Herr Strasoldo, die Bremer haben im Jahr 2016 etwa 95 Tafeln Schokolade pro Kopf gegessen. Wie viele waren es bei Ihnen?
Christian Strasoldo: Sonntags gibt es immer bei uns zuhause Feodora-Täfelchen zum Tatort. Da gilt: Je weniger nach dem Krimi in der Box noch übrig ist, desto spannender war der Film. Seitdem ich bei Hachez bin, hat sich mein Schokoladenkonsum gewaltig gesteigert – zum Ärger meiner Frau. Hier ist die Versuchung groß. Mit dem Nachzählen habe ich in Bremen deshalb lieber aufgehört.
Haben Sie sich das eigentlich gut überlegt, zu einem Süßwarenkonzern zu wechseln, wo doch alle nur noch von Healthy Living reden und gesunde Ernährung, wenig Kalorien, kein Zucker, für manche eine Ersatzreligion sind?
Es gibt diesen großen Gesundheitstrend. Daneben gibt es aber noch eine weitere Entwicklung, es ist die Lust, sich selbst zu verwöhnen als Ausgleich zum stressigen Alltag. Und da spielt Schokolade eine große Rolle. Das ist die kleine Sünde, bei der man auch Wert auf Qualität legt. Deswegen hat Schokolade auch weiterhin viel Potenzial.
Potenzial, das Sie nun auch mit Instagram wecken wollen. Seit ein paar Tagen ist Hachez dort mit Hochglanzbildern vertreten, außerdem gibt jetzt einen englischen Marken-Slogan. Brauchte Hachez dringend einen frischen Anstrich?
Marken müssen immer weiterentwickelt werden, sonst verlieren sie an Reiz. Hachez und Feodora sind etwas in die Jahre gekommen. Mit der neuen Produktlinie wollen wir moderner werden und zweistellig wachsen.
Wen wollen Sie damit erreichen?
Bislang haben wir bei Hachez vor allem Käuferschichten zwischen 40 und 60 Jahren angesprochen. In Zukunft möchten wir auch jüngere Zielgruppen begeistern. Bei Feodora wollen wir weg von der Erinnerung an die Mitbringsel von der lieben alten Tante hin zur begeisterten Empfehlung durch die junge Freundin. Gleichzeitig wollen wir auch für unsere bisherigen Käufer die Attraktivität unserer Marken steigern.
Und wie soll das gelingen?
Hachez bleibt hanseatisch, schlicht, ernsthaft. Die Marke hat tendenziell etwas Männliches. Feodora hingegen ist fein und weiblich.
Macht es im Jahr 2018 noch ernsthaft Sinn, seine Marken nach irgendwelchen vermeintlichen Geschlechterbildern auszurichten? Ist das nicht ein bisschen überholt?
Das ist bei Feodora in der DNA verankert. Die Marke wurde nach einer Prinzessin benannt. Das ist der Ursprung, und da macht es wenig Sinn, sich komplett davon zu verabschieden.
Und abseits dieser Geschlechtersache: Wo genau verlaufen die Trennlinien zwischen den beiden Marken?
Bei Feodora liegt der Schwerpunkt sehr stark auf der ikonischen sechseckigen Box mit den einzeln verpackten Täfelchen. Bei Hachez steht die Tafel im Vordergrund, und das Chocolatier-Handwerk wird stärker betont. Es ist wichtig, dass die beiden Marken unterschiedliche Lebensgefühle transportieren.
Reicht nicht einfach eine leckere Schokolade?
Die reine Qualität genügt nicht. Verpackung und Optik sind natürlich wichtig. Schokolade ist ein Impulsgeschäft. Es geht um die spontane Lust, nicht um die rationale Entscheidung des Kunden. Ohne Lebensgefühl geht es nicht.
Wenn man in den vergangenen Jahren überhaupt von Hachez hörte, ging es oft um Stellenkürzungen. Fehlte dem Konzern zuletzt ein Gesicht in der Öffentlichkeit?
Hasso Nauck (ehemaliger Hachez-Geschäftsführer, Anmerkung der Red.) hat ein großes Erbe hinterlassen. Er war der Schokoladen-Mann und stand wie kein anderer für Hachez. Seine Rolle war einzigartig.
Und wie sehen Sie Ihre Rolle?
Gerade versuche ich, mich in die Feinheiten des Geschäftes einzuarbeiten. Schwerpunkt meiner zukünftigen Aufgaben wird es sein, unsere Marken konstant zu erneuern und zu verjüngen. Wir wollen immer wieder mit neuen Produkten überraschen.
Und das bedeutet?
