In den vergangenen Jahren hat Mercedes bei Materialengpässen immer wieder auf Kurzarbeit gesetzt. Jetzt aber gibt es deshalb spürbare Veränderungen in der Produktion. Eine Nachtschicht soll komplett wegfallen. Was haben Sie in den Betriebsversammlungen am Donnerstag wahrgenommen? Wie ist die Stimmung in der Belegschaft?
Michael Peters: Insgesamt verliefen die Betriebsversammlungen in allen drei Schichten sehr ruhig. Es wurde auch noch kein Ergebnis verkündet. Der Arbeitgeber hat angekündigt, eine komplette Schicht zu streichen. Wir sind dazu noch im Gespräch. In der Betriebsratssitzung nächste Woche werden wir gegebenenfalls Beschlüsse dazu fassen. Die Arbeitszeiten müssen unter anderem neu vereinbart werden. Erst dann werden die genauen personellen Auswirkungen klar sein. Die Veränderungen sollen Ende Mai umgesetzt werden.
Es geht um den Wegfall der Nachtschicht in einer Montagehalle.
Genau. Das ist für die Kollegen dort eine Riesenveränderung, denn sie haben ihren Lebensrhythmus auf Nachtschichtarbeit ausgerichtet. Deswegen gibt es eine Vereinbarung, dass nicht von heute auf morgen ein Schichtmodell gewechselt wird. Die Kollegen sollen Zeit bekommen, um ein paar Dinge zu regeln. Da hängt vieles dran: Familie, Kinder, Pflege. Daneben fallen die Zuschläge für die Nachtarbeit weg. Das ist ein Punkt, der die Kollegen natürlich bewegt.
Einige Kollegen arbeiten also nur nachts?
Grundsätzlich ist es so, dass Schichtarbeit keine gesunde Arbeitszeit ist. Das ist vollkommen klar. Wir fahren schon seit Jahren dort, wo es nötig ist, das Modell der Dauernachtschicht. Das ist sicherlich besser als der Wechsel zwischen Frühschicht, Spätschicht und Nachtschicht.

Michael Peters ist der Betriebsratsvorsitzende des Bremer Werks von Mercedes.
Von 500 Leiharbeitskräften will Mercedes sich trennen. Das ist ein starker Einschnitt. Wie stehen Sie dazu als Betriebsratschef?
Das ist eine traurige Geschichte. Vor allem vor dem Hintergrund, dass wir wegen Corona und Halbleitermangel schon mehr als zwei Jahre immer wieder die ein oder andere schwierige Situation zu überstehen hatten – wie andere Automobilhersteller auch. Wir haben es mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geschafft, die Beschäftigten an Bord zu halten und gute Lösungen gefunden. Auch für unsere Leiharbeitskolleginnen und -kollegen. Jetzt wird leider eine Schicht in einer großen Montagehalle nicht mehr weitergefahren. Wir hatten einen anderen Plan. Die Kollegen in der Leiharbeit, die wir vollintegriert haben, können teilweise nicht mehr beschäftigt werden. Ich sage aber auch: Die 500 kommen von der Unternehmensseite. Die kann ich noch nicht bestätigen. Erst werden die Vereinbarungen geschlossen.
Sie wollen dafür kämpfen, dass möglichst viele Kollegen bleiben?
Natürlich! Wir werden aber nicht verhindern können, dass es Einschnitte geben wird. Das ist leider so. Es geht eben nicht nur darum, drei Monate zu überbrücken. Es ist absehbar, dass wir in diesem Jahr in dem Bereich nicht wieder mit der Nachtschicht hochfahren. Kurzarbeit ist da keine Option gewesen.
Gibt es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Chance auf die Rückkehr ans Band in Sebaldsbrück? Oder werden sie schnell anderswo gebraucht?
Das weiß ich nicht. Über den Fachkräftemangel ist viel zu lesen. In vielen Bereichen wird Personal benötigt. Für uns ist es schade. Wir als Betriebsrat haben immer die Zielsetzung, Kolleginnen und Kollegen aus der Leiharbeit in Festanstellung bei Mercedes zu bekommen. Viele sehen diese Chance für ihre Karriere. Die Kollegen arbeiten gerne bei uns. Wir werden gut bezahlt. Es sind gute Arbeitsplätze. Deswegen ist der Einschnitt traurig. In diesem Jahr sehe ich keine Rückkehrmöglichkeit mehr. Was später kommt? Das steht in den Sternen. Ich schaue immer positiv in die Zukunft. Irgendwann werden wir wieder andere Zahlen haben.
Das Standortkonzept bei Mercedes bedeutete vergangenes Jahr für die Produktionen die Zusage von neuen Elektromodellen – auch für Bremen. Der Gesamtbetriebsratschef versprach damals, dass in diesem Zuge auch wieder Leiharbeiter übernommen werden könnten. Ist das passiert?
Ja. Der Plan wird weiter umgesetzt. Zum 1. April bekommen jetzt 140 Kolleginnen und Kollegen einen Festvertrag bei Mercedes. Das waren ursprünglich Leiharbeiter. Weitere 120 Beschäftigte bekommen einen befristeten Vertrag – mit Aussicht auf Entfristung in einem Jahr.
Die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft sollen sicher sein.
Wir müssen uns keine Gedanken um die Arbeitsplätze machen. Die Stückzahlen sind weiter auf einem sehr guten Niveau. Ich hoffe, das bleibt so. Wir sind in den vergangenen Jahren überaus erfolgreich gewesen. Das muss man ganz klar sagen. Wir haben einen Anlauf nach dem anderen gehabt und tolle Fahrzeuge im Angebot.
Gibt es auch Abbaupläne für andere Werke? Oder trifft es jetzt nur Bremen?
Dazu kann ich leider nichts sagen.
Aktuellen Zahlen zufolge haben die Autohersteller in Deutschland in den vergangenen Jahren hierzulande immer weniger Fahrzeuge hergestellt. Die Produktion im Ausland legte zu. Das berichtete das "Handelsblatt". Machen Sie sich darum Gedanken?
Ich glaube, das ist etwas, was uns Betriebsräte und Arbeitnehmervertreter ein Leben lang beschäftigt. Leider wandert das Kapital dahin, wo das meiste Geld zu machen ist. China ist der größte Markt. Deswegen produziert Mercedes dort Fahrzeuge. Es gibt immer wieder Diskussionen: Wo werden welche Fahrzeuge hergestellt? In Bremen sind wir ziemlich führend. Ich glaube, es gibt kaum ein Werk, das so viele verschiedene Fahrzeugvarianten, teils über eine Linie, produziert. Natürlich verfolgen wir die Diskussion in den USA. Die Regierung macht Anreize, dort Produktion aufzubauen. Unternehmen schauen sich das an. Wir müssen darum gucken, am Bremer Standort weiterhin gut aufgestellt sein.
- Das Gespräch führte Lisa Schröder.