Stammkunden haben es bereits erfahren und wollen es immer noch nicht glauben: Zum Jahresende wird die Schreibkultur Bremen in der Domshof-Passage schließen. Wie die Zukunft der mehr als zehn Mitarbeiter aussieht, ist bisher ungewiss. Mit dem Aus für das edle Schreibwarengeschäft enden auch mehr als 157 Jahre Firmengeschichte. So reden die meisten Bremer immer noch von Dörrbecker, wenn sie das Geschäft meinen. Und damit haben sie auch nicht Unrecht.
Denn der Laden für hochwertige Schreibwaren geht zurück auf Dörrbecker in der Sögestraße 36 bis 38, wo sich heute das Modegeschäft Jack & Jones befindet. An die frühen Jahre erinnert eine Gedenkplatte am Haus. Dort legte Georg Adam Dörrbecker am 9. Oktober 1861 den Grundstein für sein Geschäft. Es gehörte viele Jahrzehnte zum festen Erscheinungsbild der Sögestraße. Dörrbecker war der erste, der damals außerhalb von Hamburg Montblanc-Schreibgeräte verkaufen durfte. Der Name blieb, als Carl Hübener zunächst als Teilhaber einstieg und später das Geschäft ganz übernahmen, das im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff zerstört wurde.
2006 der Verkauf an einen Hamburger
Ende der 80er-Jahre wuchs die Konkurrenz für Deutschlands Innenstädte, weil immer mehr Einkaufszentren auf der grünen Wiese eröffnet wurden. Dadurch floss viel Kaufkraft aus den Zentren ab. 1997 kam dann der Umzug. Axel Hübener, inzwischen die vierte Hübener-Generation, verschlankte dieAngebotspalette und zog mit den hochwertigen Schreibwaren in die Domshof-Passage. Als Hübener 2006 in Ruhestand ging, verkaufte er das Geschäft an das Hamburger Papierhaus Schacht & Westerich. Dieses meldete jedoch 2015 Insolvenz an. In der Folge ging das Dörrbecker-Geschäft am 11. November 2015 an die Pro Büro & Kopier GmbH in Dortmund, deren Geschäftsführer damit auch zum Geschäftsführer der Schreibkultur Bremen wurde, wie der Laden dann hieß.
Pro Büro & Kopie betreibt in Nordrhein-Westfalen mehr als 40 Geschäfte, die meisten davon im Ruhrgebiet. Im Februar 2018 kam es dann wieder zum Besitzerwechsel. Pro Büro & Kopie gab den Bremer Laden weiter an Soennecken mit Sitz in Overath bei Leverkusen. Bei Pro Büro in Dortmund nahm man mit Verwunderung zur Kenntnis, dass die Schreibkultur Bremen nun geschlossen wird.
Bei Soennecken wiederum handelt es sich eigentlich um eine Genossenschaft mit mehr als 500 Mitgliedern, die als Einkaufsgemeinschaft für Papier, Büroartikel und Schreibwaren günstigere Preise erzielen kann. Die Soennecken-Vorstände Benedikt Erdmann und Rainer Barth fungieren seit 20. Februar gleichzeitig als Geschäftsführer für die Schreibkultur Bremen. Zu den Gründen, warum das Geschäft zum Jahresende schließt, wollte sich das Unternehmen nicht äußern. Eine schriftliche Anfrage des WESER-KURIER wurde zur Kenntnis genommen aber bisher nicht beantwortet. Auch von den Beschäftigten des Ladens ist nichts Näheres zu erfahren. Sie dürfen lediglich bestätigen, dass das Geschäft, in dem sie seit vielen Jahren arbeiten, zum Jahresende schließen wird. Ob womöglich ein neuer Investor die Schreibkultur Bremen retten kann, ist nicht bekannt.
Einige Geschäfte weiter Richtung Domshof ist für Marlene Teichert Ende August definitiv Schluss. Dann ist es auch bei ihr vorbei mit Schreibwaren in „Teicherts feine Papiere“. Teichert wird dann in Ruhestand gehen. Sie freut sich, dass sie einen Nachfolger gefunden hat für ihr Geschäft. Hier zieht im September Volker Lang ein und verkauft selbstdesignte Handtaschen und Accessoires. Filialen gibt es unter anderem in Hamburg und Berlin. Teichert ist froh, jemanden gefunden zu haben, der auch weiterhin hochwertige Waren anbieten will. Das Konzept passe gut in die Passage, und hoffentlich rechne es sich. „Die Mieten hier fallen schon hoch aus“, plaudert Teichert aus dem Nähkästchen. Das Ende von Dörrbecker bedauert sie: „Höchstens bei Manufactum gibt es dann noch in der Bremer City hochwertige Schreibwaren“, sagt die Geschäftsinhaberin. Aber so einen richtigen Einzelhändler gebe es dann nicht mehr. Zumindest gibt es noch Zimmermann am Wall – die große Produktpalette findet sich dort aber vor allem in dessen Internet-Shop.
Das Geschäft mit Papier, Büroartikeln und Schreibwaren wird immer schwieriger, wie eine Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung zeigt. Sie ist 2017 erschienen und belegt, dass der Umsatz 2016 erneut gesunken ist. Bundesweit fiel er auf 12,3 Milliarden Euro, das ist ein Minus von 1,5 Prozentpunkten. Durch die Digitalisierung benötigen die Menschen weniger Papier, im hochpreisigen Segment gibt es die Konkurrenz der vielen Internet-Shops, im mittleren Preissegment buhlen die SB-Warenhäuser um Kunden, im untersten Preissegment sind es die Ein-Euro-Shops.
Die Stammkunden dürften sich freuen, wenn es für „ihren“ Dörrbecker und die Mitarbeiter dort noch eine Rettung geben würde und es auch nach 2018 weiterginge. „Ich habe bei Dörrbecker als Schülerin vor nun vielen Jahren meinen ersten eigenen Füllfederhalter bekommen“, erinnert sich eine Kundin. „Was war ich stolz. Solche Kindheitserinnerungen vergessen Sie nicht.“