Wer hat’s gesagt? „Der Umweg über Schattenhaushalte wird gewählt, um Projekte vorziehen und finanzieren zu können, obwohl kein Geld dafür da ist.“ Das Zitat könnte von der Opposition stammen, von vor ein paar Tagen, oder von der Handelskammer. Deren Präses Janina Marahrens-Hashagen beklagte, dass die rot-grün-rote Landesregierung laut ihrem Programm „eine Abkehr von der bisherigen finanzpolitischen Linie“ plane.
Der Satz stammt von einer anderen Frau, von einer Grünen, nicht aber von der amtierenden Finanzsenatorin, obgleich es von Karoline Linnert eine Vielzahl ähnlicher Zitate gibt. Es war Helga Trüpel, seit wenigen Tagen ehemalige Europa-Abgeordnete, die im Jahr 1999 so über das Finanzgebaren der Großen Koalition urteilte. Sie ahnte damals freilich nicht, dass ihre Partei 20 Jahre später mit derartigen Finanzierungsumwegen in eigener Sache offenbar weniger Probleme haben würde.
Das liegt nicht etwa allein daran, dass die Grünen aus der Opposition in die Regierung gewechselt sind. Auf Rot-Grün-Rot ruhen hohe Erwartungen, das Bündnis hat viel vor und versprochen, aber ein – verhältnismäßig – kleines Budget, neuer Länderfinanzausgleich hin oder her. Angeblich summieren sich die Vorhaben und Wünsche, die von den beteiligten Parteien während der Koalitionsverhandlungen zusammengetragen worden sind, auf rund 2,8 Milliarden Euro. Etwa 1000 Stellen sollen zusätzlich geschaffen werden, wird gemunkelt. Schriftlich, heißt es, seien die Kosten aus guten Gründen bislang nicht bilanziert worden.
Zusätzliche Einnahmequellen sind benannt, so ist es nicht: Rot-Grün-Rot möchte für neue Arbeitsplätze und Einwohner sorgen und damit für höhere Einnahmen. Was das Land selbst nicht kann, sollen andere erledigen, wie die Gewoba und die Bremische beim Schulausbau, nötigenfalls durch neue Kredite. Versorgungsrücklagen sollen verwendet werden, um Einsparungen zu erzielen, die in die Rücklagen zurückfließen könnten – eine Finanzierung im Konjunktiv.
Das liegt zu Beginn einer Wahlperiode in der Natur der Sache? Selbstverständlich, ändert aber nichts daran, dass Rot-Grün-Rot drauf und dran ist, sich finanziell ganz ähnlich selbst zu verwirklichen wie einst die Große Koalition. Dabei haben es die Neuen ungleich schwerer, sich Geld zu beschaffen: Die Landesverfassung und das Grundgesetz lassen keine neuen Schulden zu. Der Stabilitätsrat in Berlin wird weiterhin ein Auge auf das Land Bremen haben und Verstöße gegen Verabredungen nicht kommentar- und tatenlos erdulden.
Die bremischen Linken haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie für ihre Ziele weitere Schulden aufzunehmen und „aktuell nicht benötigte Rücklagen“ zu opfern bereit sind. Die SPD ist flexibel: Sie trug bereits in den Jahren der Großen Koalition kreative Finanzierungsmodelle mit.
So plante Willi Lemke (1999 bis 2007 SPD-Bildungssenator) eine „Gesellschaft für Bildungsinfrastruktur“, auch Lehrer-GmbH genannt, die nicht nur Schulen sanieren, sondern auch Personal unter ihrer Fittiche nehmen sollte. In den vergangenen zwölf Jahren dagegen stellten die Sozialdemokraten ihr Durchhaltevermögen bei der Haushaltskonsolidierung heraus.
Besonders faszinierend ist die finanzpolitische Entwicklung der Grünen, die sich abzuzeichnen begann, als Linnert als Spitzenkandidatin abgesägt wurde. Der Großen Koalition hielt Grün gebetsmühlenartig vor, „eine ,Nach-uns-die-Sintflut-Politik‘“ zu betreiben, „die den Bremer Bürgerinnen und Bürgern sowie den politisch Verantwortlichen der Zukunft keinen finanziellen Handlungsspielraum hinterlassen wird“.
Koalitionsvertrag ist noch nicht unterschrieben
In zwölf Jahren Rot-Grün trug die Partei, teilweise widerwillig, den strikten Sparkurs mit. Niemand ist gerne Geizhals und Spielverderber, also soll nun wieder fast alles möglich sein. Nach „Investieren und Sparen“, so die Parole von Rot-Schwarz, „Sparen und Sparen“ von Rot-Grün, lautet die magische Formel für die nächsten Jahre offenbar „Ausgeben und Sparen“.
Gewiss, der Koalitionsvertrag ist nicht unterschrieben und steht unter sogenanntem Finanzierungsvorbehalt. Die wahren Belastungsproben stehen den neuen Partnern damit noch bevor, bei den Etatberatungen, insbesondere in der Zeit, in der nichts mehr zu vertagen, zu strecken und zu spekulieren ist. Es gehört sich, der nächsten Regierung zuzutrauen, es besser zu machen als ihre Vorgänger und Bremen voranzubringen. Mag sein, dass das gelingt, auch finanziell. Das muss man ihr gönnen können. Aber man wird doch wohl mal unken dürfen.