Frau Schmidt, Krieg in der Ukraine – wie schaut ein Unternehmen darauf, das unter anderem Rüstung produziert?
Daniela Schmidt: Wir sind schockiert über das, was in der Ukraine passiert. Da geht es uns wie den meisten anderen. Darüber hinaus wollen wir in dieser äußerst sensiblen Phase nicht Stellung nehmen.
Welchen Anteil macht die Rüstung an Ihrer Gesamtproduktion aus, und was genau stellen Sie in dem Bereich her?
Der Anteil liegt bei unter zehn Prozent im Gesamtkonzern. Auftraggeber sind verschiedene Militäreinrichtungen, darunter in erster Linie die Bundeswehr. Für diese Kunden entwickelt und baut OHB Aufklärungssatelliten.
Neben OHB gibt es in Bremen mit Atlas, Airbus Defence and Space, Rheinmetall und Lürssen Rüstungsproduzenten von noch ganz anderem Kaliber. Wie erklären Sie sich, dass gerade OHB so sehr in den Fokus von Linksextremisten gerückt ist? In der Silvesternacht gab es den dritten Brandanschlag gegen Ihr Unternehmen.
Gewalt lässt sich nie rechtfertigen, egal, gegen wen sie sich richtet. Das Unverständnis wäre also so oder so da, noch einmal mehr aber in Bezug auf OHB. Wir sind ein Raumfahrtunternehmen, unsere Produkte tragen zu Lösungen bei, zum Beispiel im Kampf gegen die Klimakrise.
Haben Sie das möglicherweise nicht hinreichend kommuniziert?
Das fragen wir uns auch. Vielleicht muss man da nachschärfen.
Sie sind seit dem 1. Januar im Vorstand und unter anderem für die Sicherheit in Ihrem Unternehmen zuständig. Das war ein sehr abrupter Start.
Ja, kann man sagen. Am Neujahrstag haben wir einen Krisenstab eingerichtet, mit mir als Vorsitzender. Seitdem ist das Sicherheitskonzept noch einmal überarbeitet worden. Wir müssen uns leider davon verabschieden, teilweise ein Open Campus zu sein. Die Hauptgebäude sind bereits seit einigen Jahren besonders gesichert, das wird jetzt auch mit den restlichen Häusern passieren.
Heißt?
Zäune und verschärfte Kontrollen an den Eingängen. Das wird noch in diesem Jahr geschehen. Wir hoffen, dass uns die Stadt entgegenkommt und schnell für die erforderlichen Genehmigungen sorgt.
Nach dem Anschlag haben Sie vom Bremer Senat viel politischen Zuspruch bekommen. Fühlen Sie sich auch von den Sicherheitsbehörden unterstützt?
Wir sind auf allen Ebenen im Dialog. Es gibt eine Sonderkommission der Polizei, außerdem hat sich Polizeipräsident Dirk Fasse persönlich eingeschaltet.
Bisher ohne Erfolg. Die Täter sind nicht gefasst. Innensenator Ulrich Mäurer spricht davon, dass Bremen "an den Grenzen zur terroristischen Entwicklung" sei. Haben Sie Kontakt zum Bundeskriminalamt?
Wir sind im Austausch mit allen Sicherheitsbehörden. Und klar, es wäre schön, wenn es Ermittlungsergebnisse gäbe. Wenn die Hintergründe, möglicherweise sogar die Verantwortlichen, bekannt wären, könnten wir ein Stück weit damit abschließen und die Verunsicherung in der Belegschaft nach dem Anschlag noch besser auffangen als bisher schon.
Kommen wir zu Ihnen persönlich. Sie haben mit der Berufung in den Vorstand von OHB einen raketengleichen Aufstieg hingelegt. Und das in einer Branche, die sehr von Männern dominiert wird.
Ich gebe zu, gerechnet habe ich mit der Position nicht. Es freut mich, in relativ jungen Jahren an so entscheidender Stelle mitwirken zu können, und sehe das als Wertschätzung meiner Arbeit. Dabei hatte ich nie das Gefühl, dass mein Geschlecht eine besondere Rolle spielt. Auch wenn es natürlich schon so ist, wie Sie sagen – Frauen sind in der Raumfahrtbranche in der Minderheit.
Wie sieht's bei OHB aus?
Da liegt der Anteil bei rund 20 Prozent. Im fünfköpfigen Vorstand von OHB SE, der Holding des Unternehmens, bin ich die einzige Frau.
Gretchenfrage: Sind Sie für eine Quote?
Ja, grundsätzlich bin ich für die Quote, aber nicht, um selbst Nutznießerin zu sein, das wäre ja auch gar nicht mehr nötig. Ich finde nur wichtig, relativ schnell einen gewissen Status zu erreichen – mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Wissen Sie, als jetzt bei der Sicherheitskonferenz in München dieses Bild veröffentlicht wurde . . .
. . . ja, das sprach Bände: ein Essen von mehr als 30 Chefs großer Wirtschaftsunternehmen. Ausnahmslos Männer.
Bei dem Anblick habe ich mich in die 1980er Jahre zurückversetzt gefühlt. So eine Zusammensetzung ist alles andere als zeitgemäß. Wir brauchen deutlich mehr Vielfalt, auch auf den Führungsebenen.
Was tut OHB dafür, außer dass jetzt eine Frau im Vorstand sitzt?
Erstens ist das ja schon mal was. Und zweitens gibt es in unserem Unternehmen, das mit Christa Fuchs übrigens eine Frau als Gründerin hatte, Rahmenbedingungen, die meinen Aufstieg möglich machten. Als Mutter von zwei kleinen Kindern könnte ich die Aufgabe bei OHB nicht ausfüllen, wenn keine Rücksicht auf die Bedürfnisse von Familien genommen würde.