Herr Lambusch, für kommende Woche hat die IG Metall erste Warnstreiks angekündigt. Wie sehr haben Sie damit gerechnet?
Thomas Lambusch: Die Friedenspflicht ist ja zum Jahresende ausgelaufen, und diese Woche sind noch einige im Urlaub, die warnstreiken könnten. Sollte es nächste Woche zu ersten Arbeitsniederlegungen kommen, wären diese rechtswidrig. Wir würden dann gemeinsam mit den betroffenen Unternehmen rechtliche Schritte bis hin zu Klagen auf Schadenersatz prüfen.
Eigentlich sind es doch immer die gleichen Mechanismen in der Metall- und Elektroindustrie: Jeder nennt seine Maximalforderungen, zwischendurch Warnstreiks, dann mindestens vier bis fünf Verhandlungsrunden, und zu Ostern hat man sich geeinigt.
Dieses Mal haben wir aber in den ersten beiden Verhandlungsrunden keine Annäherung gefunden. Normalerweise präsentiert die Gewerkschaft in der ersten Runde ihre Forderung und erläutert das detailliert. Und wir erwidern das in der zweiten Runde. Was dieses Mal anders ist: Wir haben direkt in der zweiten Runde schon ein Angebot gemacht. Das ist vergleichsweise früh. Und wir haben der IG Metall unsere eigenen Vorstellungen unterbreitet. Aber hier sind wir bislang nicht vorwärts gekommen. Ich bin auch ein bisschen ratlos, wie wir bei der nächsten Verhandlungsrunde Fortschritte erzielen sollen...
Die findet ja am 18. Januar in Bremen statt. Die Maximalforderungen von Ihnen und der IG Metall liegen bei dieser Tarifrunde also weiter auseinander als in früheren?
Das Problem dieses Mal ist, das die IG Metall nicht nur eine quantitative Forderung erhoben hat. Um die Prozente könnte man natürlich kräftig feilschen. Da würden wir wohl auch zu einem Ergebnis kommen. Schwieriger ist aber das Thema mit der individuellen einseitigen Arbeitszeitverkürzung. Die ist für uns eine fast unüberwindbare Hürde. Es gibt ja bereits gesetzliche Möglichkeiten, die Arbeitszeit über die 28 Stunden hinaus zu verkürzen – also über die Forderung der IG Metall hinaus. Aber der von der IG Metall angestrebte individuelle Anspruch für den Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf unternehmerische Belange geht aus unserer Sicht überhaupt nicht.
Sie fordern dagegen eine vorübergehende Ausweitung der Arbeitszeit auf 42 Stunden.
Nur bei Bedarf, und wenn der Mitarbeiter das möchte. Das geht ja nur mit Zustimmung des Mitarbeiters. Es gibt ja auch Mitarbeiter, die bereit sind, mehr zu arbeiten und zu verdienen, was sie heute nach Tarifvertrag nicht dürfen, sobald die Quote von 13 Prozent der Mitarbeiter erreicht ist.
Das mit der Arbeitszeit wollen Sie nicht tariflich regeln.
Wir müssen darauf achten, dass die betrieblichen Belange Vorrang haben, sonst sind sie ja überhaupt nicht mehr in der Lage, ein vernünftiges Arbeitsvolumen zu kalkulieren. Was können Sie da tun, gerade in einer Phase, in der Fachkräftemangel herrscht?
Da gibt es ja durchaus Mitarbeiter, die wegen der guten Konjunktur und des Fachkräftemangels am Limit arbeiten. Das können die nicht auf Dauer durchhalten.
Deshalb ist es ja gerade so wichtig, dass wir die Chance zu befristeten Neueinstellungen erhalten. Das ist derzeit selbst mit Sachgrund nur für maximal 18 Monate möglich. Dass wir insgesamt Regelungen treffen, die beiden Seiten gerecht werden, das kann ich mir schon vorstellen. Aber davon sind wir leider weit entfernt.
Inwiefern ist Ihre Verhandlungsposition bei dieser Tarifrunde eine schlechtere als bei der letzten vor zwei Jahren? Es sind ja nicht mehr Fachkräfte geworden auf dem Markt.
Das ist richtig. So gesehen ist zumindest, was das Geld angeht, unsere Verhandlungsposition sicherlich schwächer als vor zwei Jahren. Das muss man ganz klar sagen. Auf der anderen Seite greift hier natürlich ein Selbstregelungsmechanismus. Wenn wir unseren Mitarbeitern keine vernünftigen Arbeitsbedingungen bieten können und sie nicht markt- und leistungsgerecht bezahlen, dann werden wir sie nicht bekommen. So gesehen sind wir also schon jetzt im Wettbewerb um Arbeitskräfte. Deshalb ist der individuelle Anspruch, den die IG Metall so formuliert, gar nicht nötig. Denn wenn heute ein Mitarbeiter ankommt und sagt, dass er aus persönlichen Gründen keine 35 Stunden arbeiten kann, dann versucht man den Anforderungen irgendwie gerecht zu werden, wenn es geht.

