Maximal 600 Watt – so viel Leistung dürfen Balkonkraftwerke in Deutschland derzeit haben. Ab dem kommenden Jahr soll sich das ändern, dann sind 200 Watt mehr erlaubt. So sieht es das Solarpaket vor, das die Bundesregierung zuletzt verabschiedet hat. Damit will der Bund die Energiewende in Bürgerhand unterstützen.
Zwei, die damit Geschäfte machen, sind Merlin Varol und Maurice Hott, beide 30 Jahre alt. Sie kennen sich seit Kindertagen, haben im Oktober 2022 das Start-up My Solar Future gegründet. Wie viele solcher jungen Unternehmen gingen sie zunächst mit einem Onlineshop an den Start. "Nicht nur unsere Freundschaft funktioniert; mit den Balkonkraftwerkenden haben wir auch was gefunden, wo sich unsere beruflichen Kompetenzen bündeln", sagt Varol. Mittlerweile ist das Solarunternehmen Adler Solar als strategischer Partner an Bord. Auf dessen Unternehmensgelände bieten die beiden Gründer den nach eigenen Angaben größten Selbstabholerstandort in Bremen. Ungefähr 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind an ihrem Projekt beteiligt, darunter Angestellte von Adler Solar.
Bevor er das Unternehmen gründete, war Varol viel in Deutschland unterwegs, leitete in den vergangenen siebeneinhalb Jahren diverse Shoppingcenter, zum Beispiel die Waterfront. Er hat sich zunächst mit Immobilienwirtschaft und -management beschäftigt, danach einen Ingenieur im Bereich Energieeffizienz und nachhaltiges Bauen drangehängt. Hott studierte Elektrotechnik in Kiel und war dort zuletzt an der Uni als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Gerade sitzt er nebenher an seiner Doktorarbeit in der Elektrotechnik. An Arbeit mangelt es ihm also nicht, wie er selbst sagt.
Das Geschäft mit den kleinen Solarmodulen ist nachgefragt, was an den steigenden Energiepreisen im Strom-, aber auch im Gassektor liegt. Das hätten die zwei gespürt, als sie Ende 2022 auf Messen unterwegs waren. "Die Haushalte in Deutschland versuchen, an jeder Ecke zu sparen. Balkonkraftwerke helfen, man kann mit wenig Investitionskosten viel bewirken", meint Varol. Die kleinen Solaranlagen zeichneten sich im Vergleich zu größeren Systemen dadurch aus, dass sie sich schneller amortisierten. Bei einer Montage auf einer Garage mit Flachdach sei dabei von sieben bis acht Jahren auszugehen.
Solaranlagen sollen Grundenergiebedarf unterstützen
"Wir sprechen bei einem Balkonkraftwerk oft von einer Unterstützung des Grundenergiebedarfs", erklärt der Geschäftsmann. Dazu zählten alle technischen Geräte, die permanent Strom benötigen, also der Kühlschrank, der Stand-by-Knopf auf dem Fernseher oder der WLAN-Router. Der Grundenergiebedarf sei abhängig von der Haushaltsgröße. Im Durchschnitt bewege er sich zwischen 150 und 300 Watt. "Ausreißer sind die Haushalte, die eine Wärmepumpe haben, vielleicht noch einen Swimmingpool im Garten", so Varol weiter.
Grundsätzlich gilt: Je höher die Wattzahl der Mini-Fotovoltaikanlage, desto größer die Menge an Strom, die ins Netz eingespeist wird. Andere Haushalte, die ihre Energie noch nicht auf ökologische Art und Weise produzieren, profitierten von dieser Einspeisung, macht Hott deutlich. Interessant sei auch der Anreiz, dass beim Kauf von Solarprodukten dieses Jahr keine Mehrwertsteuer für Privathaushalte – die Zielgruppe von My Solar Future – fällig ist.
Die Teile eines Balkonkraftwerks, Solarzelle, Wechselrichter und Anschlusskabel, das den Wechselrichter mit dem Hausnetz verbindet, funktionieren nach dem Plug-and-Play-System – alles wird zusammengesteckt. "Und natürlich muss das System noch fachgerecht von unseren Monteuren angebracht werden", betont Varol. Der Balkon eigne sich dafür genauso wie das Flach- oder das Ziegeldach. "Paradebeispiele sind Garage und Carport, wir haben aber auch viele Kundinnen und Kunden, die die Mini-Fotovoltaikanlage auf der Terrasse aufbauen oder in den Garten stellen."
Er macht darauf aufmerksam, dass My Solar Future nicht an jenen Balkonkraftwerken beteiligt war, die vor rund zwei Monaten einen deutschlandweiten Skandal auslösten. Weil ein bestimmtes Bauteil in den Wechselrichtern eines chinesischen Herstellers fehlte, kam es zu Problemen mit den Solarsteckdosen-Anlagen. Bei My Solar Future würde man mit dem "Porsche im Bereich der Mikro-Wechselrichter" zusammenarbeiten, sagten Varol und Hott sich immer. Sie vermuten, dass es in den nächsten Jahren zu weiteren Schlagzeilen mit den Modulen kommen wird, sollten Hobby-Handwerker sie auf eigene Faust anbringen. Daher sei individuelle Beratung und Montageservice umso wichtiger.
"Wir haben bis heute eine Menge erreicht, insbesondere wenn man betrachtet, wann wir gegründet haben und wo wir heute stehen", zieht Varol ein erstes Resümee. Ziel sei es, sich in der Region einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen und den Leuten mit auf den Weg zu geben, dass man der richtige Ansprechpartner sei. Absatzzahlen wollen sie nicht nennen. Der Mehrwert für die Gesellschaft sei wichtiger, heißt es. Hott dazu: "Man stelle sich vor, dass jeder Bürger in Deutschland ein Balkonkraftwerk zu Hause hätte. Dann würde die Menge der Haushalte einen relevanten Teil der grünen Energie in Deutschland selbst dezentral erzeugen und hätten einen deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck."