Wie es im Hafen läuft, ist an verschiedenen Merkmalen festzumachen – nicht nur an der Anzahl und Ladung der Schiffe, die ein- und auslaufen, sondern vor allem an der Anzahl der Menschen, die dort arbeiten. Die hat sich seit Mitte April in Bremerhaven verringert: Der Gesamthafenbetriebsverein (GHB) hat seitdem Kurzarbeit angemeldet. 60 Prozent der Mitarbeiter sind laut GHB davon betroffen. Wann die 620 Arbeitskräfte wieder eingesetzt werden können, ist noch offen. Auch beim Hamburger Pendant gibt es seit ein paar Tagen Kurzarbeit: Sie gilt rückwirkend zum 1. Mai. Betroffen seien 1000 Beschäftigte der Gesamthafenbetriebs-Gesellschaft, schreibt die "Deutsche Verkehrs Zeitung".
Die Kurzarbeit beim Bremer Personaldienstleister begründe sich auf den allgemeinen Rückgang der Warenströme, sagt GHB-Geschäftsführer Marcus Bergmann. So sei es in den ersten drei Monaten zu einem Einbruch der Containerumschläge von etwa 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gekommen. Für den GHB sei diese Maßnahme ein wesentlicher Einschnitt. "Unsere Mitarbeitenden werden in den Hafeneinzelbetrieben eingesetzt, um auch Spitzen abzudecken. So ergibt es sich, dass in diesem Bereich unsere Kapazitäten nur zu 40 Prozent ausgelastet werden können." Die Mitarbeitenden seien unterschiedlich stark von der Kurzarbeit betroffen. Diejenigen, die besonders belastet seien, bekämen gemäß des bestehenden Tarifvertrages eine Aufstockung.
Allerdings hat sich beim Containerumschlag im April etwas getan: Er lag bei 351.000 Standardcontainer (TEU) und damit sogar 8000 TEU über dem April 2022. Das geht aus der Schnellstatistik hervor, die das Häfenressort monatlich veröffentlicht. Dadurch sieht auch die Gesamtbilanz fürs laufende Jahr etwas besser aus: In den ersten vier Monaten dieses Jahres liegt der Containerumschlag bei über 1,329 Millionen TEU und der Umschlagrückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres 15,3 Prozent.
Von einer Trendwende geht Bergmann deshalb aber nicht aus: Das Ende der Kurzarbeit sei selbstverständlich von der Rückkehr der erforderlichen Umschlagszahlen abhängig. "Die Hafenwelt geht von einer Stabilisierung im vierten Quartal 2023 aus, sodass wir bei der GHB guten Mutes sind, dass wir zum Jahresende wieder in einen normalen Betrieb kommen."
Der Rückgang des Containerumschlags finde nicht allein in Bremerhaven statt, so Bergmann. "Es handelt sich um einen allgemeinen Rückgang, der auch die anderen großen Containerhäfen in Europa betrifft." So hatte der Hamburger Hafen in den ersten drei Monaten einen Rückgang beim Containerumschlag um 16,9 Prozent auf 1,9 Millionen TEU. Der Container-Umschlag am Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven ging laut dem Finanzbericht der Eurokai-Gruppe um gut 20 Prozent gegenüber dem ersten Vorjahres-Quartal zurück – 154.000 TEU statt 194.000 TEU.
Auch in den anderen Nordrange-Häfen gab es ein Minus, so in Europas größtem Hafen Rotterdam in den Niederlanden und in Antwerpen-Brügge in Belgien, der aus dem Zusammenschluss der Häfen Antwerpen und Zeebrugge entstanden ist. Allerdings fielen die Rückgänge niedriger aus: Der Containerumschlag nahm in Rotterdam um 11,6 Prozent auf 3,2 Millionen TEU ab. In Antwerpen-Brügge wurden im ersten Quartal 5,7 Prozent weniger Container im Vergleich zum Vorjahresquartal umgeschlagen.
Als Ursachen für die Rückgänge werden aus allen Häfen die gleichen Gründe genannt: Nach einer hohen Konsumgüternachfrage im vergangenen Jahr ist eine deutliche Kaufzurückhaltung aufgrund der Inflation festzustellen. Die Folge: Die Importe gerade aus China und anderen asiatischen Ländern sind sehr zurückgegangen, zumal auch die Warenlager sehr gut gefüllt sind.
Trotz dieser gemeinsamen Einschätzung wird ein Unterschied zwischen den Nordrange-Häfen deutlich: Rotterdam und Antwerpen-Brügge haben geringere Rückgänge beim Containerumschlag zu verzeichnen als die deutschen Seehäfen. Der Vorsprung der beiden Häfen wird also auch bei allgemein abnehmenden Umschlagsmengen größer. Schon in Zeiten, als jedes Jahr mehr Blechboxen in Europa im- und exportiert wurden, hatten Rotterdam und Antwerpen-Brügge die Nase vorn und höhere Zuwächse zu verzeichnet als die beiden größten deutschen Seehäfen Hamburg und Bremerhaven. Woran das liegt? Aus der Hafenwirtschaft der beiden Hansestädte ist immer wieder ein Grund zu hören: In den Häfen von Rotterdam und Antwerpen-Brügge ist der Automatisierungsgrad höher als in den deutschen Häfen. Dadurch kann der Umschlag der Container günstiger angeboten werden, und das lässt sich die eine oder andere Reederei nicht entgehen.