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Wie Banken aus Bremen und der Region vorgehen Fast 2000 Beschwerden bei der Bafin

Es geht in die Verlängerung: In mehreren Verfahren wird derzeit geklärt, ob Banken mit ihren Kunden im Zuge des Urteils des BGH korrekt umgingen. Wie Häuser aus Bremen und der Region vorgehen.
19.01.2022, 18:19 Uhr
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Fast 2000 Beschwerden bei der Bafin
Von Lisa Schröder

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vor einem Dreivierteljahr beschäftigt Banken und ihre Kunden bis heute – und Juristen. Aktuell klärt das Landgericht Stuttgart einen Fall, dessen Ausgang Signalwirkung haben könnte, weil einem Kunden einer Volksbank gekündigt wurde, der Gebühren zurückforderte. Fast 2000 Beschwerden gingen zudem bisher bei der Finanzaufsicht ein.

Die Verbraucherzentrale Bremen erreichen in der Sache viele Anfragen, wie Finanzdienstleistungsexperte Thomas Mai berichtet. "Wir kriegen jeden Tag noch E-Mails dazu." Einige Banken hätten auf Zeit gespielt. Mai spricht deshalb von einem teils mühsamen Weg für Verbraucher, ihr Recht durchzusetzen.

Welche Folgen hat das Urteil?

Banken müssen künftig die Zustimmung ihrer Kunden einholen, wenn sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen verändern. Bisher gingen viele Geldhäuser von einem stillschweigenden Einverständnis aus. Das ist nicht mehr erlaubt. Die Banken müssen auch nachträglich die Zustimmung ihrer Kunden zu aktuellen Konditionen erbitten. "Wir holen zurzeit noch die erforderlichen Unterschriften bei unseren Kundinnen und Kunden ein", teilt die Sprecherin der Sparkasse Bremen, Nicola Oppermann, mit. Dies sei bei mehr als 400.000 Konten nichts Ungewöhnliches, das Verfahren sei sehr aufwendig.

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Wann gibt es eine Erstattung?

Kunden können im Zuge des Urteils Gebühren zurückverlangen, denen sie nicht ausdrücklich zugestimmt haben. Für welchen Zeitraum? Experte Mai hält es für denkbar, dass Ansprüche länger in die Vergangenheit reichen könnten als 2018. Verbraucherschützer verwiesen dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. "Da werden die Banken sich wahrscheinlich noch hartnäckig auf die Hinterbeine stellen", vermutet Mai. Es bleibe abzuwarten, ob hier jemand juristisch Klarheit schaffe. Darum rate er, bei einer Ablehnung der Bank die Schlichtungsstelle einzuschalten, um eine Verjährung zu stoppen.

Die meisten Institute verweigerten die Rückzahlung, soweit Entgelte auf Erhöhungen beruhten, die länger als drei Jahre zurücklägen, heißt es von Mais Kollege Philipp Rehberg in Niedersachsen. Die Banken beriefen sich auf entsprechende Urteile des BGH zu Energielieferungsverträgen. "Wir halten diese Rechtsprechung nicht für anwendbar auf Vertragsverhältnisse zwischen Banken und Verbraucherinnen und Verbrauchern", sagt Rehberg, der bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen für Finanzdienstleistungen zuständig ist. Es gebe hierzu viele Anfragen.

Wie viel kann zurückverlangt werden?

"Die große Schwierigkeit ist für viele, einen konkreten Betrag zu nennen", sagt Mai. Er empfiehlt, eine Entgeltaufstellung von der Bank zu verlangen, um auf der Basis nachrechnen zu können. In jedem Fall müsse der Kunde aktiv werden: "Wenn man nichts hinschickt, bekommt man auch nichts." Die Verbraucherzentralen stellen dafür einen Musterbrief bereit. Im Schnitt erstatteten die Banken etwa 130 Euro – also kleinere Beträge von 20 oder 30 Euro, aber auch 100 oder mehr als 200 Euro. "Für einen juristischen Prozess", sagt Mai grundsätzlich, "sind das sehr geringe Streitwerte."

"Bislang zeigt sich, dass das Urteil sehr unterschiedlich von den Kreditinstituten umgesetzt wird", heißt es von einer Sprecherin der Bafin. Wenn Banken dabei auffällig seien, kontaktiere man sie. Außerdem stehe man im Austausch mit Verbraucherzentralen und den Verbänden der Kreditwirtschaft.

Wie kam es zur Kündigung der Volksbank in Süddeutschland?

Vor dem Landgericht Stuttgart geht es derzeit um den Rechtsstreit zwischen der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und einer Volksbank. Die hatte ihrem Kunden gekündigt, weil dieser darauf bestand, Gebühren zurückzufordern. Eine Offerte der Bank lehnte er ab. „Das Angebot der Bank sah vor, dass der günstige Kontopreis aufrechterhalten bleibt, also alles beim Alten bleibt, wenn die Bank die Gebühren für die Dienstleistungen, die sie in der Vergangenheit geleistet hat, behalten darf“, zitierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" den Anwalt der Bank, Ferdinand Scholl. Das Gericht will im Februar eine Entscheidung verkünden.

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Gibt es solche Fälle in der Region?

Der Verbraucherzentrale in Niedersachsen sind bisher keine Fälle bekannt, in denen Banken wegen einer Rückforderung von Entgelten Kündigungen angedroht oder ausgesprochen hätten. "Zum Glück sind Bremer bisher von so einer rigiden Praxis noch nicht betroffen", sagt auch Mai. Allerdings weiß er von Bremern, die anderswo ein Konto hatten. "Sie haben die Gebühren erstattet, aber auch gleichzeitig die Kündigung bekommen. Das halten wir für rechtswidrig."

Wie gehen Sparkasse, Volksbank und OLB vor?

Die Sparkasse Bremen will alle Kunden um Einverständnis hinsichtlich ihrer aktuellen Bedingungen bitten. Wenn das Verfahren fertig sei, wolle man sich damit befassen, wie man mit Kunden umgehe, die keine Zustimmung erteilt hätten, sagt Sprecherin Oppermann. "Noch sind wir guter Dinge, dass wir die allermeisten unserer Kundinnen und Kunden erreichen werden und wir so ihre Zustimmungen erhalten." Rückforderungen gab es hier ebenfalls: Die Bank erreichten bis Ende 2021 rund 1450 Ersuchen.

Die Oldenburgische Landesbank hat bisher keinem Kunden im Zusammenhang mit dem Urteil gekündigt – auch nicht wegen einer Rückforderung. Die Bank holt aktuell ebenfalls noch ausstehende Zustimmungen ein. Wenn ein Kunde diese nicht erteile, "dann allerdings fehlt uns die Basis für die Weiterführung der Kontoverbindung", teilt Sprecher Timo Cyriacks mit. Fordere ein Kunde eine Rückerstattung, prüfe man jeden Einzelfall. Wenn ein Anspruch bestehe, erfülle man ihn selbstverständlich. Nach dem Urteil hätten sich allerdings "eher wenige Kunden" wegen einer Forderung gemeldet. Die Anzahl liege im niedrigen vierstelligen Bereich, "also unter einem Prozent unserer gesamten Kundschaft".

Die Bremische Volksbank entschied sich aufgrund des Urteils dazu, eine Preiserhöhung vor einem Jahr wieder rückgängig zu machen. Seit dem vergangenen Sommer gelten wieder die alten Gebühren. Vorstandschef Ulf Brothuhn berichtete im Herbst von wenigen Anfragen als Reaktion auf das Urteil. Die Bank habe geforderte Rückerstattungen gezahlt.

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