Ein bisschen gruselig sind die leeren Flure in der alten Prof.-Hess-Kinderklinik an der Bismarckstraße schon. Statt kreativer Betriebsamkeit herrscht gähnende Leere in den ehemaligen Patienten- und Behandlungszimmern. Zwei neue Wandmalereien im Foyer verraten allerdings schon, dass sich das demnächst ändern wird. Hachem Gharbi und Marc Fucke von der Organisation Visionskultur wollen in den Räumen des leer stehenden Krankenhauses im Rahmen ihres Creative Hub Synergien zwischen Projekten aus Kunst, Kultur, Wissenschaft, Handwerk und IT entstehen lassen.
Fucke und Gharbi sehen eine positive Entwicklung ihres Creative Hubs seit ihrer ersten Station im alten Bundeswehrhochhaus im vergangenen Jahr. "Wir hatten eine super Resonanz", stellt Hachem Gharbi fest. Durch eine stetig wachsende Anzahl an Bewerbungen zähle die Projektgemeinschaft Visionskultur nun 160 Mitglieder. "Wir haben damit einen Nerv der Zeit getroffen", sagt Gharbi. "Wir haben an der Resonanz gemerkt, dass es sehr viele Menschen gibt, die so einen Einstieg brauchen, wo sie sich mit geringem Risiko erst einmal ausprobieren können", ergänzt Marc Fucke. Die Unterbringung im Hochhaus war allerdings nur eine Zwischennutzung. Ein Jahr hätten die beiden Zeit gehabt, dort Projekten Anschub zu geben, erklärt Fucke. Dieselbe Zeit hätten sie jetzt auch in der ehemaligen Kinderklinik, bevor die Gewoba das Gebäude in Wohnungen umwandelt.
Nach Themen geordnet
Das alte Kinderkrankenhaus an der Bismarckstraße ist für das Creative Hub eine Möglichkeit, weiter zu wachsen. Während sie im Bundeswehrhochhaus "nur" 2000 Quadratmeter von der Gewoba zur Verfügung gestellt bekommen haben, sind es nun 8000 Quadratmeter, die Fucke und Gharbi mietfrei an die Projekte und Start-Ups vermitteln können. Alle könnten sich auf die Flächen bewerben, auch Projekte, die noch nicht Mitglied bei Visionskultur sind, erklärt Fucke: "Wir versuchen so viele Projekte unterzubringen, wie wir können." Sie würden dann nach "Themen-Clustern" geordnet in dem Gebäude untergebracht, sagt Fucke. Neben den Räumen biete das Netzwerk Visionskultur auch Unterstützung beim Marketing, Fördermittelbeschaffung, sagt Gharbi. Auch Seminarräume und Werkstätten würden gestellt.
Corona spiele auch bei ihnen und ihren Projekten eine Rolle, sagen die beiden Projektunterstützer. Veranstaltungen für die Vernetzung der Projekte im Hub mit Kooperationspartnern hätten nur im begrenzten Rahmen und online stattfinden können, berichtet Gharbi. Zwar hätten es nicht alle durch die Pandemie geschafft, bei den meisten sieht Gharbi ein starkes Durchhaltevermögen. "Wenige Projekte haben ganz aufgehört." Die Projekte aus der Visionskultur-Gemeinschaft seien durch Corona nicht existenzgefährdet, weil sie keine Miete hätten zahlen müssen, sagt Fucke. Die Entwicklung der Projekte hätte aber trotzdem gelitten.
In Zukunft wollen die beiden wieder Veranstaltungen entlang ihrer insgesamt sieben "Themen-Cluster" anbieten. Als Erstes ist für den 23. Oktober der "Creative Day" geplant, an dem sich Start-Ups aus den Bereichen Kunst und Kultur oder Mode im alten Kinderkrankenhaus präsentieren und vernetzen können. Der Tag sei gleichzeitig die offizielle Eröffnung des Creative Hub in der Kinderklinik, ergänzt Fucke. Ziel ihres Creative Hub sei es, einen Transferraum für die Vernetzung der Teilnehmer zu schaffen, "wo Menschen sich spontan begegnen, aber wo auch gezielte Schnittstellen geschaffen werden", erklärt Fucke. Hierzu könne man auf Kooperationspartner aus dem Sozial- und Kultursektor, aber auch aus Handwerk und Wissenschaft zurückgreifen. "Wir vermitteln Projekte gezielt weiter, wenn wir denken, dass es ihnen hilft", sagt Fucke.
Fucke und Gharbi stellen drei Kriterien an die Projekte, die sich bei ihnen bewerben und denen sie helfen wollen: Entwicklungspotenzial, Innovationspotenzial und Kreativitätspotenzial. Sie gingen jede Bewerbung einzeln durch und entscheiden dann mit ihrem Team, welches Projekt im alten Krankenhaus einziehen darf, sagen sie. Die Größe der bisherigen Projekte in der Gemeinschaft von Visionskultur variiere von Ein-Mann-Unternehmen in der Findungsphase bis hin zu Projekten mit bis zu zehn Mitarbeitern, die nur noch einen letzten Schubs in Richtung Selbstständigkeit bräuchten, erklärt Gharbi.