Pullover und Strickjacken werden in diesem Winter auch in Bremer Büros zum anerkannten Business-Outfit gehören. Im Kampf gegen die Energiekrise senken Unternehmen und Behörden die Raumtemperatur in ihren Verwaltungsgebäuden und halten ihre Beschäftigten zur Sparsamkeit sogar beim Kaffeekochen an. Ausgerechnet beim Energieversorger SWB werden sogar ganze Gebäude stillgelegt, um Strom- und Heizkosten zu sparen – das Homeoffice macht's möglich.
Die gesetzliche Grundlage der erzwungenen Sparsamkeit lieferte die Bundesregierung im September. Und wenn man Gesetzestexte klein hacken könnte wie Kaminholz, würde die Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (EnSikuMaV) schon mal für behagliche Wärme sorgen. Zusammen mit der gleichzeitig erlassenen Mittelfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (EnSimiMaV) wäre eine Raumtemperatur von 23 Grad für einige Stunden garantiert.
So warm jedoch darf es gemäß EnSikuMaV in Büros gar nicht mehr werden, zumindest nicht in denen der öffentlichen Verwaltung. Hier sind 19 Grad in diesem Winter "für körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeit" das obere Limit – kalte Hände hin oder her. "Die Umsetzung unterscheidet sich von Gebäude zu Gebäude und richtet sich nach den technischen Möglichkeiten", heißt es aus der Senatsverwaltung. Wo die Temperatur nicht zentral geregelt wird, wurden die Beschäftigten in einem Informationsschreiben angehalten, über ihre Thermostatventile die "19-Grad-Marke mit der Einstellung zwischen den Stufen 2 und der 3" zu erreichen.
Auch der Energieversorger SWB und die Krankenkasse HKK senken die Raumtemperatur auf 19 Grad. Der Hafenlogistiker BLG hat eine Checkliste von Maßnahmen für seine Standorte erarbeitet, zu der die "Reduktion der Heiztemperaturen" gehört. Für rein privatwirtschaftliche Unternehmen gilt die 19-Grad-Grenze nicht – sie können es ihren Büroangestellten weiter behaglich warm machen. Allerdings senkt die EnSikuMaV die gesetzlich festgelegte Mindesttemperatur für gewerbliche Büroräume ebenfalls auf 19 Grad – und ermöglicht es den Unternehmen so, die Heizung freiwillig runterzudrehen. In der Deutschland-Zentrale des Nahrungsmittelkonzerns Mondelez werde derzeit noch geprüft, "welchen freiwilligen Beitrag wir als Unternehmen an unserem Bürostandort leisten können", heißt es vonseiten des Unternehmens. Am Thermostat wurde bei dem Snackhersteller (Milka, Oreo, Philadelphia) bislang nicht gedreht.
Nur noch kaltes Wasser
Neben der Heizung haben die Gebäudemanager noch andere mögliche Energieverschwender in den Blick genommen. Bei der HKK wurde die Temperatur der Klimaanlagen in den Serverräumen angepasst, aus den Wasserhähnen in den Sanitärräumen fließt nur noch kaltes Wasser. Die Außenbeleuchtung brennt nur noch von 16 bis 22 Uhr, in weniger genutzten Innenräumen wurden Bewegungsmelder installiert und die Beschäftigten werden ermahnt, nur unbedingt nötige Lampen einzuschalten.
Auch für die Mitarbeiter der Stadtverwaltung gibt es eine ganze Liste mit Verhaltensregeln zum Energiesparen, sogar in der Teeküche: "Beim Wasserkocher sollte nur so viel Flüssigkeit aufgewärmt werden wie notwendig", heißt es dort.
Einige Unternehmen wollen auch die zunehmende Heimarbeit ihrer Mitarbeiter nutzen, um in den Büros Energie zu sparen. Fast alle haben die aus Corona-Zeiten stammenden Homeoffice-Regeln so angepasst, dass sie zu einem festen Bestandteil der Arbeitsorganisation geworden sind. Das heißt: Einige Schreibtische bleiben tageweise unbesetzt. Bei der HKK wird derzeit ein "Desk Sharing"-Konzept eingeführt, um die vorhandenen Flächen effektiver zu nutzen. Bei der BLG betont man, das Thema Homeoffice sei unabhängig von den Energiesparbemühungen zu betrachten: "Wir schicken unsere Mitarbeitenden nicht ins Homeoffice, um Energie zu sparen", versichert eine Sprecherin.
Bei Mondelez lässt man Fragen zu diesem Thema unbeantwortet. Die großzügige Homeoffice-Regelung im Unternehmen wurde gerade verschärft – mit höherer Präsenzpflicht für die Beschäftigten. Dennoch plant der US-Snackhersteller im kommenden Jahr, seine Büroflächen in der Überseestadt zu verkleinern, was nicht nur Energie spart.
Beim Energieversorger SWB nutzt man die geschrumpfte Präsenzarbeit schon jetzt zum Energiesparen: Seit Anfang Oktober wird in der Hauptverwaltung in der Theodor-Heuss-Allee nur noch eins von vier Gebäuden beheizt; das Warmwasser bleibt ausgestellt. Die Heizungsanlagen in den anderen Gebäuden werden nur noch im Frostschutz-Modus betrieben. Für die Beschäftigten aus den stillgelegten Gebäuden wurden im verbliebenen Bürohaus Wechselarbeitsplätze eingerichtet, die sie an ihren Präsenztagen nutzen können.
Das Modell scheint im Energiesparwinter 2022/23 durchaus verbreitet zu sein. In München etwa ist beim Versicherungskonzern Allianz der Freitag zum "Energiespartag" geworden: Weil an diesem Tag die meisten der 10.000 Angestellten am größten Standort des Unternehmens im Homeoffice arbeiten, werden vier der fünf Bürogebäude stillgelegt: Heizung aus, Notbeleuchtung an – bis Montagmorgen.