Mini-Motorräder aus Holz, Vogelhäuschen in Wohnwagen-Optik oder die "Knasteria Tomaten-Salsa": Das alles gibt es im Online-Shop der Justizvollzugsanstalt Bremen zu kaufen, "handgemacht von bösen Buben", wie die Aufschrift auf der Soße verrät. Die Strafgefangenen der JVA sind zur Arbeit verpflichtet und fertigen die Artikel selbst an. Dafür kriegen sie jedoch meist nur einen Bruchteil von dem, was draußen durchschnittlich bezahlt wird. Das mache es unnötig schwer, sich wieder ein normales Leben aufzubauen, kritisieren Fachleute. Seit Mittwoch nimmt sich das Bundesverfassungsgericht dieses Problems an.
Wer klagt?
Zwei Betroffene aus Bayern und Nordrhein-Westfalen. Ein dritter Mann aus Sachsen-Anhalt hat seine Verfassungsbeschwerde kurzfristig zurückgenommen. Die beiden verbliebenen Klagen sind schon seit 2016 und 2017 anhängig. Aus einer der Stellungnahmen, die das Gericht bei Sachverständigen eingeholt hat, geht hervor, dass der bayerische Kläger eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing verbüßte. Dort war er von Ende September bis Anfang November 2015 in der anstaltseigenen Druckerei beschäftigt.
Welchen Arbeiten gehen Gefangene nach?
In den meisten Bundesländern – auch in Bremen und Niedersachsen – gilt für Strafgefangene Arbeitspflicht. "Die Zuweisung von Arbeit dient dazu, die Gefangenen an ein strukturiertes Arbeitsleben heranzuführen" heißt es etwa in Paragraf 22 des Bremischen Strafvollzugsgesetzes. Generell gilt, dass ein Teil in Eigenbetrieben arbeitet, ein anderer Teil für externe Unternehmen. Eine dritte Gruppe übernimmt Aufgaben in der JVA und hält das Gebäude sauber, wäscht Wäsche oder hilft in der Küche.
Wie ist die Bezahlung geregelt?
Alle Länder, so auch Bremen, stützen sich auf eine Bezugsgröße aus dem Vierten Buch des Sozialgesetzbuchs: das durchschnittliche Arbeitsentgelt aller gesetzlich Rentenversicherten. Strafgefangene erhalten davon neun Prozent. Dieser Wert ist seit mehr als zwanzig Jahren unverändert geblieben. Ursprünglich lag er bei nur fünf Prozent – das hatte das Bundesverfassungsgericht 1998 beanstandet. Die neun Prozent wurden 2002 zum ersten und bisher letzten Mal in Karlsruhe überprüft. Mit dem Ergebnis: Der Gesetzgeber habe „die äußerste Grenze einer verfassungsrechtlich zulässigen Bezugsgröße noch gewahrt“.
Was verdienen die Inhaftierten der Bremer JVA?
Die Tätigkeiten sind laut Bremer Justizressort verschiedenen Vergütungsstufen zugeordnet. Demnach beginnt die erste Vergütungsstufe bei 1,57 Euro pro Stunde, die fünfte und letzte Vergütungsstufe endet bei 2,61 Euro pro Stunde.
Was passiert mit dem Geld, das die Inhaftierten verdienen?
Laut Justizressort wird das Geld von Gefangenen nach Herkunft und Verwendungszweck unterschieden sowie unterteilt in Haus-, Überbrückungs- und Eigengeld. Drei Siebtel des verdienten Geldes muss auf das Hausgeld eingezahlt werden. Dieses könne für Einkäufe ausgegeben werden. Die anderen vier Siebtel zählen zum Überbrückungsgeld. Das diene dazu, den Lebensunterhalt der Gefangenen in den ersten vier Wochen nach der Entlassung zu sichern. Die Höhe des Überbrückungsgeldes wird zuvor festgesetzt. Ist der Betrag erreicht, fließt der restliche Teil der Vergütung auf das Eigengeldkonto. Das ist das Geld, das Gefangene bei der Aufnahme in die JVA sowieso schon bei sich haben oder das von Dritten für sie einbezahlt wird.
Warum sind derart niedrige Beträge problematisch?
Gefangene haben oft Schulden, die sich mit so wenig Geld nicht abtragen lassen - Gerichts- und Anwaltskosten haben sich aufgetürmt. Viele Verurteilte müssen eine Geldstrafe zahlen oder Opfern Schmerzensgeld und Schadenersatz. Im Gefängnis können sie Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommen. Verschärft wird die Situation dadurch, dass Gefangene – mit Ausnahme von Freigängern – nicht in die Rentenversicherung einbezogen sind. Eine lange Haft ist kaum zu kompensieren: Selbst wer es schafft, sich nach der Entlassung ein normales Leben aufzubauen, fällt im Alter fast zwangsläufig auf Sozialhilfe-Niveau zurück.
Was sagt die Justizsenatorin zum Verfahren in Karlsruhe?
Arbeit müsse auch hinter Gittern einen Wert haben, teilt das Bremer Justizressort mit. Es verweist jedoch darauf, dass die JVAs über ihre Arbeitsangebote keinen Gewinn erwirtschaften würden und Arbeit hinter Gittern generell ein anderes Ziel habe, nämlich die Resozialisierung der Gefangenen. "Gleichzeitig ist es aber durchaus nachvollziehbar, dass über die Vergütung von Gefangenen diskutiert wird – auch weil diese durch eine Erhöhung beispielsweise in die Lage versetzt werden könnten, die Opfer ihrer Taten zu entschädigen und sozusagen Startgeld für die Zeit nach der Haft anzusparen", so das Justizressort. Zudem könnten die Gefangenen durch gegebenenfalls sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hinter Gittern etwas für ihre Rente tun. Dies würde allerdings einen kompletten Systemwechsel bedeuten. Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) sagt: "Klar ist in jedem Fall: Aus den Justizetats allein dürfte eine deutliche Erhöhung der Vergütung hinter Gittern (ohne Entlastung auf anderer Seite) für kein Bundesland zu stemmen sein.“
Und was gibt es eigentlich im Bremer Knast-Shop?
Den Online-Shop "Soziale Manufakturen" gibt es seit 2017. Seitdem ist laut Justizressort-Sprecher Matthias Koch auch eine leichte, stetige Steigerung der Verkaufszahlen zu verzeichnen – es würde jedoch saisonal mal besser und mal schlechter laufen. Am besten verkaufen würden sich die "Knasteria-Saucen", aber auch die Grills "gehen gut". Rankhilfen für den Garten und Holzartikel seien hingegen "weniger der Renner". Für Justizsenatorin Claudia Schilling sind übrigens die Mango-Chutneys der Favorit.