In Hafenstädten weht oft ein kräftiger Wind. Doch leider sorgt der allein nicht immer für frische Luft: Schiffe, Lkw, Dieselloks und allerlei hochmotorisiertes Spezialgerät zum Heben und Stapeln der Fracht blasen ihre Abgase in den Himmel, der dadurch mitunter nicht mehr so blau ist, wie er sein könnte. Ein Forschungsprojekt des Bremer Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) versucht jetzt, die dicke Luft einer Hafenstadt genauer zu analysieren – und war eines der Themen auf dem Maritime Research Forum, das am Donnerstag in Bremen stattfand.
Vom obersten Stockwerk des AB-Gebäudes der Hochschule in der Neustadt hatten die Teilnehmer einen freien Blick auf den an diesem Tag eher graublauen Himmel über Bremen. Flóra Gulyás weiß mittlerweile ziemlich genau, wie viel Stick-, Schwefel- und Kohlenstoffoxide er enthält: Seit 2020 forscht die wissenschaftliche Mitarbeiterin des ISL am Projekt "MaritIEm". Die Abkürzung steht für "Emissions- und Immissionsmodellierung in maritimen Transportketten". "Wir wollen damit eine Methode entwickeln, mit der sich die Emissionen in einem Seehafen berechnen lassen", erklärt die Doktorandin. Hafenplaner sollen dadurch in die Lage versetzt werden, an den richtigen Stellen einzugreifen und für Abhilfe zu sorgen.
Zum Beispiel bei den Schiffen im Hafen: Auch wenn sie nicht fahren, brauchen Crew und Ladung Strom – für Beleuchtung, Küche, Warmwasser, Kühlung und Heizung. Also wummert mindestens ein Hilfsdiesel Tag und Nacht. Ersetzen ließe er sich durch einen Stromanschluss an Land. Doch der ist teuer; nicht jeder Schiffliegeplatz wird so schnell mit Strom versorgt werden. "Mit unserem Modell können wir die Effekte simulieren, die Landstromanschlüsse haben", erklärt Gulyás.
Auch die Van Carrier, die auf dem Containerterminal die Blechboxen hin und her transportieren, tragen mit ihren Dieselmotoren zur dicken Luft über dem Hafen bei. "Wir können modellieren, was passiert, wenn die Fahrzeuge mit Batterieantrieb ausgestattet werden", stellt die Projektleiterin in Aussicht, ebenso wie die Verwendung besserer Abgasreinigungssysteme oder alternativer Kraftstoffe bei Lkw, die die Fracht ins Hinterland transportieren.
Entscheidungshilfe für Behörden
Über die Daten, die sie für ihr Projekt gesammelt hat, möchte sie einstweilen noch nichts verraten. Nur so viel: "Unser Modell soll den Hafenbehörden bei ihren Entscheidungen helfen, wo im Hafen und in den Transportketten am wirkungsvollsten in den Umwelt- und Klimaschutz investiert wird", erklärt Gulyás. Denn es lasse sich damit vorab simulieren, ob die Millionen auch die gewünschten Effekte erzielen. Der Hafenbetreiber Bremenports ist als Projektpartner dabei; bis November soll das Modell fertig sein.
"MaritIEm" war eines der Projekte, die junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Donnerstag auf dem Maritime Research Forum der Hochschule und des Deutschen Maritimen Zentrums (DMZ) vorstellten. Es ging um die nachhaltige Nutzung maritimer Ressourcen: um die effiziente Lagerung von Containern, um autonome Robotersysteme; Energiemanagement für Schiffe mittels Künstlicher Intelligenz (KI), brandsichere Bio-Faserverbundstoffe, die Beobachtung und Zählung von Seehunden im Wattenmeer und vieles mehr.
„Unsere Stadt ist ein idealer Ort für das Maritime Research Forum", sagte Claudia Schilling (SPD), Senatorin für Wissenschaft und Häfen, in ihrem Grußwort. "Denn Bremen ist in Deutschland der Wissenschaftsstandort mit dem größten Umfang an maritimen und marinen wissenschaftlichen Disziplinen und Fächern." An der Hochschule Bremen etwa gibt es den Forschungsbereich „Blue Sciences“, der einen Beitrag zur Weiterentwicklung von maritimer Wirtschaft und Technologie unter Berücksichtigung der marinen Umwelt leisten will. In der Lehre sind die Studiengänge im Bereich Nautik, Shipping und Chartering sowie Schiffbau und Meerestechnik international ausgerichtet: Sie bieten größtenteils englischsprachige Programme; von den zurzeit rund 450 Studierenden kommt fast die Hälfte aus dem Ausland.
„Für die Nutzung der Meere durch die maritime Wirtschaft ist Nachhaltigkeit eine zentrale Anforderung“, sagte Hochschul-Rektorin Karin Luckey. „Das Maritime Research Forum ist ein innovatives Format, um Projekte und Lösungsvorschläge für eine nachhaltigere Zukunft in der maritimen Wirtschaft zu diskutieren." Entwickelt wurde es 2018 vom Deutschen Maritimen Zentrum, um den Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft über Zukunftsthemen und neue Technologien im maritimen Sektor zu befördern.