. Klar sei: „Ich muss ja was zu tun haben.“

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)