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Harte Arbeit: Reinungskraft bei OHB Anstrengung fürs All

Katrin Kuhlmann macht ihren Beruf als Reinigungskraft gerne – selbst wenn er schwer ist und in der Frühe beginnt. Nur der Blick anderer Menschen auf ihre Arbeit stört die Bremerin manchmal.
06.01.2022, 19:18 Uhr
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Anstrengung fürs All
Von Lisa Schröder

Am Sternenhimmel kreisen unermüdlich Satelliten um die Erde – im Dienste der Menschheit. Ganz weit weg scheint das in diesem Raum ohne Fenster. Ein Riesenvorrat an Toilettenpapier, Küchenrollen, Handtüchern und Seife lagert in der Ecke. Eine Waschmaschine setzt gerade in den Schleudergang ein. Was hat das mit Raketenwissenschaft zu tun?

Im Raum hier versorgt sich Katrin Kuhlmann mit Material. In einem Regal liegen unzählige bunte Lappen für ihre Arbeit als Reinigungskraft. Die Gelben sind für die Waschbecken, die Roten für die Toiletten, die Blauen für Oberflächen und die Grünen für die Küche und Desinfektion. Wenn man den Bogen etwas größer spannt, dann aber leistet auch die Bremerin einen Beitrag dazu, die Technik ins Weltall zu schießen. Kuhlmann hält zusammen mit ihren Kolleginnen die Labore, Büros, Flure und Reinräume beim Satellitenbauer OHB sauber.

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In der Frühe um 3.30 Uhr beginnt Kuhlmanns Tag. Um fünf Uhr geht der Dienst los. Während viele noch schlafen, ist die Reinigungskraft längst unterwegs. "Wenn die anderen ins Büro kommen, muss man mit dem Gröbsten fertig sein", sagt Kuhlmann. Gerade die lauten und nassen Arbeiten – Saugen und Wischen – müssten um sieben Uhr erledigt sein.

An die Uhrzeit hat Kuhlmann sich gewöhnt. Auf langen Fluren müssen dann zum Beispiel die Böden gewischt werden. Immer wieder zeichnet Kuhlmann mit dem Mopp eine liegende Acht – das Zeichen für Unendlichkeit. So geht die Wischtechnik. "Es ist nicht so leicht, wie es aussieht. Sobald der Wischenmopp nass ist, wird es sehr schwer." Der Boden des Flurs im "Satellite Test Center" ist recht grob. Ist ihre Arbeit generell schwer? "Ja, auf alle Fälle", sagt Kuhlmann. "Man muss eben auch wirklich viel schaffen in der Zeit."

Seit zwölf Jahren arbeitet sie als Reinigungskraft beim Bremer Unternehmen Söffge. Kuhlmann ist eine humorvolle und freundliche Frau. Die Aufgabe hier macht der 54-Jährigen auch Freude. Kuhlmann und ihr Mann zogen damals um die Zeit des Mauerfalls nach Bremen. "Wir hatten schon vorher geplant, dass wir weggehen", sagt Kuhlmann. Zunächst blieb die gelernte Industriekauffrau mit den Kindern zu Hause. Dann passten ein paar Stunden als Reinigungskraft gut ins Leben. Das war der Anfang.

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Fünf Stunden ist sie heute jeden Tag von Montag bis Freitag hier. "Da weiß man, was man getan hat", sagt Kuhlmann. Andere Kolleginnen steuerten noch weitere Kunden an. Für Kuhlmann aber reicht die Zeit hier beim Satellitenbauer. Das viele Bücken ist auch anstrengend für den Rücken: "Mit der Maschine fahr ich gar nicht. Ich mache alles per Hand."

Während auf die Technologien des Raumfahrtunternehmens oft ein Scheinwerfer geworfen wird, ist die Arbeit von Kuhlmann in der Regel verborgen. Räume mit den Utensilien, Reinigungswagen und Putzmittel, verstecken sich in Nischen. "Wir sollen am besten nicht gesehen werden", sagt Teamleiterin Kathy Endemann von Söffge, die für das Objekt OHB zuständig ist. "Es soll alles tippitoppi sein, aber am besten unsichtbar passieren."

