Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation und die Ausläufer der Corona-Pandemie: 2022 war für BLG-Chef Frank Dreeke ein "Multi-Krisen-Jahr". Als Chef eines Logistikunternehmens sitzt er gewissermaßen im Schnittpunkt aller Krisen: Wenn Konsumenten weniger kaufen, weil alles teurer wird; wenn Logistikketten rumpeln, weil in China immer noch das Virus grassiert; wenn die Wirtschaft lahmt, weil die Energiepreise in die Höhe schießen: Immer ist das auch ein logistisches Problem, weil weniger Waren transportiert werden. So gesehen hat die BLG das "Multi-Krisen-Jahr" 2022 nach Auffassung Dreekes "gut abgeschlossen". Das laufende Jahr allerdings werde nicht einfacher, prognostiziert er.
Wie wirken sich die Krisen auf das Geschäft der BLG aus?
Sowohl Umsatz als auch Gewinn sind gestiegen. Im vergangenen Jahr konnte die BLG ihren Umsatz um 6,5 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro steigern. Dieser setzt sich aus den Geschäftsbereichen Automobile und Kontraktlogistik zusammen, also der Lagerhaltung für Kunden aus Industrie und Handel. Drittes Standbein der BLG ist der Containerumschlag der Tochtergesellschaft Eurogate, der nicht in die Berechnung des Umsatzes einbezogen wird – wohl aber in die Gewinn- und Verlustrechnung: 55,7 Millionen Euro blieben vor Abzug der Steuern in der BLG-Bilanz übrig, 3,5 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.
Wo kommen die Gewinne her?
Vor allem aus dem Containerumschlag. 80 Millionen Euro überwies die Tochtergesellschaft Eurogate an die BLG – und das, obwohl weniger Container umgeschlagen wurden: An den drei deutschen Terminals Bremerhaven, Hamburg und Wilhelmshaven lag das Minus bei 8,3 Prozent. Dass das Containergeschäft trotzdem mehr Gewinn abwarf, erklärt Eurogate-Chef Michael Blach mit den hohen Einnahmen aus Lagergeldern, die für abgestellte Container im Hafen fällig wurden: Weil Schiffe, Züge und Lkw oftmals nicht fuhren wie geplant oder Container nicht mitkamen, kassierte Eurogate Stellplatzgebühren für die Blechboxen – weit mehr als geplant. "Aber das sind natürlich Sondereffekte, die nur temporäre Auswirkungen haben", mahnt Blach – kein solides Geschäftsmodell. Mittlerweile hätten sich die Transportketten wieder stabilisiert.
Ist der Automobilumschlag raus aus den roten Zahlen?
Nein. Zwar profitierte die BLG auch hier von Lagergeldern für Autos, die länger als geplant im Hafen herumstanden, und höheren Erlösen für den Transport von Fahrzeugen. Aber das Automobilgeschäft bleibt im Minus: mit 11,6 Millionen Euro. Zwar transportierte, verlud und bearbeitete die BLG mit 4,7 Millionen Fahrzeugen annähernd so viele Autos wie im Vorjahr. Aber vor allem der Autoterminal in Bremerhaven bleibt das "Sorgenkind" von Matthias Magnor, der seit knapp einem halben Jahr für das Automobilgeschäft der BLG zuständig ist. 1,7 Millionen Fahrzeuge wurden dort im vergangenen Jahr umgeschlagen; vor der Corona-Pandemie waren es über zwei Millionen. "Wir müssen davon ausgehen, dass der Absatz von Neufahrzeugen in Deutschland durch Inflation und die Unsicherheiten in der Energieversorgung rückläufig sein wird", prognostiziert Magnor.
Wie will die BLG den Autoumschlag wieder profitabel machen?
Seit Mitte 2022 versucht die BLG, den Autoterminal in Bremerhaven zu "restrukturieren", also so aufzustellen, dass er wieder Gewinne abwirft. In einem "Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag", der für zwei Jahre gilt, verzichten die Beschäftigten zurzeit auf Teile ihres Lohnes. Außerdem will Auto-Vorstand Magnor die Abläufe auf dem Terminal verbessern: Statt 90.000 Fahrzeuge sollen dort künftig nur noch 70.000 stehen, um den Verkehrsfluss zu erleichtern. Eine zusätzliche Fläche auf einem ehemaligen Werftgelände im Kaiserhafen soll dem profitablen Geschäft mit großen Maschinen – zum Beispiel Baufahrzeugen und Mähdreschern – zugute kommen.
Wie sieht es im laufenden Jahr aus?
Der Containerumschlag ist in Bremerhaven zu Jahresbeginn eingebrochen, um 20 Prozent. "Die Lieferketten normalisieren sich, der Wettbewerb wird wieder deutlich sichtbar", räumt Container-Chef Blach ein – und da hatten Rotterdam und Antwerpen zuletzt meist die Nase vorn. Für das zweite Halbjahr rechnet er wieder mit steigenden Mengen an der Stromkaje, der Umschlag werde jedoch unter dem des – auch schon schwachen – Vorjahres bleiben. Für BLG-Chef Dreeke ist nach dem "Multi-Krisen-Jahr" 2022 klar: "Die einzige Krise, die wir in diesem Jahr nicht mehr haben, ist Covid." Ansonsten lautet seine Prognose: "Die schwierigen wirtschaftlichen Umstände werden sich auch 2023 nicht groß verändern."