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Krise bei Bremer Reederei Beluga Eine Chronologie des Niedergangs

Jahrelang galt die Schwergutreederei Beluga als Bremer Vorzeigeunternehmen. Doch nach einem schnellen Aufstieg folgt ein rapider Absturz. Wir dokumentieren die wichtigsten Ereignisse rund um Niels Stolberg.
17.03.2011, 05:00 Uhr
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Eine Chronologie des Niedergangs
Von Jürgen Hinrichs

1995

Niels Stolberg, einst bei der legendären Bremer Reederei DDG Hansa angestellt, gründet mit einem Partner die Reederei Beluga. Zu Anfang handelte es sich um ein kleines Befrachtungskontor, das in einer Zwei-Zimmer-Wohnung Platz hatte. Die Wohnung war auf dem Bremer Teerhof, just dort, wo Beluga später seine herrschaftliche Firmenzentrale errichtete.

1997

Stolberg borgt sich privates Geld, den Rest schießen Banken zu, und kauft sein erstes Schiff. Im Jahr darauf kommen vier Frachter hinzu, darunter die „Werder Bremen“, ein bunt mit Werbung bepflastertes Containerschiff. Getauft wird es von Heide Lemke, der Ehefrau des ehemaligen Werder-Bosses und Bremer Bildungssenators Willi Lemke. Stolberg begreift früh, wie sehr er für sein Unternehmen mit geschicktem Marketing punkten kann.

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1998

Stolberg schafft sich auf Spiekeroog einen Rückzugsort für seine Familie. In den Jahren darauf nimmt er die halbe Insel in Besitz. Er kauft eine Immobilie nach der anderen, investiert in Ferienwohnungen, Restaurants und in ein „Künstlerhaus“. Die Spiekerooger sind skeptisch bis ablehnend, Stolberg ist ihnen mit seinen Aktivitäten nicht geheuer.

1999

Erstmals lässt die Reederei auf einer chinesisches Werft ein Schiff bauen, die „Beluga Impression“.

2000

Weitere zwei Schiffe aus China kommen hinzu, die „Beluga Advertising“ und die „Beluga Satisfaction“. Im selben Jahr passiert ein Unglück – die „Werder Bremen“ stößt in den Gewässern vor Südschweden mit einem Tankschiff zusammen. Vier polnische Seeleute kommen ums Leben.

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2002

Beluga gibt bei der holländischen Werft Volharding den Bau von acht Container- und Schwergutschiffen in Auftrag. Es ist dieselbe Werft, die Stolberg später mit Scheinaufträgen dafür nutzt, gegenüber den Banken Eigenkapital vorzutäuschen, um an weitere Darlehen zu kommen. Der Reeder hat Volharding Millionenbeträge gezahlt, das Geld aber sofort zurückbekommen.

2003

Beluga übernimmt die in Rotterdam ansässige Reederei Gen Chart und mit ihr die drei Schiffe des Unternehmens.

2005

Luise Scherf, Ehefrau des damaligen Bremer Bürgermeisters Henning Scherf, tauft in Hamburg die „Beluga Revolution“, gebaut wurde sie bei Volharding in Holland. Gleichzeitig gibt die Reederei ein großes Neubauprogramm bekannt. Ihre Flotte soll sich binnen zwei Jahren von 23 auf 40 Schiffe vergrößern. An der Seefahrtschule Elsfleth übernimmt Beluga die Finanzierung von drei Professorenstellen.

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2006

Niels Stolberg wird bei einer festlichen Gala der Sparkasse Bremen zum „Bremer Unternehmer des Jahres“ ausgezeichnet. Er macht mit seinem Unternehmen mittlerweile einen Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro.

2007

Eva Luise Köhler, die Frau des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, tauft die „Beluga Sky Sails“, den ersten Frachter, der mit einem Gleitschirm-Segel ausgestattet ist, um den Motorantrieb des Schiffes zu entlasten. Die Technik setzt sich nicht durch. Beluga ist damit aber in den Schlagzeilen.

2008

Ein Beluga-Frachter wird im Golf von Aden von Piraten gekapert. Stolberg zahlt Lösegeld und bekommt die Besatzung und das Schiff frei. Im selben Jahr ist der Reeder Schaffer bei der Bremer Schaffermahlzeit, die Krönung für jeden Kaufmann in der Hansestadt. Beluga ist auf 61 Frachter angewachsen und macht nach eigenen Angaben einen Gewinn von 70 Millionen Euro.

2009

Auf dem Bremer Teerhof wird die neue Firmenzentrale von Beluga eingeweiht. Das Gebäude hat 30 Millionen Euro gekostet und wird je zur Hälfte von der Bremer Landesbank und der Sparkasse Bremen finanziert. Zu der Zeit ist die weltweite Schifffahrtskrise bereits voll im Gang. Im selben Jahr befahren zwei Beluga-Frachter als erste Handelsschiffe die legendäre und vorher nur von Forschern bewältigte Nordostpassage entlang der Nordküste von Sibirien.

2010

Beluga bewirtschaftet jetzt 72 Schiffe, hat aber Probleme mit der Liquidität. Offenbar laufen die Geschäfte in der Krise seit einiger Zeit deutlich schlechter als nach außen kommuniziert. In dem US-amerikanischen Hedgefonds Oaktree wird ein Investor gefunden, der kurzfristig knapp 200 Millionen Euro zur Verfügung stellt.

2011

Oaktree, das mittlerweile die Mehrheit der Reederei übernommen hat, fühlt sich durch geschönte Einträge in der Beluga-Bilanz und in den Auftragsbüchern betrogen. Am 1. März trennen sich die Amerikaner von Stolberg, sie werfen ihn aus dem Haus und stellen einen Tag später Strafanzeige. Dadurch kommt ein Verfahren in Gang, das erst acht Jahre später seinen Abschluss findet.

2014

Die Bremer Staatsanwaltschaft erhebt Anklage. Stolberg und drei Mitarbeitern werden Betrug, Untreue und Kreditbetrug vorgeworfen. Im Kern geht es um Bilanzfälschung.

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2016

Das Bremer Landgericht eröffnet die Hauptverhandlung. Stolberg legt ein Teilgeständnis ab.

2018

Der Ex-Reeder wird zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die drei anderen Angeklagten bekommen Bewährungsstrafen. Stolberg legt Revision ein.

2019

Der Bundesgerichtshof verwirft die Revision. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

2020

Stolberg tritt seine Haft in der Bremer Justizvollzugsanstalt an. Weil er einen festen Wohnsitz hat und ein Arbeitsverhältnis nachweisen kann, wird ihm nach wenigen Wochen Freigang gewährt.

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