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Fleischer Herbert Dohrmann "Wie arm wäre das Leben ohne Fleisch?"

Herbert Dohrmann, Fleischer-Innungsmeister Bremen, spricht über den Umgang mit der Debatte um Fleisch-Verzicht, die Bedeutung von Regionalität und die Suche nach Fachkräften.
08.05.2024, 05:00 Uhr
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Von Florian Schwiegershausen

Herr Dohrmann, endlich ein paar Sonnentage. Wie sehr freut Sie das, auch für Ihr Geschäft?

Herbert Dohrmann: Das wurde auch mal Zeit, weil jetzt der Abstand zwischen Kohl-und-Pinkel-Saison und Start der Grillsaison ganz schön lang war.

Wie blicken Sie auf Ihr Fleischerhandwerk? Bei der aktuellen Konjunkturumfrage der Handwerkskammer schauen die Lebensmittelgewerke aufgrund steigender Preise nicht so positiv in die Zukunft.

Na ja, ob man da nun Schwarzmalerei betreiben muss? Aber die infolge des Ukraine-Kriegs gestiegene Inflation hat auch die Lebensmittel deutlich teurer gemacht. Unser Gefühl ist, dass die Leute schon genau hingucken, wo sie kaufen, was sie kaufen und grundsätzlich bewusster mit dem Lebensmittel Fleisch umgehen.

Das scheint ein positiver Nebeneffekt zu sein.

Man kann ja nicht in jedem Jahr erwarten, dass sich die Umsätze nach oben entwickeln. Grundsätzlich können wir bei uns mit der wirtschaftlichen Situation durchaus zufrieden sein. Da gibt es immer mal besonders gute Jahre, und da gibt es welche, wo es ein bisschen schwieriger ist. Im Moment leben wir in normalen Zeiten. So muss man das einfach betrachten.

Inwiefern kaufen die Leute bewusster ein, indem sie sich im Kleinen bewusst etwas gönnen?

Das ist eindeutig festzustellen, vor allem in Richtung Wochenende. Das verläuft durchaus auch gegen die oftmals auch durch Medien vertretene Meinung, dass die Leute keine Lust mehr auf Fleisch haben. Der allergrößte Teil unserer Bevölkerung hat einfach Spaß daran und sieht Fleisch als eine sinnvolle, gesunde Ernährung an. Entsprechend ist das bei uns an der Theke ein anderes Gefühl als das, was man manchmal so aus der öffentlichen Wahrnehmung herausfiltern kann.

Wie wichtig ist die Regionalität?

Ich sage immer, dass die Regionalität unser wichtigstes Pfund ist. Mit Selbstbewusstsein können wir sagen, dass unser Angebot zu weit über 90 Prozent ausschließlich aus der Region kommt. Wenn man das unter dem Nachhaltigkeitsaspekt betrachtet, ist das ja das Beste, was man tun kann. Der sauberste Einkauf kommt aus der Nachbarschaft. Das Schöne dabei ist: Man kann zu jedem Produkt idealerweise auch noch eine kleine Geschichte erzählen. Unser Strohschweinebauer hält die Schweine für uns einfach zu besseren Bedingungen – also auf Stroh, mit Frischluft, und allem, wie man sich das eigentlich für die Tierhaltung wünscht.

Sie scheinen mit Ihren 70 Beschäftigten in ihren vier Standorten ganz gut aufgestellt zu sein. Viele andere finden aber keine Fachkräfte.

Das betrifft ja die gesamte deutsche mittelständische Wirtschaft. Allerdings weiß man ja auch schon seit mindestens 15 Jahren, dass irgendwann unsere Facharbeiter und Arbeitskräfte am deutschen Markt weniger werden – jetzt in immer größeren Schritten. Da ist es schwierig, Antworten darauf zu finden.

Aber Sie haben eine kleine Antwort?

Wir starten da gemeinsam mit der Bremer Handwerkskammer ein Projekt ab Oktober. Da kommen insgesamt 15 junge Menschen aus Indien zu uns, die dann ihr Leben hier in Deutschland verbringen wollen. Das machen wir gemeinsam mit noch zwei Bäckereien und zwei weiteren Fleischereien. Wir schauen auch, dass die gut untergebracht sind.

Sie stecken den Kopf also nicht in den Sand.

Dieser Schritt ist der Versuch, diesem Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel ein wenig entgegenzutreten. Wenn wir in unserer Region niemanden finden, der an den Berufen Spaß hat, müssen wir einfach gucken, wo wir die Leute stattdessen finden. Am Ende idealerweise und hoffentlich mit Erfolg gekrönt.

Vor einem Jahr haben Sie die Aktion „Fleisch ist Kultur“ auf den Weg gebracht.

Das ist aus dem Gefühl entstanden, dass seit geraumer Zeit eine Art Fleisch-Bashing stattfindet. Das gipfelte vor zweieinhalb Jahren mit der neuen Bundesregierung und dem neuen Landwirtschaftsminister. Mit dem „Fleisch ist Kultur“ haben wir darauf reagiert, weil das Gefühl aus den Gesprächen mit den Kunden in unseren Geschäften eben das ist, dass die sich das Stück Fleisch nicht verbieten lassen wollen. Sie sehen das als sinnvollen Bestandteil ihrer Ernährung. Um also auf positive Art Stimmung zu machen, ist die Idee zu der Aktion entstanden. Dazu fahren wir als Fleischerverband seit einem Jahr verschiedene Aktionen – gerade im Social-Media-Bereich.

