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Bremer Wissenschaftler gründen Unternehmen Einparkhilfe auf dem Meer

Auf rauer See ist es nicht leicht, eine Windkraftanlage zu errichten. Das Bremer Unternehmen Flucto will die Installation erleichtern – und hat im wahrsten Sinne große Pläne.
02.04.2022, 16:15 Uhr
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Einparkhilfe auf dem Meer
Von Lisa Schröder

Die Bauteile sind riesig. Und dann kommt obendrauf Wellengang und womöglich noch eine Steife Brise dazu. Es lassen sich leichtere Vorhaben vorstellen, als auf dem Meer ein Windrad zu errichten. Das Unternehmen der Bremer Wissenschaftler Andreas Haselsteiner (33) und Aljoscha Sander (30) setzt genau da an. Denn Flucto soll die Installation von Windkraftanlagen auf See sicherer und schneller machen.

Haselsteiner und Sander sitzen derweil – weit weg vom Meer – in ihrem Büro im Bremer Innovations- und Technologiezentrum in direkter Nachbarschaft zur Universität. Wie Flucto funktioniert? Die Ingenieure sprechen von einer Art Einparkhilfe – nur eben für Komponenten von Windkraftanlagen.

Die Hilfe sieht zunächst recht unspektakulär aus, ein Kasten mit außergewöhnlich starken Magneten an der Rückseite. Genauer hingeschaut ist die Herausforderung aber groß. Schließlich sind draußen auf dem Meer besondere Bedingungen zu meistern. Die Technik muss zuverlässig funktionieren, um den Prozess der Installation nicht aufzuhalten. Und um genaue Daten zur Position der Komponenten zu liefern, setzt die Einparkhilfe auf nicht weniger als das Satellitennavigationssystem Galileo.

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Flucto entstand dabei eher zufällig. In einem Forschungsprojekt arbeiteten Haselsteiner und Sander an neuen Installationsmethoden für den Windräderbau auf dem Meer. Der Prozess sollte vermessen werden. "Es war vorgesehen, Equipment von der Stange zu kaufen", erinnert sich Haselsteiner. Die Angebote hätten aber nicht den Anforderungen entsprochen. "Es gibt ganz viele tolle Sensoren auf dem Markt, aber eben keine für dieses Szenario", sagt Sander. Und dann sei da dieser Moment jugendlichen Leichtsinns gewesen: Das kann ich besser! So ging die Geschichte los. "Wir haben im Endeffekt aus einer Tupperbox, Elektronik aus einem Handy und einer Powerbank einen Prototypen gebaut."

Die Messungen auf See – dann mit richtigem Gehäuse statt Tupperware – waren erfolgreich. So konnten die beiden aufgrund der Daten genau sagen, warum es Schwierigkeiten beim Windparkprojekt gegeben hatte. Und von den Akteuren, sagt Haselsteiner, hieß es damals: "Das könnten wir für andere Windparks wieder brauchen." Die beiden dachten über eine Firma nach. Für die Freunde war klar, dass es im Duo mit verteilten Rollen funktionieren kann: Sander als Bastler, Haselsteiner als Geschäftsführer. Anschub gab ihnen zudem, dass ihre Idee den Galileo Preis Bremen gewann – noch vor der Gründung.

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Flucto ist inzwischen ein Installationsmonitoringsystem: Die Sensoren sollen direkt an den verschiedenen Windkraftkomponenten haften und über ihre Position Daten schicken, die bei der Montage helfen. Das Besondere am jungen Unternehmen ist aus Sicht der Gründer das tiefe Verständnis für die Abläufe. „An sich ist das schon ein ziemlich verrückter Prozess“, sagt Sander. In windiger Höhe müssten etwa die langen Rotorblätter ganz genau an die Gondel angebracht werden. Flucto biete hier eine Lösung, um klügere Entscheidungen treffen zu können, welche Schritte wann sinnvoll sind. Wie ein Dirigent das Orchester im Blick hat, kennt die Technologie das Zusammenspiel der Komponenten. Die Messgeräte müssen exakt dieselbe Zeit haben – auf die Millisekunde genau.

Am Ende geht es dabei wiederum um Zeit und Geld. Oft komme es bei der Installation von Anlagen heute nämlich zu massiven Verzögerungen, weil die Wetterbedingungen nicht passten. Wegen der hohen Sicherheitsanforderungen gingen die Planer konservativ vor, sagt Sander. "Eigentlich ist aber gar nicht der Wind das Entscheidende, sondern zum Beispiel die Bewegungen des Rotorblatts." Das Ziel von Flucto sei, die Installationszeitfenster zu verlängern, um häufiger sicher bauen zu können. "Dafür muss man genau messen."

"Ein System wie unseres gibt es noch nicht", sagt Partner Haselsteiner. Die Kunden sollen nach ihren Plänen befähigt werden, das System ganz allein zu nutzen. So ließe sich das Geschäft skalieren – also groß denken. Die Daten erreichten die Installateure dabei auf dem Handy, Laptop oder Computer. Aktuell hoffen die beiden auf ihren ersten richtigen Auftrag: den Einsatz des Systems bei einem Windparkprojekt in Taiwan.

Wenngleich Andreas Haselsteiner und Aljoscha Sander die Technik für Wind und Wetter liefern: Gebürtige Nordlichter sind sie nicht. Haselsteiner kommt aus Österreich, Sander aus Süddeutschland. Für das Studium ging es aber nach Bremen.

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Die Gründer sind hier heute für die Universität tätig. An ihrem Institut werde viel zum Wind gearbeitet. So befruchten sich Flucto und die Forschung gegenseitig. Das Programm ESA Business Incubation Centre unterstützt das Start-up zudem.

"Für uns ist auch wichtig", sagt Haselsteiner zur Ausgründung, "einen Beitrag zu leisten, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, und wir wegkommen von Kohle, Öl und Gas." Für Flucto und die ganze Branche hat sich so der Wind nach Jahren der Stagnation gedreht – die Erneuerbaren spielen für den Klimaschutz eine entscheidende Rolle. "Flucto wird hoffentlich eines Tages Produkte für alle Prozesse im Bereich Offshore anbieten", sagt Sander. "Da wollen wir hin."

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