Wenn der eine oder andere vergessen haben sollte, dass Hachez eine tolle Marke ist, wollen wir ihn mit unseren neuen Produkten jetzt wieder daran erinnern. Dafür müssen wir den Konsumenten folgen.
Wohin?
Wir wollen dort präsent sein, wo unsere Konsumenten einkaufen. Auch in ausgewählten und modernen Supermärkten, etwa bei Edeka und Rewe, bieten wir unsere Sortimente an. Wir wollen flächendeckend in Deutschland vertreten sein.
Das beißt sich nicht mit dem Markenkern von Hachez?
Unsere Schokoladen sind Premium-Produkte. Das leitet sich nicht nur aus dem Einkaufsumfeld ab, sondern auch aus der eigenständigen Markenpersönlichkeit. Die gilt es zu erhalten und konstant zu unterstreichen.
Wie?
Durch die Verwendung von ausgewählten Rohstoffen und durch die konstante Stärkung unseres Markenkerns.
Und wieso setzen Sie dann bislang nicht auf zu hundert Prozent fair gehandelte Schokolade?
Das ist ein interessantes Thema, weil es Glaubwürdigkeit erzeugt. Oft ist die nach außen getragene Nachhaltigkeit nichts mehr als eine Marketingmaßnahme. Das sind wir nicht. Unsere Beschaffungswege sind sehr nachhaltig. Wir müssen damit aber nicht hausieren gehen.
Bleiben wir bei Rohstoffen: Zucker ist nicht nur ziemlich günstig, sondern findet sich in nahezu allen Produkten. Viele sehen darin ein Problem. Die SPD hat nun eine Zuckersteuer ins Gespräch gebracht. Was halten Sie davon?
Das ist eine schlechte Idee. Der Konsument würde seiner Entscheidungsfreiheit beraubt. Wir müssen einen erwachsenen Menschen nicht durch steuerliche Maßnahmen lenken. Zucker ist auf allen Verpackungen ausgewiesen. Wir wollen den mündigen Bürger, also sollten wir ihn auch so agieren lassen.
Haben Sie als Unternehmen da nicht auch eine Verantwortung?
Wir verkaufen auch sehr viele Schokoladen mit geringerem Zuckeranteil. Und es gibt ja auch immer mehr Menschen, die auf Zucker verzichten. Aber gleichzeitig gibt es auch viele Menschen, die nicht auf ein Stück Schokolade verzichten wollen.
Welche Rolle spielt Bremen in der Zukunft von Hachez?
Bremen und Hachez sind stark verwoben. Die Marke hat etwas Norddeutsches und ist nach wie vor einer der großen Namen in Bremen.
Funktioniert das nur zusammen: Bremen und Hachez?
Die Bremer Identität ist wichtig und bildet eine starke regionale Verankerung. Die Aufgabe wird es sein, die Bremer Schokolade in Zukunft auch für Konsumenten in Mainz oder Garmisch attraktiv zu machen.
Wollen Sie dafür in Bremen neue Stellen schaffen?
Aus heutiger Sicht gibt es keine Pläne dafür. Wir sind gut aufgestellt und können die Neuausrichtung auch so stemmen.
Wie viel Gestaltungsspielräume lässt Ihnen der dänische Mutterkonzern Toms dabei?
Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu den dänischen Kollegen. Sie lassen mir Raum für eigene Ideen und die Hierarchien sind flach.
Als Sie bei einem Reishersteller gearbeitet haben, haben Sie die Produktpalette um Nudeln erweitert. Planen Sie auch für Bremen etwas, das über Schokolade und Pralinen hinaus geht?
Toms Group gibt uns Spielraum, unsere lokalen Sortimente aus dem Portfolio der Gruppe zu erweitern. Anton Berg etwa ist eine Marke, bekannt für die kleinen Schokofläschen und dänisches Marzipan, die wir stärker in Deutschland vermarkten wollen. Wir können uns auch vorstellen, Lakritz von Toms zu vertreiben. Ich sehe das so: Im Konzert der großen Spieler haben wir eine eher untergeordnete Rolle. Das wollen wir in Zukunft stärker als Chance sehen. Wir wollen schneller, mutiger und innovativer sein als die Großen.
Das Gespräch führten Nico Schnurr und Stefan Lakeband.
Zur Person:
Christian Strasoldo ist seit Dezember Geschäftsführer von Hachez. Für den 56-Jährigen ist es der erste Job in der Schokoladenbranche. Zuvor war der Marketingprofi in verantwortlichen Positionen für den Friseurscheren-Hersteller United Salon Technologies, Beiersdorf, Colgate Palmolive und die Reisfirma Euryza tätig.