In Deutschland gibt es das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) seit mehr als 20 Jahren. Es gilt als zentrale Grundlage, um den Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor zu fördern. Alle paar Jahre wird das EEG an veränderte Rahmenbedingungen angepasst, die von der Bundesregierung festgelegt werden. Bislang haben diese sogenannten Novellierungen in den Augen der Industrie und Umweltverbände nur in Teilen überzeugen können. Hauptkritikpunkt: Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird nicht so gefördert, wie es erforderlich wäre, um die selbst gesteckten Klimaschutzziele auch zu erreichen. An diesem Mittwoch befasst sich das Bundeskabinett mit dem Entwurf für das neue EEG, das am 1. Januar in Kraft treten könnte.
„Der EEG-Referentenentwurf greift zwar einige wichtige Punkte auf und setzt auch positive Signale, ist insgesamt aber eher mutlos und springt an vielen Stellen zu kurz“, sagt Christian Schnibbe, Sprecher vom Bremer Windpark-Projektierer WPD. „Das im Referentenentwurf bekräftigte Ziel von 65 Prozent Strom aus Erneuerbaren bis 2030, ist zu begrüßen.“ 100 Prozent Ökostrom bis 2050 seien hingegen wenig ambitioniert. „Aber selbst zur sicheren Erreichung dieser Ziele dürften die gemachten Vorschläge nicht ausreichen.“
WPD gehört seit Jahren zu den ganz Großen der Branche. Das 1996 in Bremen gegründete mittelständische Unternehmen hat mehr als 2000 Mitarbeiter und ist neben Deutschland in 17 weiteren Ländern aktiv. Neben seiner Aufgabe als Entwickler und Betreiber tritt WPD unter anderem auch als Partner von Bürgerwindparks auf, ist im Bereich Repowering aktiv und kümmert sich sowohl um die Instandhaltung als auch den Betrieb anderer Windparks. Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert den Entwurf von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) als Flickschusterei.
Zwar gebe es einzelne Verbesserungen, diese seien jedoch schon lange angekündigt und halbherzig. Wesentlicher Mangel des Gesetzentwurfs sei die fehlende Ambition beim Ausbau erneuerbarer Energien. „Die leicht gehobenen Ausbauziele für Solar- und Windenergie reichen für die Klimaziele nicht aus.“ „Strom aus erneuerbaren Energien leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele Deutschlands und der Europäischen Union“, heißt es einleitend im Referentenentwurf, der dem WESER-KURIER vorliegt. „Auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität im Jahr 2050 muss deshalb der Ausbau der erneuerbaren Energien konsequent weiter vorangetrieben werden.“
Diese Konsequenz ist relativ – zumindest für Schnibbe: „Auch wenn die Ausschreibungsmengen für Wind-Onshore erhöht wurden, so sind diese immer noch deutlich zu niedrig, um das Ziel von 65 Prozent Strom aus Erneuerbaren bis 2030 zu erreichen.“ Eine jährliche Ausschreibungsmenge von mindestens fünf Gigawatt für Wind-Onshore wäre hier für eine sichere Zielerreichung notwendig – dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der angestrebten stärkeren Sektorkopplung und dem dadurch deutlich steigenden Strombedarf. Zu berücksichtigen sei bei der Ausschreibungsmenge auch die hohe Zahl an Anlagen, die in den kommenden Jahren zurückgebaut werden. „Dem Referentenentwurf kann diesbezüglich ja entnommen werden, dass offensichtlich mit einem Nettozubau von lediglich 17 Gigawatt Wind-Onshore bis 2030 gerechnet wird.“
Bürger finanziell beteiligen
Es gibt aber auch Vorschläge im Entwurf, die auf Zustimmung stoßen. So werden gezielte Maßnahmen zum Erhalt der Akzeptanz für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien vorgeschlagen. Bürger sowie Standortkommunen sollen künftig – wie im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat vereinbart – finanziell an den Erträgen neuer Windenergieanlagen beteiligt werden. Diese direkten Zahlungen sorgen für Anreize, damit vor Ort neue Flächen für die Windenergie ausgewiesen werden.
„Die finanzielle Beteiligung der Kommunen an den Erträgen vor Ort ist hingegen eine Neuerung, die wir seit vielen Jahren fordern und die mit Sicherheit zu einer stark zunehmenden Akzeptanz vor Ort führen wird“, so Schnibbe. „Das gewählte Modell mittels einer Zwangsabgabe und insbesondere auch in der vorgeschlagenen Höhe begrüßen wir ausdrücklich. Durch eine Abgabe an die Gemeinde profitieren, zumindest indirekt, wirklich alle Bürger vor Ort und nicht nur einige, die sich an einem Bürgerwindpark beteiligen können.“ Ebenfalls zu begrüßen sei die Abschaffung der Netzausbaugebiete sowie die Anreize, Windenergieanlagen auch an windschwächeren Standorten im Süden zu errichten.
Der Bundesverband Windenergie in Schleswig-Holstein spricht sich sogar für noch mehr Bürgerbeteiligung aus, als in der Novelle angedacht ist. So sei es grundsätzlich nicht verkehrt, die Standortkommunen finanziell an den Erträgen neuer Windenergieanlagen zu beteiligen. Nach Ansicht des Verbandes braucht es zudem für Bürgerenergiegesellschaften Erleichterungen bei Ausschreibungen.
Letztendlich entscheidend für den weiteren Ausbau von Windkraft an Land werde aber sein, „dass wieder mehr Genehmigungen erteilt werden“, sagt Schnibbe von WPD. „Hierfür bedarf es der Ausweisung von mehr Flächen und einer grundlegenden Änderung beim in der Zwischenzeit, auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, völlig überzogenen Artenschutz – weg vom Individuenschutz hin zu einem echten Populationsschutz.“