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Raumfahrt-Start-up Polaris Vom Bremer Kreuz bis zu den Sternen

Eine Weltraumrakete, die wie ein Flugzeug starten und landen kann: Das ist die Idee hinter dem Projekt "Aurora", die das Bremer Start-up-Unternehmen Polaris verfolgt. Ein paar Testmodelle fliegen schon.
10.01.2024, 05:00 Uhr
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Vom Bremer Kreuz bis zu den Sternen
Von Christoph Barth

Das Gewerbegebiet am Bremer Kreuz ist ein Gemischtwarenladen mit Autobahnanschluss: Gabelstapler, Wasserpumpen, Autoteile, Hydraulikschläuche, Kettenantriebe und Kälteanlagen werden hier produziert und gehandelt – was man so braucht in der modernen Industriegesellschaft. Und mittendrin greift einer nach den Sternen: Alexander Kopp will ins Weltall, mit einem Raumflugzeug namens "Aurora". 2027 soll es zum ersten Mal fliegen – daran arbeiten sie hier bei Polaris Raumflugzeuge in einer Werkhalle am Bremer Kreuz mit Hochdruck.

Die Adresse Zum Panrepel 11 klingt eher bodenständig und nicht nach einer Abenteuerreise ins Universum. Auch die Halle, in der an den Raumfahrzeugen der Zukunft gebastelt wird, erinnert mehr an eine Schrauberwerkstatt als an High-Tech-Fertigung von Raketen. Kopp schließt die Stahltür hinter sich; an einem Wintertag ist es nicht sehr warm in der Halle. Aufgebockt vor ihm steht "Mira": Dreieckig wie ein Bügeleisen, nur viel flacher und pechschwarz. Aus den geöffneten Klappen des Flugmodells hängen Kabel und silbergraue Röhren.

Kopp kommt gleich zur Sache: " 'Mira' ist unser fünfter und vorletzter Demonstrator", erklärt der Firmengründer und lässt seinen Blick über das knapp viereinhalb Meter lange Geschoss gleiten. Will heißen: "Mira" ist zum Üben da – und um zu zeigen, dass die Technik funktioniert. Wie bei den kleineren Vorgängermodellen "Aleda" und "Athena", die ein paar Meter weiter auf dem Hallenboden stehen. Das erste Flugmodell, "Stella", liegt als Trümmerhaufen aus Sperrholz und Plastik ganz hinten an der Wand der Halle – abgestürzt bei einem Testflug in Rotenburg im Oktober 2022. "Zu viel Seitenwind", erklärt Kopp entschuldigend.

Erste Erfahrungen mit dem Projekt "Hopper"

Die Idee hinter "Mira" und ihren fliegenden Schwestern ist nicht neu: Als die Europäer in den 1990er Jahren nach einem wieder verwendbaren Raumtransporter suchten, setzte sich als vielversprechendster Ansatz ein Fluggerät durch, das wie ein Flugzeug starten und landen sollte. Dazwischen würde es sich mit seinem Raketenantrieb in den Weltraum katapultieren und dort seine Nutzlast aussetzen. Das Projekt mit dem Namen "Hopper" kam jedoch über ein paar Flugversuche nicht hinaus. "Das Marktvolumen gab das damals noch nicht her", erklärt Kopp, der sich zehn Jahre lang beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit wieder verwendbaren Raumflugzeugen befasst hat. "Und der Kostendruck war einfach noch nicht so groß – das Geld floss ja."

Das jedoch habe sich mit Elon Musk und seinem Unternehmen Space-X geändert. Der exzentrische US-Milliardär zeigte, dass es auch in der Raumfahrt billiger geht, und setzte die Konkurrenz so unter Druck. Fieberhaft wird jetzt auch in Europa wieder an mehrfach verwendbarem Transportgerät für den Weltraum geforscht. Und Kopp glaubt, mit "Mira" & Co. zumindest schon mal ein paar vorzeigbare Modelle im Angebot zu haben. Sie bauen auf dem Prinzip des "Hopper" auf: Starten und Landen wie ein Flugzeug, dazwischen ein kurzer Ritt auf dem Raketenstrahl ins Weltall.

Die Vorteile liegen für Kopp auf der Hand: Bis zu 200 Einsätze könnte solch ein Raketenflieger absolvieren; nach der Landung wäre er binnen 24 Stunden wieder startklar. Das spart Kosten – mehr als bei jeder wieder verwendbaren Rakete, glaubt der Raumfahrtingenieur.

"Die blödeste Idee aller Zeiten"

Kopp ist so überzeugt von der Idee, dass er sich 2018 mit Polaris selbstständig machte und alles in das Unternehmen steckte, was er hatte. Zuerst glaubte er sogar, den alten Hof seiner Familie in Nordhessen zum Entwicklungszentrum für Raumflugzeuge ausbauen zu können. "Die blödeste Idee aller Zeiten", räumt er mittlerweile ein. Denn die Umbaukosten waren viel zu hoch, und die Rekrutierung von Raketentechnikern erwies sich auf dem Land als schwierig. Also zog er mit Polaris nach Bremen, in die selbst ernannte "City of Space".

Hier beschäftigt Polaris mittlerweile 22 Mitarbeiter, die meisten davon Ingenieure und Studenten. Zwei Investoren finanzieren die Entwicklungsarbeiten, darunter die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Bremen (MBG). Und auch die Bundeswehr unterstützt das Unternehmen: Die Militärs könnten sich das Raumflugzeug als Höhenaufklärer und Startvehikel für eigene Satelliten vorstellen.

Für ihre Flugversuche ziehen die Bremer Raketenbauer inzwischen regelmäßig mit Sack und Pack nach Peenemünde auf der Insel Usedom, wo die Startbahn direkt aufs Meer hinausführt und der Luftraum eigens für ihre Testflüge gesperrt werden kann. Dort flog auch "Mira" im Oktober letzten Jahres das erste Mal. Zum Einsatz kamen zunächst nur die Düsentriebwerke für Start und Landung. Jetzt wird der Demonstrator in der Halle am Bremer Kreuz auf seinen ersten Einsatz mit dem zusätzlichen Raketenantrieb vorbereitet.

Geld sammeln für "Nova"

Firmengründer Kopp sammelt derweil das Geld für das nächste, noch größere Testmodell. "Nova" soll es heißen und noch in diesem Jahr zum ersten Mal fliegen – mit Überschallgeschwindigkeit, das ist das erklärte Ziel. "Das wird dann unser letzter Demonstrator", kündigt Kopp an. Ein letztes Testmodell im Maßstab 1:4. Danach heißt es hop oder top: Scheitert die Idee eines Raumflugzeugs erneut? Kritiker werfen ihm vor: Zu wenig Nutzlast, nicht antriebsstark genug für das Erreichen einer Erdumlaufbahn.

Oder wird "Aurora" tatsächlich gebaut? 28 Meter lang soll das Raumflugzeug werden, mit 15 Metern Spannweite. Es soll eine Tonne Nutzlast ins All befördern. Und Kopp will sogar noch höher hinaus. Sein "Heavy Spaceplane", die zweite Generation der Raumflugzeuge, soll eine Erdumlaufbahn erreichen und zehn Tonnen transportieren können. 2030 soll es fliegen, drei Jahre nach "Aurora". Die Halle am Bremer Kreuz wäre für Kopps beherzten Griff nach den Sternen dann längst zu klein.

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