Auf den ersten Blick steht der Klotz dort wie immer. Das markante Hochhaus in der Falkenstraße ragt unverändert in den Himmel der Bahnhofsvorstadt. Am Eingang klebt in schwarzen Lettern eine Ankündigung: „Creative Hub Bremen“. Nanu. Ein Klotz als Zentrum für Innovation? Tatsächlich sind in das alte Bundeswehrhaus neue Bewohner eingezogen: Künstler und Kreative, Sportprojekte und Start-ups wie Anemoi.
In der vierten Etage basteln Julius Pinsker, Tarran Durham und Nick Meyer an einer Lieferdrohne. „Der mögliche Kunde ist wirklich vielfältig“, sagt Durham. Ob nun Pakete mit Medizin oder Botenflüge für Unternehmen – die drei Studenten, allesamt Wirtschaftsingenieure, haben viele Verwendungen im Blick. Die Pizza per Drohne komme auch viel umweltfreundlicher als per Auto. „Und alles ist schneller.“ An einer Art Krake sind Teile einer Drohne bereits arrangiert. Im Januar soll der erste richtige Prototyp fertig sein. Anemoi soll von der Software bis zum Server den Service abdecken. „Wir machen alles“, sagt Pinsker.

Wirtschaft - Start Up Projekt - Start Ups im ehemaligen Bundeswehrhochhaus - Projektleiter Marc Fucke (rechts)
Um die Projekte im Bundeswehrhochhaus kümmern sich Hachem Gharbi und Marc Fucke von der Organisation Visionskultur. Die beiden wollten einen Ort schaffen, um Projekte aller Art zusammen- und dadurch voranzubringen. Nun gibt es auf sieben Etagen Konzepte: Sport, Massage und Yoga, Handwerk oder IT und Entwicklung bei Anemoi. Der Raum des Start-ups bestand einst aus mehreren Büros. Nun sind die Wände eingerissen, zwei weitere Projekte haben Platz.
Dabei rast die Zeit: In der 60 Meter hohen Immobilie war früher das Kreiswehrersatzamt untergebracht, hier fanden die Musterungen der künftigen Wehrdienstleistenden statt. Zeitweise waren hier für den Übergang Geflüchtete untergebracht. 201 kaufte die Gewoba das Haus, um in Zukunft hier Wohnungen anzubieten. Bis das so weit ist, wollen Gharbi und Fucke die unteren Stockwerke auskosten und die Projekte mit Partnern vernetzen. Gewoba und Wirtschaftsressort fördern das Projekt.
Das Interesse an der Zwischennutzung sei groß. Zum Auftakt gingen bei Fucke im Sommer rund 150 Anrufe ein – genau an seinem Geburtstag. Insgesamt sollen hier knapp 80 Projekte einen Platz finden. Im Erdgeschoss gibt es zudem ein neues Café. Hachem Gharbi hat den Plan entworfen, wer mit wem und wo arbeitet. „Viele haben wir versehentlich verkehrt zusammengepackt“, sagt er. Zum Beispiel den Gitarrenbauer zum Lautsprecherhersteller: Zwar arbeiteten beide mit Holz, doch bei einem Projekt sei Staub ein Problem.
Fucke sieht das Projekt auch als Beitrag zur Stadtentwicklung: In einer Studie sei in der Vergangenheit deutlich geworden, dass Bremen keine Schwarmstadt sei – also kein Magnet für junge Menschen. Es fehle unter anderem ein kreatives Zentrum. Um das niedrigschwellig aufzubauen, sei das Hochhaus passend. Zunächst habe man aber überlegt, sagt Gharbi: „Es ist kein kleines Haus. Man fällt damit auf.“
Eine Miete gibt es für die Projekte nicht. Allerdings: Jeder, der ein Büro oder einen Arbeitsplatz bezieht, muss etwas an die Gemeinschaft zurückgeben. Das Projekt Anemoi könnte sich etwa Hilfe beim 3-D-Druck vorstellen. Die Gründer finden den Deal Wissen statt Miete gut: „Das ist ein absolut fairer Preis“, sagt Pinsker. In der Uni habe es keinen Raum gegeben.
„Klima-Karl“ hat ebenfalls eine Idee. Das Projekt gehört auch zu den Bewohnern. „Wir kommen aus der Wissenschaft“, sagt Henrik Hinrichs. Wie Fragebögen aufgesetzt werden, etwa um eine Idee zu testen oder etwas über seine Kunden zu erfahren, das könne man weitergeben. Das Start-up will Mitarbeiter von Unternehmen einen Anreiz geben, CO2 einzusparen: „Wir bringen Klimaschutz ins Büro.“ Die Mitarbeiter täten sich in Teams zusammen und sparten dann um die Wette. Wer etwas erreicht habe, der teile das „Klima-Karl“ mit – einer Künstlichen Intelligenz. „Er rechnet automatisch die CO-Ersparnis aus und schreibt dem Team Punkte gut.“
Seit September 2019 starten er und seine Mitgründerin voll durch. In einem Jahr soll es ein fertiges Produkt geben. Im Moment sei man noch auf der Suche nach Unternehmen, um einen neuen Piloten zu testen. Für Firmen habe das Programm neben der Ersparnis Vorteile: Viele Studien zeigten, dass Mitarbeiter motivierter seien, wenn ihnen das Thema wichtig sei und sie es bei der Arbeit einbringen könnten. Finanzieren soll sich der „Klima-Karl“ später selbst.
Das Hood-Training von Daniel Magel hat in der Falkenstraße ebenfalls einen Platz gefunden. „Hachem und Marc arbeiten mit mir seit längerer Zeit zusammen“, sagt er. Die Projekte für Jugendliche und Kinder mit dem Motto „Niemals stehen bleiben!“, die Selbstvertrauen und Motivation über Sport und Kultur vermitteln sollen, gibt es über die ganze Stadt verteilt: in Gröpelingen, Tenever, Huchting oder Grohn. Das Team kann sich nun hier treffen und organisieren: „Das ist zentral, deswegen bietet sich das super an.“ Am neuen Sitz sei auch die Arbeit mit Videos und Musik denkbar: „Alles, was geht!“ Wenngleich der Rahmen locker sei. „Was die Leistung angeht, nerven wir gerne, um die Projekte zu pushen“, sagt Gharbi. „Wir haben ein Jahr Zeit.“
Am Freitag lädt das Projekt alle Interessierten zur Eröffnung ein. Das Programm beginnt um 13 Uhr. Im Café gibt es zugleich eine Ausstellung.