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EU-Entscheidung Welche Folgen das Aus für Containerreederei-Allianzen für Bremen hat

Drei Reeder-Allianzen teilen sich 80 Prozent des Weltmarkts auf. Diese Lockerungen des EU-Kartellrechts für die Schifffahrt sollen im nächsten Jahr enden. Aus Sicht des Vereins Bremer Spediteure viel zu spät.
13.10.2023, 05:00 Uhr
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Welche Folgen das Aus für Containerreederei-Allianzen für Bremen hat
Von Peter Hanuschke

Auf Augenhöhe verhandeln – das ist zwischen den großen Containerlinienreedereien und den Terminalbetreibern wie Eurogate und HHLA schon seit Jahren nicht mehr gegeben. Die Marktmacht von Maersk, MSC, Hapag-Lloyd und weiteren war und ist im Bereich Containerliniendienst enorm: Drei Reeder-Allianzen teilen sich etwa 80 Prozent des Weltmarkts auf. Solche wie Oligopole agierenden Konsortien, die von Ausnahmen vom EU-Wettbewerbsrecht profitieren, soll es so künftig nicht mehr geben. Lockerungen des Kartellrechts für die Schifffahrt enden im nächsten Jahr. Die EU-Kommission sei zu dem Schluss gelangt, dass eine entsprechende Verordnung den Wettbewerb im Schifffahrtssektor nicht mehr fördere, teilten die Wettbewerbshüter in dieser Woche mit.

Marktpositionen weiter ausgebaut

"Richtig wäre es gewesen, wenn die EU-Kommission schon im Jahr 2020 die Gruppenfreistellungsverordnung für die Linienschifffahrt hätte auslaufen lassen", sagte Robert Völkl, Geschäftsführer vom Verein Bremer Spediteure. "Stattdessen hatte Sie die Verordnung noch einmal um vier Jahre verlängert – vier Jahre, in denen die großen Containerlinienreedereien ihre Marktpositionen noch weiter ausbauen konnten." Die künstliche Verknappung des Schiffsraums und die exorbitant hohen Seefrachtraten während und nach der Corona-Zeit hätte es ohne die Freistellungsverordnung nicht in diesem Ausmaß gegeben. "Dies hat der verladenen Wirtschaft, den Importeuren und letztendlich den Verbrauchern sehr geschadet."

Die Ausnahmeregelung gab es seit 2009 und wurde seit der Finanzkrise regelmäßig um vier Jahre verlängert. Absprachen können aber weiter rechtskonform sein, wenn dadurch etwa der technische oder wirtschaftliche Fortschritt gefördert wird, ohne dass der Wettbewerb ausgeschaltet wird, wie die Kommission mitteilte. Was das genau bedeutet, blieb unklar. Unternehmen müssten nun prüfen, ob ihre Kooperationsvereinbarungen weiterhin mit EU-Recht vereinbar seien. Mit Spannung werde derzeit auf die USA geschaut, wo die Federal Maritime Commission nun ihren Rückschluss aus der Entscheidung in Brüssel ziehen werde, berichtete der "Tägliche Hafenbericht".

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Seit 2015 sei die Zahl der eigenständigen Containerlinien-Reedereien durch Übernahmen und Insolvenzen von 21 auf elf zurückgegangen, hatte HHLA-Chefin Angela Titzrath bereits im Sommer 2020 gesagt. „Diese wiederum haben sich im Wesentlichen in drei Allianzen zusammengeschlossen. Durch diese starke Konzentration verfügen unsere Kunden über eine große Marktmacht, die sie in Verhandlungen mit Terminalbetreibern um Mengen und Preise einsetzen.“ Titzrath hatte diese Aussagen im Zusammenhang einer möglichen Kooperation zwischen Eurogate und HHLA getätigt. Es fanden danach über Monate weitere Gespräche zwischen beiden Terminalbetreibern ohne Ergebnis statt, beide Seiten haben eine mögliche Kooperation auf Eis gelegt. Wobei eines der damaligen Argumente der HHLA-Chefin an Aktualität nichts verloren hat: Angesichts des sich verschärfenden Wettbewerbs zwischen den Häfen der Nord-Range erhalte die Frage nach der Bündelung von Kräften neue Aktualität, sagte Titzrath. 

Ungleichgewicht zum Nachteil von Wirtschaft und Verbrauchern

„Es ist zu begrüßen, dass die kartellrechtlichen Sonderregeln für die Konsortien der Linienschifffahrt gekippt werden", sagte Daniel Hosseus, Hauptgeschäftsführer des ZDS, zur aktuellen Entwicklung. Der ZDS repräsentiert neben den Branchengrößen Eurogate und HHLA etwa 155 am Seegüterumschlag beteiligte Hafenbetriebe in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Mit der EU-Entscheidung ende aber nicht die Zeit der großen Reederei-Allianzen, die sich mit mehr als 30 Prozent Marktanteil in vielen Fahrtgebieten seit langem außerhalb des heute gekippten Rechtsrahmens bewegten. "Die Europäische Kommission sollte dem Marktgebaren großer Allianzen klare Grenzen setzen und geltendes Recht konsequent durchsetzen." Die Ballung von Markt- und Verhandlungsmacht von Allianzen gegenüber den Häfen und anderen Logistikdienstleistern werde also größtenteils bestehen bleiben. "Ein solches Ungleichgewicht wirkt zum Nachteil von Wirtschaft und Verbrauchern und kann politisch nicht gewünscht sein“, so Hosseus weiter.

"Ursprünglich sollten Konsortien durch eine effizientere Nutzung von Schiffskapazitäten für eine Erhöhung der Produktivität und eine Verbesserung der Servicequalität sorgen", erklärte Axel Plaß, Präsident vom DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, der 16 regionale Landesverbände wie den Verein Bremer Spediteure repräsentiert. Hiervon hätten eigentlich europäische Reedereikunden und Verbraucher profitieren sollen. „Die marktbeherrschende Stellung der drei weltweit größten Seeschifffahrtsallianzen hat die ursprüngliche Zielsetzung der Gruppenfreistellungsverordnung aber längst ins Gegenteil verkehrt“, sagte Plaß. Gepaart mit beihilferechtlich zulässigen Steuervorteilen sowie allianzübergreifenden Verflechtungen der Reedereien habe dies zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen vor allem für mittelständische Speditionsunternehmen und deren Kunden geführt.

Eine Entscheidung, die Jahre zu spät kommt

„Selbstverständlich muss die europäische maritime Wirtschaft im globalen Wettbewerb bestehen können und deshalb gestärkt werden", sagte der DSLV-Präsident. Die meisten Container-Linienreedereien seien aber längst keine klassischen Schifffahrtsunternehmen mehr, die mit reinen Schiffstransporten von Hafen zu Hafen ihr Geld verdienten. "Als global agierende und finanzstarke Großkonzerne erbringen sie integrierte Dienstleistungen entlang der gesamten Lieferkette." Dadurch seien sie in die Märkte der Logistikbranche eingedrungen, mit deren Unternehmen sie heute im direkten Wettbewerb stünden, so Plaß. „Die Entscheidung der Kommission, auf die der DSLV und sein europäischer Dachverband CLECAT fortlaufend gedrängt haben, ist deshalb richtig – allerdings kommt sie Jahre zu spät.“

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