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Drei Jahre nach der Pleite Greensill Bank Bremen: Staatsanwälte ermitteln gegen fünf Beschuldigte

Für die Aufarbeitung der Insolvenz von der Bremer Greensill Bank wird es noch Jahre brauchen. Wieviel Geld der Insolvenzverwalter bisher sichern konnte und was die Bremer Staatsanwaltschaft abschließen konnte.
02.03.2024, 05:00 Uhr
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Greensill Bank Bremen: Staatsanwälte ermitteln gegen fünf Beschuldigte
Von Florian Schwiegershausen

Für Bremens Staatsanwaltschaft gehört die strafrechtliche Aufarbeitung bei der insolventen Greensill Bank wohl zu den aufwendigeren Verfahren der Nachkriegsgeschichte. Es geht um den Vorwurf der Bilanzfälschung und Insolvenzverschleppung. Auf den Tag genau drei Jahre ist es an diesem Sonnabend her, dass die Bafin als Aufsichtsbehörde bei dem Geldinstitut sämtliche Geldflüsse einfror - das kam einer Schließung gleich. Zeitgleich stellte die Bafin außerdem Anzeige wegen Bilanzfälschung. Hunderttausende Sparer und gut 50 Kommunen hatten wegen der hohen Sparzinsen hier Geld angelegt. Die Sparer wurden durch den deutschen Einlagensicherungsfonds entschädigt. Die Kommunen mit ihren insgesamt weit über 300 Millionen Euro gingen jedoch leer aus. Ihr Geld war im Gegensatz zu dem der Privatanleger entsprechend der Statuten des Einlagensicherungsfonds futsch. 

An welchem Punkt befindet sich die Bremer Staatsanwaltschaft?

Aktuelle wird gegen fünf Beschuldigte ermittelt, einer davon ist der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Greensill Bank. "Zeugenvernehmungen im In- und Ausland  sind weitgehend abgeschlossen. Durch die Staatsanwaltschaft Bremen selbst sind etwa 100 Zeugenvernehmungen durchgeführt worden", sagt  Frank Passade, Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft. Einen Zeitpunkt für die Klageerhebung lasse sich noch nicht nennen. Passade spricht von einer besonders hohen rechtlichen Komplexität: "Weil der aufzuklärende Sachverhalt länderübergreifend ist, sind Ermittlungen auch im Ausland durchzuführen, die immer mehr Zeit beanspruchen." Auch andernorts wird ermittelt: Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hat wegen Untreue Monheims Bürgermeister und seine Mitarbeiter im Visier Die 43.000-Einwohner-Stadt am Rhein hatte 38 Millionen Euro angelegt.

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Wie viel Geld konnte der Insolvenzverwalter sichern?

Insolvenzverwalter Michael Frege und sein Team konnten bisher aus dem Greensill-Imperium im Sinne der Gläubiger mehr als 1,2 Milliarden Euro sichern. Darin enthalten ist auch der Verkauf des ehemaligen Bremer Greensill-Gebäude an der Martinistraße. Damit kommen die gesicherten Werte langsam in Bereiche, in denen auch die Kommunen auf Geld hoffen können. Die stehen in der Reihenfolge der zu bedienenden Gläubiger hinter dem Einlagensicherungsfonds und den Banken. Laut Frege befinde sich das Verfahren in der sogenannten Mittelphase: "Die Ansprüche und Rechtspositionen der Greensill Bank müssen im Ausland, insbesondere in Australien, in England und in Ost-Europa, gewahrt werden. Sie wurden geltend gemacht und nun ist abzuwarten, wann und wie die dortigen Gerichte entscheiden werden." Das wird mutmaßlich dauern.

Wie viele Kommunen verlieren die Geduld?

Immer mehr Kommunen wollen einen Schlussstrich ziehen und verkaufen ihre Forderungen. So erhielt zum Beispiel die Stadt Neckarsulm in Baden-Württemberg 1,35 Millionen Euro für ihre ursprüngliche Einlage von fünf Millionen Euro. Aber wer kauft so etwas? Carsten Hofmeister, Geschäftsführer des Bremer Inkassounternehmens Seghorn, gibt zu bedenken: "Wenn man die Forderungen von einem einzigen Schuldner aufkauft, ist das Risiko viel größer, als wenn man die Forderungen einer Vielzahl von Schuldnern übernimmt. Seghorn würde eine solche einzelne Forderung nicht übernehmen, weil das nicht unser Geschäftsfeld ist."

