Es ist 1936, die Nationalsozialisten sind seit drei Jahren an der Macht. Drei Jahre zu viel, findet Heinrich Gerkmann. Der überzeugte Katholik aus dem nordrhein-westfälischen Ennigerloh beschließt auszuwandern. Von Bremen per Schiff in die Vereinigten Staaten. Doch dann passiert etwas, das er nicht vorhergesehen hat: Gerkmann verliebt sich. Während er in Bremen auf seinen Dampfer wartet, lernt er Margareta Gutjahr kennen. Gerkmann verwirft seinen Plan und bleibt, die beiden werden ein Paar. Im November 1937 eröffnen sie den Friseursalon Gerkmann.
Mehr als 80 Jahre sind seitdem vergangen, doch das Geschäft gibt es immer noch. Inzwischen leitet es Manuela Exner, Gerkmanns Enkelin. Damit ist der Friseursalon Gerkmann der älteste Bremens, der immer noch in Familienhand ist.
Nachdem das Geschäft in den ersten Jahren seinen Sitz in der Altstadt hatte, befindet es sich heute nach mehreren Umzügen in der Nähe der Sielwallkreuzung. Aber auch andere Dinge haben sich geändert: „Zu Zeiten meines Großvaters mussten die Kunden hin und wieder noch ihre eigenen Kohlen mitbringen, um warmes Wasser zum Haarewaschen zu bekommen“, erzählt Exner. Sie hat ihre Großeltern als sehr liebevoll in Erinnerung. Die beiden hätten in einer vorbildlichen Ehe gelebt und ein offenes Haus für alle geführt, sagt Exner. Sie übernahm den Salon Anfang des vergangenen Jahres von ihrem Onkel, Clemens Gerkmann, der ihn seit 1973 zusammen mit seiner Frau geleitet hatte. Dabei hatte es vor allem in den Anfangsjahren nicht danach ausgesehen, als würde sich das Geschäft so lange halten. Dass es dennoch dazu kam, ist vor allem dem starken Willen seiner Gründer zu verdanken.
Ehepaar funktioniert Wohnung zum Friseursalon um
Denn die vielen Luftangriffe auf Bremen im Zweiten Weltkrieg verschonten auch das Ehepaar Gerkmann nicht. Mehrfach wurden die Geschäftsräume ausgebombt. Beim zweiten Mal sogar während der Wiedereröffnung. Alles, was die Bomben verschont hatten, retteten die Gerkmanns. Sie ließen sich den Glauben nicht nehmen, dass ihr Geschäft eine Zukunft hat. Zwischenzeitlich wurde sogar die eigene Wohnung zum Friseursalon umfunktioniert, den Kunden wurden damals die Haare in der Küche geschnitten. Die Besetzung Bremens durch US-amerikanische Truppen war wiederum ein Segen für das Geschäft, das Heinrich Gerkmann in Sichtweite der heutigen Filiale wiedereröffnete. Denn bevor er nach Bremen gekommen war, hatte Gerkmann in Paris und in der Schweiz gelebt, wo er Englisch und Französisch gelernt hatte.
Seine Fremdsprachenkenntnisse machten ihn unter den Besatzern ebenso bekannt wie beliebt. Sie wurden Stammkunden seines neuen Salons. „Darunter sollen einige ganz feiner Leute gewesen sein, hat mir meine Großmutter erzählt“, sagt Exner. „Damals war mein Großvater so etwas wie der Udo Walz von Bremen.“
Die Geschäfte liefen sogar so gut, dass die Gerkmanns expandierten: Kurz bevor Heinrich Gerkmann die Leitung seinem Sohn übergab, eröffneten sie in Schwachhausen eine Zweigstelle. Und auch in der Neuen Vahr gibt es seit 54 Jahren einen Salon, den ein weiterer Gerkmann-Sohn leitet.
Salon hat wenig Laufkundschaft
Ein weiteres Standbein des Erfolgs war die Einführung von Pflegeprodukten des Beautyunternehmens "La Biosthétique" zu Beginn der 1950er-Jahre. Die Idee dahinter: Ein Besuch beim Friseur soll mehr bieten als nur das Haareschneiden. Auch das allgemeine Wohlbefinden des Kunden gehört dazu. Dementsprechend sollte zwar das Haar im Vordergrund stehen, aber auch Kosmetik und Massagen miteinbeziehen. Diese Philosophie war damals neu und Gerkmann der erste Bremer Friseur, der sie und die dazugehörigen Produkte übernahm. Seine Enkelin Exner hält die Verbindung zu dem französischen Unternehmen aufrecht: "Wir versuchen die Kunden zu verwöhnen und neben den Haaren auch andere Bedürfnisse abzudecken", sagt Exner, die ebenso wie ihre fünf Mitarbeiterinnen regelmäßig an Fortbildungen von "La Biosthétique" teilnimmt.
Sich für die Kunden Zeit zu nehmen, sieht sie als Selbstverständlichkeit an. Dass bei einigen Friseurläden inzwischen Wartenummern wie auf dem Amt oder beim Schlachter verwendet werden, findet sie fürchterlich. "So etwas wird es bei uns nicht geben", sagt sie. Obwohl es inzwischen im Umkreis ihres Geschäfts von einem Kilometer rund 35 sogenannte "Cut and go"-Friseure gibt, hält Exner an ihrem Konzept fest.
Dadurch gebe es zwar weniger Laufkundschaft als früher, sagt sie. Doch die Stammkunden wüssten, dass es im Salon Gerkmann nicht darum gehe, dass sie schnell abgearbeitet werden, und fühlten sich dementsprechend wohl bei ihr. "Es braucht einfach eine Weile, sein Kunstwerk zu beenden", sagt Exner.
Friseurin sei früher nicht einmal ihr Traumberuf gewesen. Schließlich kam sie mehr nach ihrem Vater, der als einziger der drei Gerkmann-Söhne beruflich nichts mit Harren zu tun hat, sondern Außenhandelskaufmann wurde. Auch ein Praktikum bei ihrem Onkel zu Schulzeiten konnte sie nicht für den Job begeistern. Über Umwege kehrte sie dann doch zurück. "Mit Menschen zu arbeiten, gefiel mir besser als ein Job im Büro", sagt Exner.