Thomas Lambusch, Präsident des Arbeitgeberverbands Nordmetall.
Das aber ohne Lohnausgleich, wie ihn die Gewerkschaft fordert.
Für nicht geleistete Arbeitszeit, Geld zu bezahlen, passt nicht. Das ist aus unserer Sicht auch ungerecht gegenüber der Mitarbeiterschaft insgesamt. Wir haben ja auch heute schon eine ganze Menge Teilzeitkräfte ohne Recht auf Rückkehr auf Vollzeit und ohne, dass sie dafür einen Lohnausgleich bekommen. Das halten wir für ungerecht. Dazu haben wir auch ein Gutachten erstellen lassen, was zu dem Ergebnis kommt, dass diese Forderung seitens der IG Metall rechtswidrig ist – und ein Streik für diese Forderungen eben auch.
Was würden Ihnen Ihre Mitgliedsunternehmen mehr übel nehmen: ein Tarifplus Richtung sechs Prozent oder die geforderte Arbeitszeitverkürzung?
Sechs Prozent sind natürlich zu viel. Aber in der Diskussion mit unseren Mitgliedsunternehmen würden wir eine Lösung finden. Aber das Thema Arbeitszeitverkürzung und dabei als Unternehmen das Direktionsrecht zu verlieren, das wäre gravierend und würde die Tarifbindung weiter schwächen.
Der letzte Tarifvertrag lief 21 Monate. Was für eine Laufzeit favorisieren Sie jetzt?
Gerne wieder eine längere Laufzeit, insbesondere auch eine, die den Unternehmen ermöglicht, komplette Geschäftsjahre planerisch zu bewältigen. Deshalb sind für uns komplette Jahre positiver. Aber darüber haben wir noch gar nicht gesprochen, ebenso wenig, wie über das Geld. Um ihre Forderung nach Arbeitszeitverkürzung durchzusetzen, hat die IG Metall auch den Manteltarifvertrag gekündigt. Das hat natürlich auch auf unserer Seite Begehrlichkeiten geweckt. Meine Mitglieder sagen: Wenn wir den eh neu verhandeln müssen, können wir auch dieses oder jenes erledigen. Das macht es besonders kritisch, weil es nicht gerade ein kleines Werk ist.
Das klingt dann doch eher nach Pfingsten und nicht nach Ostern.
Mal sehen, wir haben gewisse Hoffnungen, weil es ja ein paar Ecktermine gibt in diesem Jahr wie die Betriebsratswahlen. Ich denke nicht, dass die IG Metall einen Tarifkonflikt in die Betriebsratswahlen hineintragen will. Deshalb kriegen wir das hoffentlich möglichst schnell hin.
Genug Dosenbier für die Verhandlungen haben Sie ja. Für die Dosen mit der Aufschrift „Bier für mehr“ hat schließlich Ihr Bundesverband Gesamtmetall gesorgt.
Mit dem „Job-Export-Bier“ wollen die Arbeitgeber vor einer schleichenden Stellenverlagerung ins Ausland warnen. Wir haben davon aber hier im Norden noch nicht allzu viel verteilt. Das heben wir uns für Zeiten auf, wo wir uns ein bisschen mehr angenähert haben und dann vielleicht auch eines gemeinsam trinken können.
Wird das am 18. Januar eine lange Verhandlungsrunde?
Ich denke, es wird übersichtlich bleiben. Wir hoffen, dass wir dort vielleicht Wege finden werden, auf denen ein Kompromiss möglich ist. Wir werden aber mindestens eine vierte und vielleicht auch noch eine fünfte Runde brauchen. Auf alle Fälle pflegen wir an der Küste einen guten Umgang miteinander. Ich verstehe mich mit Herrn Geiken ganz gut, auch wenn wir unterschiedliche Positionen haben und klare Kante zeigen. Aber wir gehen sachlich und pragmatisch miteinander um und gehen nicht kämpferisch aufeinander los, sondern suchen gemeinsam Lösungen. Am Ende wollen wir beide, dass es den Unternehmen gut geht und ebenso den Mitarbeitern. Wir haben bloß eine unterschiedliche Vorstellung von der Reihenfolge.
Die Fragen stellte Florian Schwiegershausen.
Zur Person:
Thomas Lambusch ist 64 Jahre alt und seit 2003 Geschäftsführer vom Elektrotechnik-Unternehmen SEAR in Rostock. Seit 2013 ist er Präsident des Arbeitgeberverbands Nordmetall.