Doch die Kommunen sind damit ihren Makel im Haushalt los. "Die Verantwortlichen in den Kommunen wollen sich auf diese Weise bloß nicht mehr mit Greensill beschäftigen", sagt Karlheinz Endres. Der pensionierte Banker hatte anfangs den Auftrag seiner Gemeinde Vaterstetten, für sie im Fall Greensill aktiv zu werden. Inzwischen ist daraus eine Art persönliches Hobby geworden. Viele Mails hat er geschrieben, auf die er selten Antwort erhielt - darunter an den längst entlassenen Vorstandsvorsitzenden der Credit Suisse, Thomas Gottstein. Der Schweizer Bank hatte Fonds verkauft, die in Zusammenhang mit den Geschäftsaktivitäten von Lex Greensill standen. Die Schweizer Behörden ermitteln ebenfalls, weil Kleinanleger die Credit Suisse angezeigt hatten, die vor fast einem Jahr kurz vor der Pleite von der UBS übernommen wurde. 

Endres Gemeinde Vaterstetten konnte zumindest formal einen Erfolg verbuchen. Sie hatte bei Greensill rund 5,5 Millionen Euro investiert und verklagte den Finanzvermittler erfolgreich auf eine Million Euro Schadensersatz. Nachdem jedoch das Oberlandesgericht München als letzte Instanz dieses Urteil bestätigt hatte, stellte der dieser Finanzvermittler einen Insolvenzantrag. Die Stadt Nordenham will ihre Greensill-Forderungen in Höhe von 13,5 Millionen Euro bislang nicht verkaufen.

Wo laufen überall Klagen auf Schadenersatz?

Einige Kommunen versuchen es mit einer Klage auf Schadenersatz gegen den Wirtschaftsprüfer Ebner Stolz, der jahrelang die Bücher der Greensill Bank prüfte. Klagen gegen den ehemaligen Vorstand und Aufsichtsrat der Greensill Bank wären ebenso möglich wie gegen das Ratingunternehmen Scope. Wenn eine Kommune aus diesen Prozessen Geld erhält, minimiert sich dadurch die Summe, die sie als Gläubiger beim Insolvenzverwalter geltend machen muss.

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Kann sich eine solche Bankenpleite wiederholen?

Thorsten Poddig, Professor für Betriebs- und Finanzwirtschaft an der Uni Bremen, sagt "Ja": "Solche Fälle werden sich wiederholen und müssen das meines Erachtens auch. Dies ist in der Philosophie der Banküberwachung durchaus als notwendiges Übel akzeptiert." Jegliche auch noch so ausgeklügelte Form der staatlichen Überwachung kann laut Poddig niemals Fehlverhalten einzelner Akteure, in diesem Fall die Banken, zu hundert Prozent erkennen und verhindern. Für das Funktionieren des Marktsystems sei eine gegenseitige Überwachung aller Akteure daher unabdingbar. "Der Fall Greensill trägt also - in gewisser Weise - zur Funktionsfähigkeit des Bankensystems bei, auch wenn das jetzt sehr kurios und „merkwürdig“ klingt", stellt Poddig fest.

Wenn es um die Strafverfolgung geht, gibt der Wirtschaftsprofessor zu bedenken: "Ausgeklügelte Wirtschaftsdelikte werden von Experten eingefädelt, deren Aufdeckung noch bessere Experten erfordert. Wir müssen leider sehen, dass die „Schurken“ hier im Vorteil sind, aufgrund besonderen Know-hows, hoher Spezialisierung und begrenzter Ressourcen der staatlichen Ermittlungsorgane." Was Poddig deshalb fordert: "Vielleicht ist unser Gerichtssystem an dieser Stelle aus der Zeit gefallen und wir bräuchten dafür zentrale Ermittlungsbehörden und Gerichtsstände, die Know-how und Ressourcen bündeln." Der pensionierte Banker Karlheinz Endres wünscht sich, dass auch die Rolle der Bafin beleuchtet wird. Sie hätte schneller tätig werden müssen - um so manche Kommune vom Investment abzuhalten.

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