Der Fachkräftemangel wird für Unternehmen in der Region zu einem immer größeren Problem. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung der Personalberatung Dr. Schwerdtfeger aus Emstek hervor. Sie hat im Herbst 500 Unternehmen aus dem Nordwesten befragt. Ein Ergebnis: Mit 94 Prozent nehmen fast alle Firmen den Fachkräftemangel wahr.
„Ganz gleich, ob erfahrene Fachkräfte, engagierte Führungskräfte oder Auszubildende – für Personalverantwortliche wachsen die Anstrengungen bei der Rekrutierung“, heißt es in der Auswertung. Demnach beklagten sich 90 Prozent der Befragten über das Fehlen von Spezialisten, 67 Prozent mangelt es an gewerblichen Mitarbeitern.
Unternehmen haben daraus ihre Schlüsse gezogen: Bei mehr als der Hälfte der Firmen steht fest, dass die Bedeutung der Mitarbeitergewinnung in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen hat. 60 Prozent gehen davon aus, dass der „Kampf um die besten Kräfte“ in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. „Denn das größte Problem bei der Besetzung der Vakanzen ist laut Aussage der Umfrageteilnehmer, zunächst einmal überhaupt geeignete Kandidaten für die offenen Stellen zu finden“, schreiben die Autoren.
Oft seien Bewerber nicht qualifiziert genug, um freie Positionen in den Unternehmen zu besetzen. In der Hälfte aller Fälle stellten potenzielle neue Mitarbeiter zu hohe Gehaltsforderungen, etwas mehr als ein Drittel der Unternehmen erhielten gar keine Bewerbungen. Die Personalberater von Dr. Schwerdtfeger raten daher, flexibler hinsichtlich der Anforderungen zu werden „und Potenziale anstelle bereits vorhandener Qualifikation in den Fokus zu rücken“. Weiter schreiben die Autoren: „Eine strukturierte Analyse der Eignung und eine gezielte, darauf aufbauende Weiterqualifizierung direkt nach der Einstellung können Abhilfe schaffen.“
„Früher haben wir einem Bewerber gratuliert"
Das Verhältnis zwischen Unternehmen und Bewerber hat sich verändert – das stellt auch René Alexander Wessels fest, Personalberater bei Dr. Schwerdtfeger. Er hilft Unternehmen in der Region bei der Mitarbeitergewinnung, sucht etwa Kandidaten für offene Stellen. „Früher haben wir einem Bewerber gratuliert, wenn sich ein Unternehmen für ihn entschieden hat“, sagt Wessels. „Heute ist es andersherum.“
Mitarbeiter finden ist die eine Sache, sie zu behalten die andere. So stellen sich auch etliche Unternehmen im Nordwesten die Frage, wie sie verhindern, dass Beschäftigte das Unternehmen verlassen. Viele spürten, dass die Fluktuationen zugenommen hätten. Laut Untersuchung bemühen sich die Unternehmen daher schon zu Beginn des Arbeitsverhältnisses darum, die Mitarbeiter an sich zu binden und ihnen einen guten Start zu ermöglichen. 81 Prozent der Befragten hätten ein strukturiertes Einarbeitungsprogramm, die Hälfte setze auf ein Partner- beziehungsweise Mentorsystem, um den Einstieg zu erleichtern.
Um die Arbeit attraktiver zu machen und die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu steigern, nutzen viele Unternehmen auch noch andere Maßnahmen. Beliebt sind etwa flexible Arbeitszeitmodelle; die gebe es bei 92 Prozent der befragten Firmen. Aber auch Lohnzusatzleistungen (82 Prozent), Dienstwagen (82 Prozent) und Perspektiven für die Entwicklung im Unternehmen (87 Prozent) würden als probate Mittel angesehen, die Mitarbeiter glücklicher zu machen.
Eine besonders große Rolle nimmt das Thema Fort- und Weiterbildungen bei den Arbeitgebern im Nordwesten ein. Während ein Großteil der verschiedenen Maßnahmen als effektiv angesehen wird, werden längst nicht alle angeboten. So setze gerade einmal die Hälfte aller Firmen auf digitale Lernangebote, Mentorinprogramme gebe es nur bei etwa 42 Prozent.
Als attraktiver Arbeitgeber auftreten
Wie wichtig die Personalentwicklung ist, zeigt ein Beispiel aus der Praxis. Beim Nutzfahrzeug-Hersteller Faun aus Osterholz-Scharmbeck würden Vorgesetzte heute nicht mehr nur nach ihrem fachlichen Know-how ausgesucht, sondern auch danach, wie gut sie Mitarbeiterpotenziale erkennen können. „Führungskräfte müssen überlegen, wie sie ihre Mitarbeiter weiterentwickeln können“, sagte der Faun-Personalchef Marc Grube im Sommer dem WESER-KURIER. Faun setzt aber auch auf etwas anderes. Etwas, dem die Untersuchung große Bedeutung zuschreibt: Employer Branding. Dahinter stecken Strategien, wie das Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber auftreten kann. „Wir müssen schauen, wie wir uns vom Wettbewerb abheben“, sagte Grube.
Laut Studie haben bereits 72 Prozent der befragten Unternehmen eine Strategie, wie sie zur Arbeitgebermarke werden. Allerdings messen davon zwei Drittel gar nicht, wie erfolgreich die Ideen in der Praxis sind; gerade einmal vier Prozent habe ein eigenes Budget für Employer Branding.