Das ist aus dem Gefühl entstanden, dass seit geraumer Zeit eine Art Fleisch-Bashing stattfindet.

Das ist Ihr Schritt nach vorn.

Wie arm wäre das Leben ohne Fleisch? Stellen sie sich ein Fußballspiel ohne eine gegrillte Bratwurst vor, oder das Weihnachtsessen ohne den traditionellen Braten.

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Da sagen Sie etwas.

Da muss man doch nicht von seiner politischen Ideologie her den anderen 90 Prozent vorschreiben, was die essen sollen. Das erleben Sie auch in so vielen anderen Bereichen mit dieser Vorschriftspolitik, die Gott sei Dank nun an ihre Grenzen stößt – weil der normale Bürger auf der Straße das mit gesundem Menschenverstand nicht mehr will. Wir können viele Dinge regulieren und auch versuchen zu steuern, und da sollten wir die Tierhaltung in Deutschland auf andere Beine stellen. Das hat ja in den vergangenen Jahren schon an vielen Stellen stattgefunden.

Da muss man doch nicht von seiner politischen Ideologie her den anderen 90 Prozent vorschreiben, was die essen sollen.

Inwiefern?

Nehmen Sie unser Schweinefleisch. Da zahlen wir viel Geld dafür, dass wir diese Haltungsform heute so haben. Als Beispiel hier bei uns nehmen wir unseren Strohschweinebauern. Der bekommt jeden Monat von mir noch mal extra einen zusätzlichen Aufschlag, mit dem ich praktisch diese Haltungsform mit bezahle, was auch in Ordnung ist. Wenn Gesellschaft und Politik da eine Veränderung haben möchten, muss man das auch aus gesellschaftlichen Mitteln bezahlen.

Und wie?

Die deutsche Landwirtschaft empfängt viele Subventionen. Wir waren im letzten Jahr bei über zwölf Milliarden Euro aus Europa, aus dem Bund und aus den Ländern. Das ist grundsätzlich auch in Ordnung. Nur wenn diese Subventionen zu einer Landwirtschaft geführt haben, die heute an vielen Stellen keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr findet und Bereiche der Tierhaltung umgebaut werden sollen, brauchen wir keine Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch. Da sollte dann auch Bereitschaft vorhanden sein einen Teil des Geldes zur Umstrukturierung einzusetzen statt zusätzlicher Belastung der Verbraucher. Denn nichts anders wäre eine Erhöhung der Steuer.

Sie kommen von selbst auf das Thema Mehrwertsteuererhöhung.

Ich schätze die Landwirtschaft sehr, habe auch über meine Verbandsarbeit enge Kontakte in die Landwirtschaft. Für Tierwohl muss ein Schweinebauer mit 500 Schweinen seinen Stall vergrößern. Die Baugenehmigung dafür wird schwierig, aber er muss bei der Zahl von 500 bleiben, um seine Existenz nicht zu gefährden. Wir als Fleischerhandwerk sagen auch: Wenn die Politik etwas ändern will, warum packt sie dann nicht das Tierschutzgesetz an? Denn dann werden alle Tiere gleich gut gehalten. Das Thema muss man aber europaweit betrachten.

Welchen Weg gibt es noch?

Da muss man noch mal ein bisschen zurückgehen in die Geschichte der Mehrwertsteuer: Damals hat man ja den reduzierten Mehrwertsteuersatz in Höhe von sieben Prozent auch Fleisch gegeben, weil ganz klar die Sozialpolitiker wollten, dass Fleisch nicht nur etwas für wohlhabende Menschen sein sollte. Darüber sollte man mal nachdenken. Bei Gemüse und anderem den Steuersatz auf null Prozent zu senken und dann die bestrafen, die Fleisch nach wie vor mit gesundem Menschenverstand als wichtigen Bestandteil ihrer Ernährung ansehen, das ist für mich nur Ideologie. Das hat mit objektiver Betrachtung nichts zu tun.

Wegen der Konkurrenzsituation?

Genau. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass wir eine gar nicht so kleine Gruppe in Deutschland haben, die auch gern ein günstiges Stück Fleisch essen möchte. Deshalb: Da bringt es uns nicht weiter, wenn wir in Deutschland alles umgestellt haben, und unsere europäischen Nachbarn überfluten uns dann mit günstigem Fleisch – ohne die deutschen Vorschriften.

  • Das Gespräch führte Florian Schwiegershausen.

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Zur Person

Herbert Dohrmann ist seit 2016 Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands und seit einigen Jahren Obermeister der Fleischerinnung Bremen. Seit 1983 ist er Fleischermeister, zwei Jahre zuvor stieg er in den elterlichen Betrieb ein. Heute gehören fünf Filialen mit rund 70 Mitarbeitern zu seiner Firma.

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