Familienunternehmen sind die Jobmotoren der deutschen Volkswirtschaft und sorgen vor allem in der Hansestadt Bremen für Beschäftigung. Sie haben in den vergangenen Jahren mehr Arbeitsplätze geschaffen als die Dax-Konzerne im Streubesitz. Das zeigt eine Studie, die vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und dem Institut für Mittelstandsforschung (ifm) der Universtität Mannheim im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erstellt wurde. Die Studie, die dem WESER-KURIER bereits vorliegt, soll am Montag vorgestellt werden.
Demnach haben die größten 500 Familienunternehmen Deutschlands zwischen 2007 und 2016 die Beschäftigung in Deutschland um 23 Prozent auf 2,54 Millionen ausgebaut. Die 27 Dax-Unternehmen, die keine Familienunternehmen sind, konnten die Beschäftigung hingegen nur um vier Prozent auf 1,55 Millionen steigern. Auch gemessen am Umsatz wuchsen die Top 500 Familienunternehmen stärker als die 27 Dax-Konzerne. Sie steigerten ihren konzernweiten Umsatz zwischen 2007 und 2016 um 36 Prozent. Die 27 Dax-Konzerne erreichten dagegen nur ein Umsatzwachstum von 29 Prozent.
Bremen an der Spitze
Laut Studie nimmt Bremen eine Spitzenstellung ein: Die zehn Top-Familienunternehmen steigerten die Beschäftigung um 91 Prozent und den Umsatz um 69 Prozent. Kein anderes Bundesland, das mehrere Familienunternehmen in den Top 500 hat, war so erfolgreich. Die Bremer Familienunternehmen sind auch überdurchschnittlich lange am Markt – das Median-Gründungsalter ist das Jahr 1914. Die 10 Bremer Top-Unternehmen erwirtschafteten 2016 rund 8,8 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2016. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag in diesem Jahr bei 32,26 Milliarden Euro.
Somit betrug der Anteil der Familienunternehmen am Bremer BIP ganze 27,28 Prozent. Zu den umsatzstärksten Familienunternehmen in der Hansestadt gehören der Raumfahrtkonzern OHB, der Bremerhavener Tiefkühlkosthersteller Frosta und Kaefer Isoliertechnik; Letzteres hatte in den vergangenen Jahren ein besonders großes Wachstum an Mitarbeiterzahlen zu verzeichnen.
Grundsätzlich wird der private Wirtschaftssektor in Deutschland von Familienunternehmen bestimmt, über 90 Prozent der Unternehmen werden von Familien kontrolliert, 86 Prozent der privatwirtschaftlichen Unternehmen sind eigentümergeführte Familienunternehmen. Familienunternehmen sind im Durchschnitt kleine Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten, ihnen sind aber mehr als die Hälfte der in der Privatwirtschaft Beschäftigten und des dort erwirtschafteten Umsatzes zuzurechnen.
Familienunternehmen mit langer Tradition
Für die Top 500 Familienunternehmen nach Mitarbeiterzahl arbeiteten weltweit im Jahr 2016 über fünf Millionen Personen, die 500 umsatzstärksten Familienunternehmen erwirtschafteten einen Umsatz von 1,1 Billionen Euro. Die Top 500 Familienunternehmen sind im Durchschnitt 101 Jahre alt. Der Median liegt beim Jahr 1926, das heißt die Hälfte der Unternehmen wurde bereits vor oder in diesem Jahr gegründet. 25 Unternehmen wurden in der Zeit vor 1800 gegründet.
Von den betrachteten Familienunternehmen werden 413 noch von Familienmitgliedern geführt. Die familiengeführten Unternehmen sind sowohl in Bezug auf die Mitarbeiterzahl als auch hinsichtlich des Umsatzvolumens deutlich kleiner als die fremdgeführten Familienunternehmen. Die weitaus meisten der großen Familienunternehmen sind im verarbeitenden Gewerbe tätig. Den zweitstärksten Wirtschaftszweig bildet der Handel.
Die Liste der größten Top 500 Familienunternehmen, sortiert nach der Beschäftigtenzahl, wird von der Schwarz-Gruppe angeführt, gefolgt von der Robert Bosch GmbH und dem Metro-Konzern. Die drei umsatzstärksten Unternehmen der Top 500 sind die Schwarz-Gruppe, die Robert Bosch GmbH und die Aldi-Gruppe.
Appell des Interessenverbands
Michael Kleine, der Bremer Regionalvorsitzende des Interessenverbandes „Die Familienunternehmer“, zeigte sich zufrieden über die Ergebnisse der vorgestellten Studie. Gleichzeitig hob er die Bedeutung der Familienbetriebe hervor: „Viele familiengeführte Unternehmen haben die Wirtschaftskrise im letzten Jahrzehnt überstanden, ohne Mitarbeiter zu entlassen.“ Renditeorientierte Unternehmen hingegen könnten sich eine solche Personalpolitik nicht erlauben.
In die Zukunft blickt Kleine verhalten optimistisch. Er sei durchaus froh, mit seinem Maschinenbauunternehmen in Bremen angesiedelt zu sein: „Hier ist alles nah beieinander, es gibt eine gute Vernetzung mit wissenschaftlichen Einrichtungen wie der Universität.“ Dennoch nutze Bremen die Vorteile eines Stadtstaats nicht ausreichend, moniert er. Was wirtschaftliches Handeln angeht, könne die Hansestadt viel flexibler vorgehen und vor allem bürokratische Hürden abbauen. Daher lautet sein Appell vor der Bürgerschaftswahl: „Diese Studie sollte den Politikern die Augen öffnen, Familienunternehmen endlich angemessen wertzuschätzen.“