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Gastkommentar über den Ausbildungsmarkt Die Appelle an die Wirtschaft sind verpufft

Appelle an die Wirtschaft sind verpufft. Es braucht, wie im Koalitionsvertrag beschrieben, „eine landesrechtliche Regelung für einen umlagefinanzierten Ausbildungsfonds“, meint Gastautor Hans-Wolfram Stein.
28.12.2019, 07:00 Uhr
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Von Hans-Wolfram Stein

Sechs Monate verspätet hat die „Bremer Vereinbarung“ von Wirtschaft und Politik die Daten zum Ausbildungsmarkt 2018 vorgelegt. Ergebnis: sinkende Ausbildungszahlen. 2019 gab es noch weniger Lehrverträge, minus 1,4 Prozent. Woran liegt das? Zu wenig Ausbildungsplätze oder zu wenig ausbildungsinteressierte Jugendliche? Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) führt dazu zwei Statistiken zusammen: die der Arbeitsagentur (gemeldete Stellen und Bewerber) und die der Kammern (Ausbildungsverträge).

Statt auf eigene Faust zu suchen, haben 2019 mehr Betriebe ihre Stellen der Arbeitsagentur gemeldet: fast 5600, ein Plus von 15 Prozent. Das war erfolgreich, weil nur drei Prozent unbesetzt blieben. Sieben Prozent der Lehrverträge wurden an der Arbeitsagentur vorbei geschlossen – statt 23 Prozent im letzten Jahr. Trotzdem ist die Zahl der Lehrverträge rückläufig. Auch wenn es partiell zutreffen mag, ist aus den Zahlen des BiBB ein allgemeines Arbeitgeberproblem bei Lehrstellen nicht ablesbar. Bei den Ausbildungsinteressierten ist das anders: Das BiBB meldet 8334 Jugendliche für 2019, von denen etwa 6300 Bremer sind (2000 pendeln aus Niedersachsen ein). Nur 1783 Bremer Bewerber starteten in eine Berufsausbildung. Statt einer Erfolgsquote von 97 Prozent bei der Wirtschaft eine 41-prozentige Erfolgsquote für die Jugendlichen. Über 2500 Bewerber haben keine Lehrstelle bekommen. Begründung: “unqualifiziert“.

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Aber: Um den Bewerberstatus zu erhalten, müssen Jugendliche von der Arbeitsagentur als ausbildungsreif erklärt werden. Nur ein Prozent der Bewerber hatte keinen Abschluss, etwa je ein Drittel Haupt- oder Realschulabschluss, 28 Prozent Hochschulreife. Wenn 2500 Bewerber keine Lehrstelle erhielten, haben mindestens 1000 von ihnen Realschulabschluss oder Hochschulreife. Kann sich die Bremer Wirtschaft angesichts des Fachkräftemangels das leisten und immer weniger Lehrverträge abschließen?

Die Frage ist, ob der Senat dem weiter zusehen kann. Laut BiBB münden seit Jahren mindestens 2500 Bremer Bewerber in keine Berufsausbildung ein. Eine Steigerung der Quote von jungen Menschen ohne Berufsausbildung ist die Folge und damit die Vorbereitung einer Hartz IV-Karriere. Wenn für 100 ausbildungsinteressierte Jugendliche aus Bremen nur 63 Lehrstellen zu Verfügung stehen, sind mehr Lehrstellen ein zentrales Erfordernis für die Armutsbekämpfung. Seit 2008 sind Appelle an die Wirtschaft verpufft. Es muss, wie im Koalitionsvertrag beschrieben, „eine landesrechtliche Regelung für einen umlagefinanzierten Ausbildungsfonds“ zustande kommen.

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Unser Gastautor ist pensionierter Lehrer für Politik und Wirtschaft. Er arbeitete an der Bremer Gesamtschule Ost. Außerdem wirkt er in verschiedenen pädagogischen Schulprojekten mit.

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