In der Auslage des Schaufensters liegen Kästen mit Aquarellfarben neben Büchern zum Thema Zeichnen und großen Kästen mit Buntstiften – nicht irgendwelche, sondern die für Künstler. Dahinter lassen sich durch die Fensterscheibe die Aufsteller mit Geburtstags- und Trauerkarten erahnen. Im Laden reichen einige Regale bis unter die Decke und sind gefüllt mit Aktenordnern und Brief- und Druckerpapier. Otto Weller im Bremer Ostertor-Viertel ist ein Anlaufpunkt für Menschen, die neben den ganz normalen Büroartikeln auch das Besondere suchen.
Seit 2017 ist Tobias Weller Chef des Familienunternehmens. "Damals ist mein Vater leider verstorben, da musste ich dann früher ran, als mir lieb war", sagt der 44-Jährige. Ein Traumjob war das nicht unbedingt, gibt Weller zu. "Weil es ein Familienbetrieb ist, habe ich aber trotzdem gesagt, dass ich das weitermache", sagt er. Familienunternehmen ist auch das Stichwort: Ab und zu überprüfe seine Mutter doch noch mal die Buchführung, und seine Tante stehe als Verkäuferin mehrmals in der Woche hinter dem Tresen. Weller selbst hat seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann im Betrieb gemacht.
Familienbetrieb seit vier Generationen
Seit mehr als 125 Jahren gibt es das Geschäft Otto Weller schon, er ist die vierte Generation, die mit Schreibwaren, Büro- und Künstlerbedarf handelt. "Ich müsste mich langsam mal um Nachwuchs bemühen, sonst war es die letzte", sagt Weller und lacht. Trotz der Konkurrenz durch den Internethandel und Bürobedarf-Ketten laufe das Geschäft noch gut. "Da muss ich mich selbst ein bisschen wundern."
Die Kundschaft sei bunt gemischt, erzählt Weller: "Lehrer, Kindergärtnerinnen und die Leute hier aus der Umgebung. Oder auch mal die Oma, die mit ihrer Schreibmaschine kommt und fragt, ob wir noch Farbbänder haben." Dinge, wie Farbbänder, von denen man dachte, dass es sie eigentlich schon längst nicht mehr gibt, habe er noch im Programm, sagt Weller. "Die gehen erstaunlicherweise öfter." Viele Kunden und Kundinnen kämen schon seit Jahren.
Dass die Leute trotz der oft günstigeren Ketten weiterhin zu Weller kommen, kann er sich nur so erklären: "Vielleicht liegt es an der persönlichen Beratung. Bei den Ketten können die Angestellten einem vielleicht sagen, in welchem Gang was zu finden ist, aber wenn wirklich mal Fragen zur Materie sind, wird es da schon eng." Seine Angestellten würden gezielt nachfragen, was Kunden oder Kundinnen denn vorhätten, wenn sie nach bestimmten Produkten suchten. Die Leute wüssten die fachkundige Beratung wieder zu schätzen, sagt Weller. Er beobachte auch, dass die Leute nicht mehr unbedingt bei den großen Internet-Händlern bestellen wollten. "Service am Kunden ist wichtig, wenn man überleben will." Dazu gehörten auch Sonderbestellungen. "Der ein oder andere kommt wieder, weil er bei uns ein ganz bestimmtes Buch bestellt hat."
Eigener Online-Shop
Die Firma Weller ist auch selbst mit einem Online-Shop im Internet vertreten. "Das muss man heutzutage haben", sagt Tobias Weller. Die Leute, die im Online-Shop bestellten, hätten vorher auch schon schriftlich im Laden Bestellungen aufgegeben. "Es ist selten, dass da ein neuer Kunde dazukommt." Dennoch schätzt Weller, dass gut ein Drittel des Umsatzes über den Online-Shop generiert werde. "Tendenz steigend."
Fast die gesamte Länge des verwinkelten Geschäfts nimmt die alte hölzerne Verkaufstheke mit den Glasvitrinen und den Schubladen für Kleinteile ein. Die Theke stamme noch aus der Zeit seines Großvaters und sei hier und da schon ein wenig lädiert, aber ohne sie könne er die vielen Artikel gar nicht unterkriegen. Dort präsentiert Weller auch Schreibgeräte vom einfachen Schulfüller bis zum teuren "Präsidenten-Füller", wie er sie nennt. "Die Teuren gehen ganz selten. Aber trotzdem muss man sie da haben, wenn doch mal jemand danach fragt", sagt er. Es gebe eine Sammlerszene für exklusive Füllfederhalter, und da werde auch sein Geschäft erwähnt. "Es kommt aber auch mal jemand, der seinem Sohn oder der Enkelin nach dem bestandenen Abi einen schönen Füller schenken will."
Maßgefertigte Keilrahmen
Ganz hinten im Laden, kurz bevor es ins Lager geht, ist die Künstlerabteilung. Pinsel in sämtlichen Formen und Größen, Feld- und Tischstaffeleien, Zeichenblöcke und Farbtuben liegen hier in den Regalen. Im Bereich Künstlerbedarf bietet Weller eine Besonderheit an: maßgefertigte Keilrahmen. "Wenn jemand kommt und ein besonderes Maß haben will, das es so sonst nicht fertig zu kaufen gibt, spannen wir das von Hand auf", erklärt Tobias Weller. Dafür könne man sich dann das passende Leinen als Malgrund aussuchen. "Das kostet natürlich ein bisschen mehr, weil es Handarbeit ist." Aber auch einzelne Bögen Tonpapier oder Bastelpapier in kleinen Mengen gibt es im Laden noch.
Dass es das Unternehmen immer noch gibt, liegt nach Einschätzung von Weller vielleicht auch daran, dass er keine Miete zahlen müsse, weil das Geschäft ihm gehöre. "Gerade bei den hohen Ladenmieten hier im Viertel sähe es sonst wahrscheinlich anders aus." Fest steht für ihn: "So lange das läuft, werde ich das auch weitermachen."