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Vernetzte Metropolen „Bürger einer Smart City haben mehr Zeit und Platz“

Arzttermine vereinbaren, Parkplätze suchen, Behördengänge erledigen - in digital vernetzten Städten lässt sich vieles per Handy erledigen. Der Ökonom Henning Vöpel über Chancen und Risiken des Trends.
29.11.2017, 06:00 Uhr
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„Bürger einer Smart City haben mehr Zeit und Platz“
Von Stefan Lakeband

Herr Vöpel, wie weit ist Bremen auf dem Weg zur „Smart City“ schon gekommen?

Henning Vöpel: Momentan können nur die wenigsten Städte als smart bezeichnet werden. Bremen gehört noch nicht dazu. Smart wäre es jetzt, eine Strategie zu entwerfen, wie die Stadt zur Smart City transformiert werden kann. Denn dieser Begriff bezeichnet weniger ein Ergebnis als einen Prozess.

Was zeichnet eine Smart City aus?

Smart meint, dass durch die neuen technologischen Möglichkeiten in der Stadt sehr viele Daten erhoben und vernetzt werden können, wodurch intelligente Lösungen möglich werden. Fast jeder läuft mit einem Smartphone herum. Diese Daten lassen sich nutzen, um beispielsweise den Verkehr in einer Stadt neu zu organisieren. Etwa können Informationen über freie Parkplätze an Autofahrer mobil und in Echtzeit weitergeleitet werden. In einer Smart City haben die Bürger so im besten Fall mehr Zeit und Platz, kurzum: die Lebensqualität steigt.

Wir reden also über einen anderen Begriff für Stadtentwicklung?

Es ist vor allem eine neue Qualität von Entwicklung. Es geht nicht mehr nur darum, eine neue Straße oder ein neues Krankenhaus zu bauen, sondern Prozesse effizienter zu gestalten. Dafür muss die Infrastruktur aber vernetzt werden. Krankenhäuser müssen digitalisiert werden, Schulen, Verwaltung, Verkehr und Einzelhandel. Das ist eine große Aufgabe für Städte.

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Gibt es Projekte, die besonders wichtig sind?

Häufig fängt es mit der Mobilität an, da sie ein Treiber der Digitalisierung ist und für die Städte eine entscheidende Rolle spielt. Im Verkehr geht es ohnehin darum, Menschen zu verbinden. In der Smart City kann das bedeuten, dass wir uns kein Ticket für die U-Bahn mehr kaufen müssen, weil automatisch über unser Smartphone abgerechnet wird. Oder aber das Handy teilt dem Arzt mit, wie lange wir noch brauchen, bis wir in seiner Praxis eintreffen. Oder Pakete werden uns auf dem Heimweg punkt- und zeitgenau zugestellt.

Wird dadurch auch das Zusammenleben in einer Stadt besser?

Potentiell ja, aber nicht notwendigerweise. Smart Cities sind eine Chance für eine partizipative Stadtgesellschaft. Wir beobachten aber, dass die Einkommensunterschiede in Städten zunehmen und damit auch die Fragmentierung der Gesellschaft. Im schlechtesten Fall wird dieser Trend durch die Digitalisierung verstärkt, weil einige abgehängt werden, während für andere die Lebensqualität steigt. Das Herz einer Stadt ist nicht allein mit technologischen Entwicklungen abbildbar. Da muss die Politik mit gestalten.

Smart Cities funktionieren über Daten. Gerade in Deutschland sind viele Menschen aber sehr skeptisch, wenn es darum geht, Informationen über sich preiszugeben.

In der Tat könnte das zu einem Problem werden. Bürger sind zurecht vorsichtig und auch der Gesetzgeber macht Vorgaben. Geben Menschen nicht ihr Einverständnis, dass ihre Daten genutzt werden, ist der smarte Austausch von Daten erheblich eingeschränkt. Wir brauchen daher den Digitalen Bürger, der seine Daten zur Verfügung stellt und gleichzeitig vor Missbrauch geschützt ist – andernfalls scheitert die Smart City.

Gibt es Städte, die Vorbild für Bremen sein können?

In Europa gibt es einige Städte, die das Konzept stringenter verfolgen, Amsterdam oder Kopenhagen beispielsweise. Sie setzen urbane Mobilitätskonzepte sehr gut um. Auch ein Land wie Estland ist ein gutes Beispiel. Hier ist die öffentliche Verwaltung sehr stark digitalisiert. Was alle diese Orte eint: Sie haben eine Strategie. Es wäre falsch zu glauben, dass dezentrale Projekte, die es oft in Städten gibt, zum Erfolg führen. Wichtig ist, dass man sie zu einer Gesamtstrategie zusammenführt. Soweit sind die deutschen Städte und auch Bremen noch nicht.

Wer muss den Impuls geben? Die Wirtschaft oder die Politik?

Die Politik muss diese Prozesse koordinieren. Für die digitale Transformation von Städten muss aber auch das passende Ökosystem vorhanden sein. Oft sind es junge Menschen, die technologische Innovation in die Stadt holen, die alten ökonomischen Strukturen aufbrechen sowie für einen kulturellen Wandel sorgen. Das ist der Nährboden, auf dem die Innovationen umgesetzt werden können.

Aber gerade in kleineren Städten fehlt dieses Milieu oft.

Das stimmt. Start-ups und Wissenschaft sind nicht an jedem Ort gleich gut ausgeprägt. Bremen hat nach meinem Gefühl aber gute Voraussetzungen, um die Entwicklungen zur Smart City anzustoßen – auch weil es hier große Akteure gibt, die sich mit Mobilität beschäftigen.

Bremen hatte sich schon vor einigen Jahren zusammen mit Malmö um eine EU-Ausschreibung als Smart City beworben, war aber nicht erfolgreich. Finden Sie so eine Zusammenarbeit sinnvoll?

Kooperationen mit Städten wie Malmö sind äußerst Interessant. Malmö ist eine absolute Erfolgsstadt. Auch Lund und Helsinki gehören dazu. Für Bremen lohnt der Blick Richtung Skandinavien, da hier das Ökosystem stimmt. Wenn Bremen von diesen Städten lernen will, ist das sicherlich eine gute Strategie.

Wie viel Zeit brauchen deutsche Städte, um smart zu werden?

Wir ja schon sind mittendrin. Viele Leute gehen beispielsweise nicht mehr stationär einkaufen, wenn sie nicht gleichzeitig Preise online vergleichen können. Das ist eine Folge der Digitalisierung - und eine, die sich nicht zurückdrehen lässt. Jetzt geht es darum, nicht nur das Risiko zu sehen, sondern auch die Chancen.

Nicht jeder ist so technikaffin. Finden sich auch ältere Menschen noch in der Smart City zurecht?

Städtisches Leben besteht natürlich nicht nur aus jungen, hippen Leuten. Smart Cities funktionieren aber nur dann, wenn sich die Angebote an die gesamte Bevölkerung richten. Daher muss es auch für Ältere Angebote geben, aber auch Alternativen in der Übergangszeit. Dazu gehört etwa, dass man weiterhin auch mit Münzen und Scheinen zahlen kann und nicht nur bargeldlos mit seinem Handy.

Wenn die Städte smarter werden - werden ländliche Regionen dann weiter abgehängt?

Darauf gibt es noch keine eindeutige Antwort. Einerseits haben Städte einen riesigen Zulauf – auch weil sie durch Digitalisierung interessanter werden. Andererseits ist die Smart City auch die Chance zur Dezentralisierung. Ich muss womöglich gar nicht mehr in der Stadt leben, um gut shoppen zu können, Informationen zu bekommen oder zu arbeiten. Das kann ich eigentlich auch auf dem Dorf machen. So wie sich Smart Cities auf den Weg machen, können und müssen sich auch ländliche Regionen zu smart angebundenen Räumen wandeln.

Das Gespräch führte Stefan Lakeband.

Zur Person:

Henning Vöpel leitet seit 2014 das Hamburgische Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Am Mittwoch ist er zu Gast in Bremen bei einer Podiumsdiskussion zur Frage, wie digital vernetzt die Hansestadt schon ist – und noch werden kann.

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