Reinigung sei ein Knochenjob, betont Endemann. "Man darf es nie mit dem Reinigen zu Hause vergleichen." Es stört sie, wenn Menschen die Arbeit nicht schätzen: Ach – das bisschen Putzen! Die Reinigung sei anspruchsvoll. Die Firma habe auch einen Schulungsraum, um Mitarbeiter auf die verschiedenen Aufgaben vorzubereiten.

Kuhlmann ärgert sich genauso über fehlende Anerkennung. "Man ist einfach immer noch nur die Putzfrau. Das wird sich wahrscheinlich nie ändern." Der Begriff Putzfrau ist für die Bremerin "ganz schlimm". "Wir reinigen, säubern, desinfizieren", stellt sie klar. Von Kollegen kennt sie Geschichten. Wenn im Büro etwas fehle, dann werde die "Putzfrau" zuerst verdächtigt. "Es ist ein Job wie jeder andere. Aber man fühlt sich wirklich als Mensch zweiter Klasse."

Dabei mache sie gerne für die Menschen sauber. Die Arbeit bringe Spaß. Und manche bedankten sich auch dafür bei ihr. In ihrem Alltag hat sie über die Zeit aber schon erfahren, dass der Respekt auch mal fehlen kann. Kuhlmann berichtet von Männern, die am Urinal nicht spülten. "Das bleibt alles so. Und dann betreten Sie mal morgens um fünf Uhr so ein WC."

Wieder draußen auf dem großen Gelände von OHB zeigen die beiden Frauen auf eines der Gebäude, wie weit die Büroflure verlaufen, für die eine Frau zuständig ist. Kein Wunder, dass der Zeitplan straff ist. Da bleibt kein Fenster, erst mit nassen Händen Papierberge von Schreibtischen zu räumen: Gereinigt werden nur unbelegte Flächen. Wobei Kuhlmann den Schmutz zwischen dem Chaos sieht und ihn eigentlich gerne wegmachen würde.

Eine Kollegin kommt vorbei. Gerade ist sie mit dem Dienst durch. Schweißperlen sind auf ihrer Stirn zu sehen. Wegen Corona wird mit Maske geputzt. Das erschwert die Arbeit zusätzlich.

Katrin Kuhlmann ist nach dem Rundgang auch fertig. Ihre beiden Kinder sind heute erwachsen, aber die Aufgabe hat die Bremerin behalten. "Weil es mir wirklich gefällt. Man hat dann auch noch ein bisschen was vom Tag."

Der Besuch des Arbeitsplatzes von Katrin Kuhlmann fand vor dem Brandanschlag auf OHB statt.

Zur Sache

Unterschätzte Branche

Für das Bremer Gebäudereinigungsunternehmen Söffge arbeiten zum Großteil Frauen: Es sind knapp 80 Prozent. In der Branche gebe es leider bei allen Tätigkeitsbereichen einen erheblichen Mangel an Personal, berichtet Firmenchef Arne Söffge. "Trotz der ersten Reinigungsroboter für spezielle Großflächen werden die Reinigungsarbeiten weiterhin von Menschenhand erledigt." In einigen Regionen sei der Mangel so stark, dass man die Reinigung nicht wie sonst üblich in den frühen Morgen- oder Abendstunden durchführen könne, sondern nur tagsüber.

Die Gebäudereinigung sei dabei krisensicher, wirbt Söffge für den Beruf. Schmutz falle immer und überall an. "Gerade in der Pandemie ist das Bewusstsein für Hygiene enorm gestiegen. Unsere Branche kann hiervon deutlich partizipieren." Der Geschäftsführer findet: "Die Verdienstmöglichkeiten, aber auch die Sicherheit in unserer Branche werden deutlich unterschätzt."

Reinigungskräfte für die Unterhaltsreinigung verdienten aktuell 11,55 Euro und damit deutlich mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. Eine Fachkraft für Glasflächen und Fassaden bekomme 14,81 Euro. Reinigungskräfte könnten zudem Teamleiterinnen und Teamleiter werden. "Ebenfalls ist eine dreijährige Ausbildung zum Gebäudereiniger möglich. Später kann eine Ausbildung zum Gebäudereinigermeister oder zum Techniker in der Fachrichtung Reinigungs- und Hygienetechnik erfolgen." Meist fänden Menschen zunächst über einen Nebenjob zur Aufgabe.

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