Catherine André hat eine Mission. Sie will, dass die nächste Generation weiß, wie richtiges Essen schmeckt. Nicht das, was aus dem Supermarkt kommt. Dafür braucht sie nicht mehr als 90 Melkziegen.
Catherine André ist 58 Jahre alt, gelernte Schauspielerin und stellt im norddeutschen Moorland französischen Ziegenkäse her.

Caterine André bringt das Futterheu in den Stall.
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert geht André mit ihren Ziegen ihrer Mission nach, ausgehend von Neubachenbruch, einer Samtgemeinde zwischen Stade, Cuxhaven und Bremerhaven, wo mehr Tiere als Menschen leben. Allein auf Andrés Hof gibt es neben den Melkziegen noch mehr als 200 andere, daneben Hühner, Schafe, Gänse, Hunde und Katzen.
„Wir sind sehr französisch“, sagt André.
„Unser Hof ist nicht geleckt, wir haben ein altes Auto vor der Tür stehen und lassen die Brennnesseln wild wachsen.“ Auf den Grundstücken nebenan ist der Rasen gestutzt, vor ihrem Haus verdecken Flieder- und Rosenbüsche die blaue Eingangstür. Das Dach besteht mehr aus Moos als aus Ziegel.
Wäre André heute wieder 30 Jahre alt, würde sie es nie wagen, noch einmal Haus und Hof zu kaufen. Zuviel sei reguliert, von Deutschland, von der Europäischen Union, obwohl sie Europa möge, fügt sie eilig hinzu.

In der Käserei portioniert Catherine André den kleinen, runden Ziegenfrischkäse.
Erfolgreich ist sie trotzdem. Der „Spiegel“, die „Welt“ und andere Zeitungen haben ihren Hof als „Deutschlands besten Ziegenhof“ gekürt, diesen Ruf wird André nicht mehr los. „Die Medien haben das hochgeschaukelt.
Anfang der 1990er-Jahre gab es nur wenige Käsereien“, sagt sie. „Aber wir käsen eben auch auf unsere eigene, auf französische Art.“ Die Hamburger Feinschmecker und Gourmets, bei denen André vorsprach, mochten den Käse.
"Aber wir käsen eben auch auf unsere eigene, auf französische Art“
Viel brauche es nicht, um Käse herzustellen, nur Übung, den richtigen PH-Wert und eine gute Kühlung, erklärt Catherine André, als sie in dem Raum am Ende des Hauses steht, wo die Käseblöcke in Stahlwannen mit Lake schwimmen oder in Plastikbechern ruhen.
Die Kammer ist weiß gefliest, abgeschlossen von einer abgehängten Decke; es ist 22 Grad warm und feucht, ähnlich wie in einer Dampfsauna, nur hier steigt ein salzig-säuerlichen Geruch in die Nase.

Ihren Ziegenkäse verkauft Catherine André nicht mehr am Hof, sondern auf den Landfrauenmarkt in Ihlienworth.
Zweimal am Tag melken André und ihr Freund Daniel Denieau die Ziegen, jede gibt pro Tag etwa drei Liter. Anschließend setzt André der Milch Lab zu. Nach 24 Stunden formt sich eine quarkartige Masse. André und Denieau drücken diese Masse in eine Hartplastikrolle, faustbreit und mit Löchern gesprenkelt, sodass die Molke herausquillt.
Es dauert noch einmal einen Tag, dann ähnelt die Masse mehr Frischkäse denn Quark, und André steckt noch einen Strohhalm mitten hinein. Sie nennt es die „Wirbelsäule des Käses“. Den verkauft sie vor allem an Restaurants, vor allem in Hamburg. Einmal pro Woche fährt sie dorthin.
Auch wenn André Hamburg und Berlin, die Großstadt, manchmal vermisst, die Kultur und die Zeit, die ihr fehlt, ist sie glücklich in der Natur. Sie sei ein Mensch, der allein sein könne. Sie weiß nicht, ob sie jemals Rente bekommen wird, sie stammt nicht aus einer Bauernfamilie, hat nichts geerbt.
Ihr Haus ist auf Moor gebaut, das Geld, was sie verdient, steckt sie in das alte Bauernhaus. Aber sie liebt ihre Tiere, manchen gibt sie ihnen Namen, wie Othello, dem blinden Ziegenbock. Andere schlachtet sie.
Früher war sie Vegetarierin, schon als Kind. Nun sagt sie, dass sie auch das Fleisch essen könne, wenn sie schon die Milch der Ziegen trinkt.

Daniel Denieau beim täglichen Melken der Ziegen.
Das ist wohl das, was Menschen als typisch französisch beschreiben würden. Essen ist André wichtiger als ein rostfreies Auto vor der Tür. Am Anfang sei ihr das nicht bewusst gewesen, aber sie habe sich einen Freiraum geschaffen in Neubachenbruch, einen Ort, wo Menschen ihren Weg gehen könnten.
Einfach ist das nicht immer. „Ich habe eine Klärgrube für das Haus. Für 8000 Euro musste ich eine zweite bauen lassen, für die Käserei. Wir mussten kämpfen, dass das reicht. Jetzt haben wir eine Rechtsschutzversicherung und Anwälte, die für uns kämpfen, falls uns die Anweisungen der Behörden unsinnig erscheinen“, erzählt André.
André und ihr Freund Denieau sind hartnäckig. Sie bleiben, auch wenn die Nachbarn manchmal zu deutsch sind und die Behörden zu regulativ.